- Interview
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- Beyza Saritas
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- 19.12.2022
Aus dem Nähkästchen: Medizinstudierende berichten
Pelin Elmas Sahinbas studiert Medizin in Halle seit dem Wintersemester 2018/19. Die gebürtige Berlinerin berichtet in diesem Interview über ihren ersten Kontakt mit dem Tod, ihren Letztversuch im Physikum und von ihren Zukunftsplänen in der Krebsmedizin.
Foto: Pelin Elmas Sahinbas
Was war dein schönster Moment in deinem Studium?
Mein schönster Moment war mein Einsatz auf der Kinderonkologie. Ich musste meine Pflegepraktika während meiner Studienzeit absolvieren, da ich nicht direkt mit einer Zusage für einen Studienplatz der Humanmedizin gerechnet hatte. Es war mein erster Einsatz in einem Krankenhaus und ich hatte gerade das erste Semester hinter mich gebracht. Auf der Station gab es einen sehr kranken Säugling. Damals wusste ich nicht, wie dieses Zittern der Augen hieß, heute weiß ich, dass es ein Nystagmus war. Der Säugling weinte und ich war etwas verloren, als ich der Krankenpflegerin dies mitgeteilt habe. Ich weiß noch bis heute, was sie gesagt hat: “Was macht man denn mit einem Baby, wenn es weint?” Als erfahrene Tante lautete meine Antwort, dass man das Baby in die Arme nimmt. Genau darum bat mich die Krankenpflegerin. Also bin ich damals mit meinen 19 Jahren in das Zimmer und habe das Baby auf den Arm genommen, genauso, wie ich es bei meinem Neffen machen würde. In diesem Moment habe ich versucht, die Kabel, die Magensonde und den ganzen Rest auszublenden. Jeder auf der Station wusste bereits, dass der Säugling bald sterben würde. Aber da war ich nun, hielt einen lächelnden Säugling auf dem Arm und sah den tanzenden Augen zu. So nah war ich dem Tod bis dato noch nie. In unserem Beruf ist es wichtig, keine Angst vor dem Tod zu haben. Diese Angst hat mir der kleine Patient genommen. Ich denke immer wieder dankbar und mit einem Lächeln an diese Situation zurück.
Was war der schlimmste Moment in deinem Studium?
Ich bin beim zweiten Versuch des schriftlichen Physikums mit einem fehlenden Punkt erneut durchgefallen. Jeder, der das Physikum, das erste Staatsexamen, ablegen muss, weiß, was man für einen Stress durchlebt und welche Höhen und Tiefen man in kurzer Zeit bewältigen muss. Für mich hieß es: Letztversuch. Tatsächlich war es damals eine sehr demotivierende Phase für mich.
Mit nur einem Punkt durchzufallen und erneut sechs Monate auf den Wiederholungsversuch hinzuarbeiten, lies mich sehr an mir selbst zweifeln. Im Nachhinein habe ich vieles aus dieser Zeit gelernt. Vor allem aber habe ich vieles über mich selbst gelernt. Letztversuch heißt immer auch, sich zu überlegen, was man macht, wenn es nicht klappt. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass man weiß, was einem Glück im Leben beschert. Und ja, dazu gehört für mich die Medizin, aber auch noch so vieles mehr. Es sind besonders die schwierigen Momente, die uns prägen und aus denen wir lernen. Also blicke ich gerne auf diese schwierige Zeit zurück und klopfe mir dabei jedesmal auf die Schulter.
Welche Message würdest du Erstis mit auf den Weg geben wollen?
Die wichtigsten drei Dinge wären: genieße, sei dankbar und akzeptiere, dass du nicht mehr die Beste / der Beste bist. Die ersten beiden Aspekte sind selbsterklärend. Zum dritten Aspekt: Einen Studienplatz zu bekommen war in meinem Jahrgang sehr schwer und ist es noch bis heute. Die Erinnerung an meine Zusage ist an schwierigen Tagen meine Motivation. Die Freude, die ich damals verspürt habe, trägt mich durch jede Klausurenphase. Man sollte das, was man tut, lieben und genießen. Keiner setzt sich freiwillig nach einem acht Stunden Tag noch in die Bib und lernt, wenn es nicht aus Spaß an der Sache passiert. In unserem Studiengang tummeln sich die 1,0 Abiturienten und Abiturientinnen. Legt die hohen Ansprüche an euch beiseite, denn es wird immer jemanden geben, der besser in der jeweiligen Nische ist. Und das ist völlig okay! Jeder findet sein Gebiet.
Was würdest du jetzt anders machen, wenn du das Studium noch einmal mit deinem jetzigen Wissensstand beginnen würdest?
Mir nicht so viel Stress um die ganzen Prüfungen machen. Im ersten Semester hatten wir 11 Klausuren und ich war vollkommen überfordert. Ich wusste nicht, wie ich in dieser Zeit lernen soll und was wichtig ist und was ich wieder von meiner Festplatte löschen kann. Ich hätte im ersten Semester eine Methode finden sollen, mit der ich am besten lernen kann. Das wäre für die kommenden Jahre sehr nützlich gewesen.
Was ist die wichtigste Lektion, die du mit in dein Berufsleben mitnimmst?
Kommunikation ist das A und O. Es ist erstaunlich, wie viel eine Minute länger, die man bei den Patienten und Patientinnen verbringt, bewirken kann. Eine Rückfrage mehr in der Anamnese, ein zusätzliches Angebot, bei Unverständnis den Sachverhalt erneut zu erklären, bedeutet so viel. Es werden viele gute Mediziner*innen ausgebildet, aber das Arztsein umfasst vieles mehr. Ich habe auf der Onkologie so hervorragende Beispiele gesehen, wie eine gute Kommunikation einem Patienten ein ganz anderes Gefühl vermitteln kann und hoffe, dem irgendwann auch gerecht zu werden.
Was sind deine Zukunftspläne?
Ich werde wahrscheinlich ab April eine experimentelle Promotion in der Krebsforschung beginnen. Außerdem geht es für eine Famulatur sechs Wochen nach Spanien. Am Ende des Tunnels würde ich gerne in die Reproduktionsmedizin oder in die Onkologie gehen. Innerhalb einer Kinderwunschklinik zu arbeiten, welche auch fächerübergreifend Patienten betreut, ist ein kleiner Traum von mir. Aber bis dahin ist noch viel Zeit, die darauf wartet, mit schönen Augenblicken gefüllt zu werden.
Auf ihrem Instagram-Account @elmaswhispers berichtet Pelin Elmas über ihren Alltag, unter anderem ihr Medizinstudium.