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  • 02.09.2014

Dr. Motz und sein feiner Körper

Dr. Motz hat Rückenschmerzen. Die hat er schon ziemlich lange und er weiß auch genau wo sie herkommen: Schuld ist die schwere bleierne Röntgenschürze die er während der OPs auf den Schultern trägt und weil er dabei nicht immer gerade sitzt, tut ihm nun alles weh. Kurz, der Arme ist total verspannt!

Dr. Motz hat Rückenschmerzen - Foto: Maksim Samasiuk

Foto: Maksim Samasiuk   

 

Entspann dich mal!

Seine Freunde kommen natürlich mit dem schlauen Ratschlag, er solle sich mal entspannen und Stress abbauen. Doch da kann der Traumatologe nur trocken lachen. Wie denn, wenn er dauernd den Feuerlöscher auf Station spielen muss, von OP in die Notaufnahme und zurück hetzt und nächtens schreienden Kleinkindern unter Psycho - Druck hysterischer Eltern zertrümmerte Ellbogen oder abgeknickte Unterschenkel absolut minimal invasiv und für alle Zeiten folgenlos zusammenbasteln soll? Dr. Motz versucht ja alles! Angefangen von Selbstmassage – schließlich hat er keine Zeit sich zu einem professionellen Masseur auf die Liege zu begeben. Erstens haben die kürzere Arbeitszeiten als er und in der Klinik will er sich nicht nackig machen, nachher käme dann noch das Gerücht in Umlauf, sein Adonisköper begänne, Bacchus zu gleichen. Doch Selbstmassage ist schwierig, wenn sich die ärgste Myogelose medial hinter dem Schulterblatt befindet. Beim Versuch an die Verhärtung auch nur ansatzweise ranzukommen, verspannt sich der Doktor auch noch total den Trapezius der Gegenseite.

 

Hilfe zur Selbsthilfe

Auch ein Entspannungsbad hilft nix und die Wärmflasche mit rosa Pelzbezug seiner Freundin – für deren monatliche Bauchschmerzen – wurde unter dem Druck seiner Schultern inkontinent. Als nächstes probiert er es mit Akupunktur. Hier allerdings taucht gleiches Problem wie bei den Masseurpraxisöffnungszeiten auf.  Erneut greift Dr. Motz zur Selbsthilfe, allerdings muss er erst die Bestellung neuer Akupunkturnadeln von Amazon abwarten. Bei seinen im Medikamentenschrank vergrabenen Exemplaren ist das Verfallsdatum überschritten. Doch dann trifft er auf der Straße auf einen ehemaligen Kollegen, der sich der ganzheitlichen homöopathischen und auch sonst und überhaupt in Dr. Motz Augen total abwegigen Medizin verschrieben hat. Der zitiert die Psychosomatik und will die Ursache für den gebückten Schmerzgang in der Last auf seinen Schultern sehen, von der er sich befreien müsse – und zwar – mit einer Neuordnung seines Feinstoffkörpers.

 

Der Feinstoffkörper

Feinstoff bitte was, fragt Dr. Motz? Er weiß, dass sein Körper zu zwei Dritteln aus Wasser besteht, manchmal mit Alkohol versetzt, und sonst aus Zellen, die er mit Aminosäuren, Kohlenhydraten und Fettsäuren füttert. Das ergibt dann einen Körper aus Blut, Knochen und formstabilen Muskeln – aber Feinstoffe? Dr. Motz kennt nur Feinstaub, doch nein, Staub hat er noch nicht angesetzt und zudem ist er sowieso militanter Nikotin- und Teerstaubgegner. Doch der Kollege – Naturheilkundler und Phytotherapeut in der Nebenbezeichnung – erzählt ihm von der bekannten Feinstaubkörpertheorie nach einem Dr. Blabla (Namen sind für Dr. Motz Schall und Rauch [1]) bei der sich um den eigenen Körper ein Feinstoffkörper bildet, der durch Stress, böse Emotionen oder „Schocks“ in Unordnung geraten können. Der verdatterte Dr. Motz schaut sich die Homepage der Feinstoffpraxis an und fällt aus allen Wolken. Womit gewiefte Zeitgenossen anderen solchen doch das Geld aus der Tasche ziehen! Früher hat man seine Probleme mit Partner, Familie oder Freund besprochen – oder gar selbst gelöst – heute muss man erstens immer total gut und einwandfrei funktionieren und kann zweitens nicht mal mehr vor sich selbst zugeben, dass man überhaupt Probleme hat. Also braucht es Fremdeinwirkung zum Zuhören, reflektieren und einfach mal Ratschläge mit gesundem Menschenverstand geben.

 

Therapie durch Therapie an sich

Allein die Tatsache, das einer entspannt mal auf ´ner Couch, in `nem Wasserbad oder sonst wo rumliegen, nix tun, offiziell abschalten darf, ist ja schon die halbe Therapie! Und dann darf der „Patient“ sogar auf Anordnung sein Hirn leeren und sich alles vom Herzen reden, was er will, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Das hilft ja schon. Doch in einer Zeit wo eh jeder seine wöchentliche Sitzung beim Therapeuten hat und dieser Pflichttermin mehr Stress bringt als Erleichterung – ist ja auch `ne Aufgabe im Wochenprogramm geworden – müssen neue, exzentrische, exotische und gar mystische Bezeichnungen für die persönlich Zuhörstunde her ...Feinstoffkörper …Dr. Motz schüttelt den Kopf …er wird seinem Körper an seinem freien Tag auch mal ein paar Feinstoffe zuführen ...Tetrazepam – auch wenn wegen gefährlicher Nebenwirkungen vom Markt genommen, Tramal – das macht so eine schöne Wurschtigkeit im Kopf, sogar dass man kotzen muss, ist einem damit egal, eine heiße Milch mit Honig und zur Krönung eine 80% Schoggi. Diese Arzneimittelkombi schlägt sicher jede Feinstofftheorie!

 


[1] Zudem möchte Dr. Motz hier auf keinen Fall für diese Methode Werbung machen!

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