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  • Lernhilfe
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  • Anika Wolf
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  • 15.10.2012

Lernen mal anders (1) - Merkwürdige Geschichten

Das menschliche Gehirn wiegt ungefähr 1,3 Kilo. Im Laufe eines Medizinstudentenlebens soll aber das Wissen aus mindestens 100 Kilo Büchern hineinpassen. Ihr denkt das ist unmöglich? Nein, denn mit einer guten Lerntechnik lassen sich Fakten schnell und effektiv lernen. Auf den folgenden Seiten findet ihr jede Menge Lerntipps. Teil 1: Merkwürdige Geschichten.

Gehört der Corpus geniculatum mediale oder laterale zur Hörbahn? Der Hase hilft weiter! Foto: Fotolia

Lerntipps der Profis

"Eselsbrücken sind doch was für Dumme", behauptete eine meiner Kommilitoninnen. Einige Mitstudenten besprachen am Präptisch gerade die Abgänge der A. carotis externa. Ganz einfach mit dem berühmten Merkspruch über Theo Lingen und seine Ochsenschwanzsuppe. Es hat wunderbar funktioniert, sie haben alle Äste zusammenbekommen. Und das soll dumm sein? Definitiv nicht.

Manche Menschen schaffen Beachtliches mit ihrem Gedächtnis. Sie merken sich zum Beispiel 200 Ziffern in fünf Minuten. Und das geht ganz sicher nicht, indem sie die Zahlen nur stur auswendig lernen. Noch dazu wäre das ziemlich öde. Deshalb wandeln Gedächtnissportler alle Fakten, die sie lernen möchten, in Merksprüche, Bilder und Geschichten um. Abstrakte Informationen mag das Gehirn nämlich nicht, Bilder hingegen kann es sich wunderbar merken. Nur so sind auch die unglaublichen Leistungen möglich, die die Gedächtniskünstler vollbringen. Einige Techniken, mit denen das Lernen von Fakten leichter und deutlich lustiger und spannender funktioniert, werde ich Euch in den nächsten Artikeln vorstellen. Heute beginne ich mit der Geschichten-Methode.

 

Geschichten vs. Auswendiglernen

Kurz gesagt funktioniert diese Methode so: Der Inhalt, der gelernt werden soll, wird in gut vorstellbare Bilder umgewandelt, die dann zu einer Geschichte zusammengefügt werden. Häufig kommt an dieser Stelle die Frage, ob das nicht viel komplizierter und zeitaufwändiger ist, sich die ganzen Bilder und Geschichten auszudenken, als den Stoff einfach direkt zu lernen. Das ist wohl wahr. Wenn ich als Medizinstudent eine Menge Fakten in meinen Kopf bekommen will und das mit sturem Auswendigpauken tue, habe ich es vielleicht erst einmal schneller gelernt. Allerdings auch schneller wieder vergessen. Und das ständige Wiederholen kostet viel mehr Zeit, als eine Geschichte zu erfinden. Außerdem macht es mehr Spaß und das Gehirn kann sich Sachen besser merken, wenn beim Lernen Gefühle im Spiel sind. Dazu kommt, dass man sich beim Ausdenken der Geschichte sehr gut mit dem Stoff auseinandersetzt, was das Merken zusätzlich fördert.

Häufig bekomme ich auch zu hören, dass jemand überzeugt ist, nicht kreativ genug zu sein, sich eine Geschichte zu überlegen. Wie so vieles ist aber auch das reine Übungssache. Nach den ersten paar Geschichten wird es immer leichter gehen.

 

Die Sache mit der Axt

Nun kommen wir aber endlich zur Sache. Wie funktioniert das mit den Geschichten? Zuerst brauchen wir natürlich einen Inhalt, den wir lernen wollen. Dann suchen wir uns die Schlüsselbegriffe heraus, die wir uns merken müssen. Die komplizierten Wörter werden nun in einfache Wörter umgewandelt, die ähnlich klingen und gut vorstellbar sind. Klingt kompliziert? Ganz und gar nicht.

Ein einfaches Beispiel: Der N. axillaris verläuft am Oberarmknochen direkt am Collum chirurgicum. Diese Stelle liegt unterhalb der beiden Knochenvorsprünge am Übergang zum Schaft und heißt so, weil der Knochen an dieser Stelle häufig bricht. Dabei kann der N. axillaris beschädigt werden. Wie merkt man sich nun, welcher der ganzen Armnerven am Collum chirurgicum liegt? Wir wenden die beschriebene Technik an. N. axillaris als solches ist schwer vorstellbar. Allerdings klingt "axillaris" so ähnlich wie "Axt". Nun stellen wir uns vor, dass wir mit einer großen, schweren Axt mit voller Wucht auf genau diese Knochenstelle schlagen. Die Knochensplitter fliegen umher. Nur noch ein Chirurg kann das wieder retten. Stellt Euch die Szene so genau wie möglich vor. Die schwere Axt in Eurer Hand, das ekelhafte Geräusch, wenn der Knochen zerbricht. Natürlich ist das ziemlich makaber. Aber je verrückter die Geschichten sind, desto besser kann man sich wieder an sie erinnern. Es heißt ja nicht umsonst "merk"würdig. Wenn Ihr nun künftig an das Collum chirurgicum denkt, wird Euch sofort die schwere Axt wieder einfallen und damit wisst Ihr, dass der N. axillaris dort verläuft. War doch gar nicht so schwer, oder?

 

Was ein Lemming mit der Hörbahn zu tun hat

Ein anderes Beispiel mit einer etwas längeren Geschichte: die Hörbahn. Schauen wir uns zuerst an, wie die Hörbahn überhaupt aufgebaut ist. Ob Straßenlärm, Musik oder die Erzählungen Eures besten Freundes, alle gehörten Informationen nehmen den gleichen Weg von den Ohren in die Tiefen des Gehirns. Los geht es bei den inneren Haarzellen im Innenohr. Natürlich müssen die Schallwellen dort auch erst einmal hinkommen, aber wir konzentrieren uns hier nur auf die Hörbahn selbst. Die inneren Haarzellen werden erregt und senden diese Impulse an das erste Neuron, das im Ganglion spirale liegt. Von dort geht es weiter über den N. vestibulocochlearis, der zu den Ncll. cochlearis posterior und anterior zieht. Vom Ncl. cochlearis anterior ziehen die Hörfasern zum Ncl. olivaris superior. Die Ncll. olivares beider Seiten sind über schleifenförmige Faserbündel miteinander verbunden, die man als Corpus trapezoideum bezeichnet. Hier kommen also Informationen aus beiden Ohren zusammen, was wichtig ist für das Richtungshören. Die Fasern der Oliven ziehen nun gemeinsam mit den Axonen des Ncl. cochlearis posterior als Lemniscus lateralis zu den Colliculi inferiores der Vierhügelplatte. Die nächste Schaltstelle ist das Corpus geniculatum mediale. Von dort aus verläuft die Hörbahn als Radiatio acustica (Hörstrahlung) zur primären Hörrinde im Temporallappen des Großhirns.

Diese komplizierte Information wollen wir nun in eine lustige Geschichte umwandeln, um sie uns besser merken zu können. Dazu gehen wir vor, wie oben beschrieben: Zuerst suchen wir die wichtigen Schlüsselbegriffe heraus, die wir uns merken möchten und wandeln das komplizierte Wort in einen ähnlich klingenden, gut vorstellbaren Begriff um.

Das erste Neuron liegt im Ganglion spirale. Das ist auch unser erster Schlüsselbegriff. Hier ist es nicht schwer, ein passendes Bild zu finden: eine Spirale. Sicher kennt Ihr aus Eurer Kindheit noch diese bunten Plastikspiralen, die man die Treppe hinunter wandern lassen kann. Daran denken wir also beim Ganglion spirale. Der nächste wichtige Begriff ist der N. vestibulocochlearis. Das klingt wie "Weste" und "Koch". Stellen wir uns also einen Koch in einer Weste vor. Vielleicht ist es eine quietschgelbe Schwimmweste, die er trägt, weil sein Restaurant direkt am Meer liegt und er nicht schwimmen kann. Lasst Eurer Fantasie einfach freien Lauf. Es macht gar nichts, wenn die Geschichte keinen wirklichen Sinn hat oder verrückt ist. Es geht ja ums Merken.

Die nächste wichtige Schaltstelle sind die Ncll. cochleares. Auch hier können wir wieder den Koch nehmen. Weiter geht es mit dem Ncl. olivaris superior. Hier ist es nicht schwer, ein passendes Bild zu finden: Oliven. Am besten ganz viele, bunt gemischt. Das Corpus trapezoideum stellen wir uns als Trapez vor, dem Turngerät, das Artisten im Zirkus gerne benutzen. Zum Lemniscus lateralis passt ein Lemming, ein Tier, das so ähnlich aussieht wie eine Wühlmaus. Die Hörbahn setzt sich fort in den Colliculi inferiores. "Inferior" bedeutet "unten" und "Colliculi" klingt so ähnlich wie "kullern". Wir können uns also vorstellen, einen großen Hügel hinunter zu kullern. Für das Corpus geniculatum mediale verwende ich ein Bild, das von einer anderen Eselsbrücke kommt. Neben dem Corpus geniculatum mediale gibt es ja noch ein Corpus geniculatum laterale. Bestimmt musstet Ihr auch schon öfter überlegen, welches davon zur Sehbahn und welches zur Hörbahn gehört.

Gut merken lässt sich das, indem man sich einen Hasen vorstellt, der die Augen an der Seite des Kopfes (lateral) und die Ohren in der Mitte (medial) hat. Also gehört das Corpus geniculatum laterale zur Sehbahn, das mediale zur Hörbahn. Deshalb ist das nächste Bild im Verlauf der Hörbahn ein Hase, der für das Corpus geniculatum mediale steht. Nun kommt die Radiatio acustica. "Radiatio" klingt fast wie "Radio". Und die Hörrinde stellen wir uns einfach als ein Stück Rinde vom Baum vor.

Nun haben wir alle Bilder zusammen, um daraus eine Geschichte zu basteln. Diese könnte zum Beispiel so aussehen:

Ihr sitzt auf einer schönen Wiese und spielt mit eurer bunten Spirale. Ihr seid so fasziniert von dem tollen Spielgerät, dass Ihr gar nicht merkt, wie von hinten ein dicker Koch mit einer Schwimmweste kommt. Der Koch läuft so dicht an Euch vorbei, dass er über das Spielzeug stolpert. Dabei lässt er seinen Korb mit Oliven fallen, die nun in alle Himmelsrichtungen davonfliegen. Fast fällt er selbst hin, kann sich aber gerade noch an einem Trapez festhalten, das zufällig dort hängt. Der Koch ist natürlich richtig sauer, dass wegen Euch nun seine schönen Einkäufe zunichte gemacht wurden. Er schreit Euch laut an und droht, Euch zu verprügeln, aber plötzlich kommt ein todesmutiger Lemming von der Seite angerannt, schubst Euch weg und bringt Euch in Sicherheit. Durch den großen Schwung kullert Ihr allerdings den ganzen Grashügel runter. Unten sitzt ein Hase, der die Sache mit angesehen hat. Er lässt sich aber nicht stören, hört weiter Radio und knabbert dabei an einem Stück köstlicher Rinde.

Das ist die Hörbahn-Geschichte. Ist doch gleich viel lustiger und besser zu merken, als die Stationen einfach auswendig zu lernen. Nun dürft Ihr selbst ran. Überlegt Euch, was Ihr lernen möchtet und bastelt eine nette kleine Geschichte daraus. Damit das gut klappt, noch einmal die wichtigsten Tipps im Überblick.

Checkliste

 

Probiert es einfach aus. Es macht wirklich eine Menge Spaß und ist sehr effektiv, um sich Fakten zu merken.

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