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  • Jeanette
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  • 07.04.2020

Lernen in Zeiten von Corona – Wie mein Physikum stattfand

Einen Tag hieß es, das Mündliche findet statt, am anderen das Gegenteil. Jeanette wünschte sich schon fast, die Prüfung würde abgesagt werden, weil sie psychisch so ausgelaugt war. Wie das Physikum dann doch noch verlief.

 

Einen Tag nach meiner schriftlichen Prüfung, die erstaunlich gut gelaufen war, flatterte die Einladung für die Mündliche ins Haus. Die Schriftliche war noch unter normalen Bedingungen abgelaufen: Kein besonderer Abstand, Fahrgemeinschaften auf dem Hinweg, kein Mundschutz zu sehen.

Auch als ich meine Einladung bekam, war ich relativ entspannt. Corona war noch eine eher diffuse Bedrohung, die hinter der Bedrohung Physikum zurückstecken musste. Ich war mit meiner Prüferauswahl sehr zufrieden und zweifelte absolut nicht daran, in genau zwei Wochen antreten zu können. Auf Nachfrage beim LPA einen Tag später, ob die Pandemie Auswirkungen auf mündliche Staatsexamina haben könne, hieß es unmissverständlich, das sei nicht einmal im Gespräch.

Drei Tage später, also nun 10 Tage vor meiner Prüfung, setzte die Uni alle Präsenzveranstaltungen aus und sagte alle Prüfungen ab – ausgenommen waren nur Staatsexamina und mündliche Prüfungen. Die Mündliche begann also ganz normal, noch wurde am Körperspender und Mikroskop geprüft, drei Tage lang.

Richtig nervös wurde ich erst 8 Tage vor meiner Prüfung. Mittlerweile wurden auch mündliche Prüfungen abgesagt, von den Staatsexamina war erstmal keine Rede. Über Forenbeiträge, die ich in dieser Zeit besser ignoriert hätte, erfuhr ich, dass einige Unis die Prüfungen eigenständig versucht hatten abzusagen – und dass dies durch die Zuständigkeit des LPAs gar nicht möglich gewesen sei. Es war ein einziges Chaos und spätestens jetzt konnte ich mich nicht mehr konzentrieren.

Uns erreichte die Nachricht, dass mittags eine Telefonkonferenz stattfinden sollte, um zu klären, ob und wie die Prüfungen stattfinden. Diese Vorankündigungen waren das absolut Schlimmste in der Vorbereitungszeit – warum sollte ich mich morgens noch zum Lernen hinsetzen, wenn mittags eine Nachricht kommen könnte, dass alles abgesagt wird? Ich entschied mich also für einen reinen Haushaltstag, wusch meine Wäsche und kochte mir Essen – von dem ich keinen Bissen runterbekam.

Irgendwann nachmittags dann die Erleichterung: Prüfungen sollten weiterhin stattfinden, aber ohne vorterminliche Aufgabe, Mikroskope und Körperspender. Das machte ungefähr die Hälfte meiner bisherigen Vorbereitung unnötig und ich war einfach nur noch frustriert. Da war ich wohl nicht die einzige, denn mein Anatomiedozent antwortete auf meine Nachfrage mit einer unglaublich kurzen Mail ohne Groß- und Kleinschreibung, die er mit den Worten „alles ungewöhnlich, wird aber fair“ beendete.

Ich war mittlerweile komplett verloren. Es war immerhin noch über eine Woche bis zur Prüfung und bei der Schnelligkeit, mit der sich die Lage veränderte, konnte ich mir nicht vorstellen, ernsthaft noch geprüft zu werden.

So dümpelte meine Lernzeit dahin, ohne dass ich wirklich viel aufnahm.
Fünf Tage vor der Prüfung erreichte ich meinen Tiefpunkt. Uns erreichte die Nachricht, dass „im Laufe des Vormittages“ eine Telefonkonferenz der LPAs stattfinden sollte, um endgültig zu klären, ob es weitergeht. Dementsprechend war ich den ganzen Vormittag unkonzentriert und wartete auf die Nachricht. Ich wünschte mir schon fast, die Prüfung würde abgesagt werden, weil ich psychisch so ausgelaugt war.
Die nächste Nachricht erreichte uns allerdings erst am Nachmittag des nächsten Tages, ich hatte also noch vier Tage. Alles sollte weiterhin stattfinden. Jetzt fand ich endlich meine Motivation wieder – oder besser gesagt, Panik.

Die drei Tage vor dem Physikum waren die lernintensivsten und belastendsten in meinem Leben. Durch die ständige Unsicherheit hatte ich den Großteil meiner Zeit verloren (was natürlich auch meine Schuld war), deshalb gönnte ich mir jetzt keine freie Minute mehr. Ich stand um 5 Uhr morgens auf und machte abends bis zur Erschöpfung weiter.

Und dann kam die Prüfung. Ich hatte in der Nacht kaum geschlafen und war unglaublich nervös.
Schon an der Tür wurden wir von der Sekretärin abgefangen, die uns allen OP-Masken ausgab. Dann sammelten wir uns, natürlich mit genügend Abstand, in den Gruppen und gingen gemeinsam runter in den Präpariersaal. Der war durch Sichtschutze in mehrere Räume eingeteilt worden, die aber natürlich nicht für Schalldämmung sorgten. Gemeinsam mit der Lüftung war es wirklich laut. Dann saßen wir auf vier Stühlen mit jeweils zwei Metern Abstand, wer geprüft wurde, musste sich auf einen Stuhl vor die Prüfer setzen. Das Verständnis war immer etwas schwierig durch Mundschutz, Abstand und Lautstärke und es war sehr kalt. Trotzdem war die Prüfung letztendlich sehr unspektakulär und wir haben in unserer Gruppe alle bestanden.

Draußen wartete meine Mitbewohnerin auf mich. Mit dem Rest unserer Clique haben wir dann gefacetimet, da man sich zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr mit mehr als zwei Leuten treffen durfte.

 

Im Nachhinein bin ich unglaublich froh, dass die Prüfung stattgefunden hat. Es war am Ende überhaupt nicht so schlimm wie gedacht (so fühlt man sich wahrscheinlich auch ohne Corona im Nachhinein meistens) und ich bin sehr erleichtert, erstmal in die Klinik starten zu können. Ich habe großen Respekt vor allen, bei denen die Verhältnisse bezüglich des Physikums oder der M2 immer noch unklar sind und die sich davon trotzdem nicht unterkriegen lassen.

Nur die Zeit nach dem Physikum umfasst grade nichts von dem, was ich mir gewünscht hatte (Shoppen und Schwimmen gehen, in Urlaub fahren), und deshalb fällt mir die viele Freizeit, die man dann doch nicht richtig nutzen kann, noch schwer. Aber ich versuche sie mit Vorfreude auf das nächste Semester, wie auch immer das genau stattfinden wird, zu überbrücken.

 

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