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  • Anika Wolf
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  • 17.10.2012

Lernen mal anders (3) - Lernen mit Zahlen-Bildern

Das Gehirn mag keine Zahlen. Die meisten Medizinstudenten auch nicht. Zahlen sind abstrakt, schwer vorstellbar und deshalb auch schwer zu merken. Bis jetzt jedenfalls. Wie auch Mediziner-Gehirne Zahlen lieben lernen, erfahrt Ihr in Teil 3 unserer Lerntipps: Mit Tiger und Nilpferd durch den Zahlendschungel.

Foto: MEV

 

Kunstfanatiker Gehirn

Das menschliche Gehirn denkt am liebsten in Bildern. Buchstaben oder Zahlen mag es nicht. Sie sind zu abstrakt. Im Internet gibt es Tests, die das leicht beweisen können. Klickt man auf die Seite, erscheinen nacheinander hundert Bilder. Hat man alle angesehen, bekommt man hundert Mal jeweils zwei Bilder nebeneinander vorgestellt und muss entscheiden, welches Bild schon aus dem ersten Durchgang bekannt ist. Kaum zu glauben, aber die meisten Leute liegen zu fast 100 Prozent richtig, in der Auswahl die sie treffen. Stellt Euch nun das Gleiche Prozedere mit Zahlen vor. Vermutlich würden schon zwanzig genügen, um ein heilloses Durcheinander im Gehirn auszulösen. Die beste Lösung ist tatsächlich die Naheliegendste. Wir wandeln die Zahlen in Bilder um und bieten sie dadurch dem Gehirn gut aufbereitet und leicht verdaulich an.

 

Zahlen lernen mit Schwänen und Segelbooten

Wir beginnen zunächst ganz überschaubar mit den Zahlen von null bis zwölf. Ein Zahl-Bild entsteht, indem Ihr gut vorstellbare Gegenstände mit der Zahl verbindet, die entweder so aussehen wie die Zahl oder einen eindeutigen Bezug zu der Zahl haben. Konkret bedeutet das für die Zahl null zum Beispiel: Ihr könnt Euch einen Ball vorstellen, weil der genauso rund ist wie eine Null. Oder auch einen großen runden Teich.

Foto: Renate Stockinger - Thieme

Die Zahl eins lässt sich verknüpfen mit einem Pfeil, der ähnlich aussieht wie die Zahl selbst. Es könnte auch eine Kerze sein. Einen eindeutigen Bezug zur Zahl eins hat auch ein Formel-1-Rennwagen. Auch dieses Bild eignet sich daher gut zur Verkörperung der Zahl eins. Die Zahl zwei sieht aus wie ein Schwan, unten der Körper und nach oben der lange, geschwungene Hals. Aber auch Zwillinge stehen eindeutig für die Zahl zwei. Die drei sieht aus wie ein Vogel, so wie Kinder ihn malen, wenn man sie nach links kippt (also die drei, nicht das Kind). Ein gutes Bild für die drei ist auch ein Dreirad.

Die vier, so wie sie auf einer Computertastatur zu finden ist, sieht mit ein wenig Fantasie aus wie ein Segelboot, mit dem dreieckigen Teil als Segel. Ein Stuhl eignet sich auch als Bild, weil er vier Beine hat, genau wie ein Tisch oder auch ein Hund. Eine fünf sieht aus wie eine gebogene Schlange oder ein Wurm, lässt sich aber auch gut als eine Hand mit fünf Fingern vorstellen. Die sechs ähnelt einer Kirsche, die noch am Stiel hängt. Auch ein Würfel mit sechs Augen ist möglich.

Die sieben sieht aus wie eine Fahne am Mast oder die sieben Zwerge, die singend an Euch vorbei marschieren. Die acht ähnelt einer Sanduhr, es geht genauso gut eine Achterbahn. Die neun sieht aus wie ein Luftballon, an dem noch eine Schnur zum Festhalten befestigt ist. Auch die neun Kegel stehen für diese Zahl. Die zehn lässt sich als Zehn-Euro-Schein merken. Elf Leute sind in einer Fußballmannschaft und die zwölf könnte für eine Uhr mit 12 Stunden oder einen Kalender mit 12 Monaten stehen.

Schon habt Ihr zwölf Zahlen in Bilder umgewandelt und könnt diese nutzen, um Euch wichtige Informationen zu merken.

Das Stichwort, das Ihr Euch zu der jeweiligen Zahl merken möchtet, wird ebenfalls in ein Bild umgewandelt. Das bedeutet, Ihr wandelt das Stichwort in einen Begriff um, der so ähnlich klingt, aber gut vorstellbar ist. Genauer habe ich diese Technik bereits in Teil 1 der Lernserie erklärt. Wem also noch nicht ganz klar ist, wie das funktioniert, kann es dort gerne noch einmal nachlesen.

 

Das Mikroskop läuft weg!

Falls Ihr schon Neuroanatomie hattet, musstet Ihr sicherlich auch schon häufiger überlegen, in welcher Reihenfolge die Hirnnerven richtig angeordnet sind. War der N. trochlearis nun der vierte oder der sechste Hirnnerv? Und kam zuerst N. hypoglossus oder doch N. glossopharyngeus?

Damit bei Euch hier nie mehr Zweifel aufkommen und wir außerdem gleich die neue Zahlen-Lerntechnik ausprobieren können, nehmen wir die Hirnnerven als Beispiel. Hirnnerv Nummer 1 ist der N. olfactorius. Eines unserer Merkbilder für die Zahl eins war ein Formel-1-Rennwagen. Olfactorius klingt wie "Oil-Factory" - eine große englische Ölfabrik. Unser Formel-1-Wagen düst also auf der Straße entlang, fliegt aus der Kurve und kracht gegen eine Ölfabrik. Der Wagen ist völlig dreckig und schmierig, auch die Straße muss für die nächsten Stunden gesperrt werden, um das ganze Öl zu entfernen.

Als nächstes sind die Zahl zwei und N. opticus an der Reihe. Für zwei stehen Zwillinge. Opticus klingt nach "Opi-Kuss", also ein Opa, der seine Zwillingsenkel küssen will. Die laufen aber schnell davon, weil Kinder bekanntlich ziemlich genervt sind, wenn alle Verwandten ständig Küsschen haben wollen. Nerv Nummer drei ist N. oculomotorius, drei steht für ein Dreirad. Wir können uns ein Okular vorstellen, dem es im Mikroskop zu langweilig geworden ist und das deshalb auf einem motorisierten Dreirad davondüst. Als nächstes verbinden wir den N. trochlearis mit einem Stuhl für die Zahl vier. Trochlearis klingt wie "tolle Haare". Stellen wir uns einen Stuhl vor, der stolz seine lange, goldene Haarpracht schwingt.

Foto: ccvision

N. trigeminus und die Hand sind als nächstes an der Reihe. Stellt Euch vor, Ihr wollt mit den drei Zwillingspaaren (gemini heißt Zwilling) in Eurer Verwandtschaft gleichzeitig spazieren gehen. Dabei darf sich jeder an einem Finger Eurer Hand festhalten. Das sechste Kind ist allerdings ziemlich beleidigt, weil es keinen freien Finger mehr findet und deshalb allein laufen muss. Nerv Nummer sechs heißt N. abducens und sechs steht für einen Würfel. Stellt Euch vor, der Würfel steht unter der Dusche und poliert all seine Augen, damit sie schön glänzen. N. facialis und die sieben Zwerge passen folgendermaßen zusammen: die sieben Zwerge wandern im Wald laufen aber ständig gegen Bäume, weil ihre Gesichter so klein sind, dass ihnen ständig die Mütze über die Augen rutscht.

N. vestibulocochlearis klingt sehr nach einem Koch mit einer Weste. Acht steht für eine Achterbahn. Der Koch könnte in der Achterbahn sitzen. Bei dem Fahrtwind fliegt sein großer Hut davon, dann wird ihm schlecht und er beschmutzt seine schöne weiße Weste. Nun sind N. glossopharyngeus und die Kegel dran. Glossopharyngeus steht für einen sehr schicken Pfarrer, der viel Lipgloss aufgetragen hat, um beim Kegeln gut auszusehen. N. vagus klingt nach einem Wagen. Vielleicht haben wir den mit einem großen Koffer voll 10-Euro-Scheinen erstanden oder er ist sogar selbst aus den Scheinen hergestellt.

Die Zahl elf steht für eine Fußballmannschaft, der passende Hirnnerv heißt N. accessorius. Accessorius bedeutet so viel wie "zusätzlich". Das ist ein großer Vorteil für die Mannschaft, denn der Nerv darf als zusätzlicher Spieler aufs Feld. Vielleicht ist sein Trikot ein wenig zu groß, da er so lang und dünn ist. Als letztes sind noch die Uhr und N. hypoglossus übrig. Vielleicht wolltet Ihr Eure Uhr mit Lipgloss anstreichen, habt es aber nur halb geschafft, weil Ihr zu wenig Lipgloss (also Hypo-gloss) hattet.

Und schon habt Ihr alle zwölf Hirnnerven gelernt und könnt nun sicher sagen, welcher Nerv die Nummer sieben trägt oder an welcher Stelle der N. trochlearis steht.

 

Herausforderung für die Lernmeister unter Euch

Für größere oder längere Zahlen eignet sich die gerade beschriebene Methode nicht optimal. Schon die Zahl 1151 würde uns vor die Herausforderung stellen, uns drei Kerzen und eine Hand gleichzeitig merken zu müssen. Die Irrtumsgefahr ist ziemlich groß. Schnell sind nur noch zwei Kerzen oder gar vier vorhanden und die Reihenfolge der Ziffern lässt sich auch nicht mehr sicher sagen.

Für solche Gelegenheiten gibt es das Master-System. Und das ist tatsächlich etwas für wahre Merkmeister. Es funktioniert so, dass den einzelnen Ziffern nach ihrem Aussehen Buchstaben zugeordnet werden. Dann werden zwei Ziffern, also zwei Buchstaben zusammengefasst. Nun muss ein Wort gebildet werden, dass mit dem ersten Buchstaben beginnt und als nächsten Konsonanten den zweiten Buchstaben enthält. Dazwischen dürfen Vokale eingefügt werden oder alle anderen Buchstaben, die nicht schon für die Ziffern von null bis neun vergeben sind. Manche Gedächtnissportler nehmen Wörter, in denen ausschließlich die zwei wichtigen Buchstaben und sonst nur Vokale vorkommen. Da solche Wörter aber schwieriger zu finden sind, können wir auch längere Wörter nehmen. Wir merken uns einfach, dass nur die ersten zwei Konsonanten des Wortes von Bedeutung sind.

Nun zur Zuordnung der Buchstaben: sie erfolgt nach dem Aussehen der Zahlen. Das heißt: Die Zahl null wird ersetzt durch den Buchstaben D, weil der aussieht wie eine eingedrückte null. Der Buchstabe O sieht einer null zwar noch ähnlicher, kann aber nicht verwendet werden, weil wir die Vokale als Lückenfüller brauchen. Die eins wird zu T, da ein kleines t der Zahl sehr ähnlich sieht. Zwei ist ein N, weil ein kleines n zwei Striche hat. Genauso wird drei zu M, weil ein kleines m drei Striche nach unten hat. Die vier sieht mit ein wenig Fantasie einem K ähnlich. Fünf wird zu einem S. Ähnlich sehen auch eine sechs und der Buchstabe G aus. Dreht man eine sieben auf den Kopf, sieht sie aus wie ein L. Die acht gleicht einem B, eine gespiegelte neun wird zum P.

Foto: PhotoDisc

Die einzelnen Ziffern und ihre Buchstaben als Vertreter sind nun bekannt. Wir können sie zu Zweierpärchen zusammenfügen und ein schönes Wort daraus basteln. Nehmen wir beispielsweise die Zahl 61. Sechs steht für G und eins für T. Wir haben also die Buchstaben-Kombination GT und müssen ein Wort finden, in dem diese die ersten beiden Konsonanten sind. Ein gutes Beispiel ist das Wort "GiTarre". Der erste Buchstabe ist ein G, der nächste Konsonant das T, dazwischen kommt nur ein Vokal. Der Rest des Wortes ist für unsere zu merkende Zahl unwichtig, nur die ersten beiden Konsonanten zählen. Noch ein Beispiel: 27 steht für die Buchstaben NL. Wir brauchen also ein Wort, das mit N beginnt und als nächsten Konsonanten ein L hat. So wie "NiLpferd". Übrigens zählen Doppelkonsonanten nur als einfache Zahl. Zum Beispiel in 10. Die eins wird durch T ersetzt, null ist ein D. Das Wort "Teddy" ist hier möglich, da das D nur einfach zählt und Teddy damit tatsächlich für 10 steht und nicht für 100.

Ich hoffe, die Technik ist Euch klar geworden. Eine gesamte Tabelle für die Zahlen von 00 bis 99 habe ich Euch schon aufgeschrieben. Solltet Ihr irgendwo ein schöneres Wort finden, dürft Ihr es natürlich gern benutzen. Sicher ist es ein wenig mühsam, diese Begriffe alle zu lernen. Aber es lohnt sich definitiv, denn wenn Ihr sie einmal gelernt habt. könnt Ihr Euch eine Menge Informationen in Zahlenform problemlos merken.

Mit den Fettsäuren im Zoo

Auch hier wieder ein Beispiel: nehmen wir an, Ihr wollt Euch merken, wie viele Kohlenstoffatome die einzelnen Fettsäuren haben. Palmitinsäure besteht aus 16 C-Atomen. Ein Blick in die Tabelle zeigt, 16 steht für TG und damit für "Tiger". Wir können uns also vorstellen, dass ein großer Tiger ganz oben in einer Palme sitzt und von dem starken Wind hin und her geschaukelt wird, sich aber nicht mehr herunter traut. Wenn es Euch besser gefällt, könnt Ihr natürlich auch selbst auf der Palme sitzen und hoffen, dass die Kletterkünste eines Tigers beschränkt sind. Stearinsäure hat 18 C-Atome. 18 steht für TB und damit für "Taube". Stellt Euch vor, Ihr werft mit einem großen, saftigen Steak nach einer Taube, die Euch mit ihrem Gurren fürchterlich beim Lernen nervt. Ein unvergessliches Bild bietet die Arachidonsäure mit 20 C-Atomen. Den Begriff "Arachnoidea" kennt Ihr sicher schon von den Hirnhäuten. Er kommt von dem griechischen "Arachne" und bedeutet Spinne. Die Zahl 20 steht für ND, für das Wort Nudeln. Stellt Euch vor, Ihr habt einen großen Teller vor Euch. Beim genaueren Hinsehen sind aber keine leckeren Spaghetti darauf, sondern jede Menge in einander verschlungene Spinnenbeine. Ich bin sicher, Ihr werdet bis in alle Ewigkeit wissen, wie die Fettsäure mit den 20 C-Atomen heißt.

Nun warten noch eine Menge anderer Zahlen darauf, von Euch verschlüsselt und mit Spaß gelernt zu werden. Wie wäre es mit den Ionenkonzentrationen des Intra- und Extrazellularraumes, der Zellanzahlen der einzelnen Blutbestandteile oder den Kenngrößen der Erythrozyten wie MCHC und MCV?

Die Merktabelle für das Mastersystem. Nach "Denk Dich schlau" von Steffen Bütow, Heyne Verlag (PDF).

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