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  • Bericht
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  • Anna Vinarskaja
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  • 01.08.2011

Gunther von Hagens Körperwelten in Köln - Eine Herzenssache

Die Diskussion über die umstrittene Ausstellungsreihe "Körperwelten" von Gunther von Hagens fing mit der ersten Vorstellung an und dauert bis zum heutigen Tage. Ist es ethisch vertretbar, die menschlichen Körper von Spendern auf solche Art dem breiten Publikum vorzuführen? Hier ein Bericht zur aktuellen Schau in Köln.

Der Schachspielger - Foto: Anna Vinarskaja

Körperwelten - Der Schachspieler

Körperwelten seit Herbst in Köln

Seit diesem Herbst gastiert die Ausstellung "Körperwelten – Eine Herzenssache" in Köln. Der Erfinder der Plastination Gunther von Hagens und seine Ehefrau, Ärztin und Kuratorin Angelina Whalley haben ihre Schauen bereits rund um den Globus präsentiert: Von Japan über Paris bis nach Nordamerika – doch angeblich werden sie nirgends so heftig kritisiert wie in ihrer deutschen Heimat. Trotzdem brechen sie "im Sinne der Aufklärung" ständig neue Tabus.
Die Eröffnung startete bereits mit einem Eklat: Die Figur zweier Menschen beim Geschlechtsakt wurde von der Stadt Köln, wie auch zuvor in Augsburg, gesperrt. Erst nachdem diverse Auflagen der Stadt erfüllt wurden, ist das Exponat in einem speziell abgetrennten Bereich freigegeben worden. Doch dazu später mehr.

Die Ausstellung findet in einem provisorisch anmutenden Zelt statt - dem Körperwelten-Dom - und ist dort noch bis zum 31. Januar 2010 zu sehen. Falls es der Geldbeutel nach den gepfefferten Eintrittspreisen noch zulässt, kann man einen Audio-Guide erstehen. Studenten zahlen allein für den Eintritt 15 Euro.

 

Gang durch die Ausstellung

Da die Schau das Organ Herz zum Thema macht, beginnt der Durchgang mit einem animierten, pochenden Herz und entsprechenden Fakten. Für Mediziner also nichts Neues. An anderer Stelle stapeln sich Industrietonnen, um zu symbolisieren, wie viel Blut das lebenswichtige Organ durchschnittlich pumpt.
Von Anfang an durchläuft der Besucher den Körperaufbau quasi von innen. Es wird das Skelett gezeigt, die Muskulatur, das Nerven- und Gefäßsystem, innere Organe – alles an echten Leichen in den verschiedensten Posen. Man begegnet einem Schachspieler mit herauspräparierten Nerven, einem Mann, der seine eigenen Organe zur Schau stellt und Ähnliches mehr.

 

Total expandierter Körper - Foto: A. Vinarskaja

Körperwelten - Total expandierter Körper

 

Auf den ersten Blick beeindruckend wirkt das "Akrobatische Paar mit orthopädischen Operationen". Beim näheren Hinsehen entdeckt man diverse glänzende Gelenkersatzprothesen, die der Frau post mortem eingesetzt wurden. Im ganzen Körper stecken noch chirurgische Spreizer zum Zwecke der Freilegung tieferer Strukturen.
Ein anderes Präparat besteht aus einigen Frontalschnitten durch einen männlichen Körper, dessen Haut ausnahmsweise erhalten wurde, sodass seine Tattoos noch zu bestaunen sind. Dadurch entsteht wiederum ein viel engerer Bezug zum Verstorbenen.
Genauso eindrucksvoll sind die einzelnen Körperstrukturen hinter Glas. Eine schwarz verfärbte Raucherlunge liegt neben einem gesunden, weißen Organ, ein hypertrophiertes Herz neben einem normalem. Zusätzlich können die Besucher sogar ihren eigenen Blutdruck vor Ort messen, um ihr eigenes Risiko für ein zuvor bestauntes Aortenaneurysma einschätzen zu können.

 

Embryos und Tiere als Teil der Ausstellung

Es gibt auch eine Reihe von Embryos zu sehen, die teilweise aus alten anatomischen Sammlungen stammen, andere wiederum von ihren Eltern nach der Totgeburt an das Plastinationsinstitut übergeben wurden. Eine Figur aus einem Blutgefäß-Plastikausguss auf einem Schaukelpferd sieht auch recht kindlich aus. Der Frage nach dem Alter wird jedoch ausgewichen.
Sehr imposant türmt sich zum Schluss das 3,50 Meter große Plastinat einer ausgewachsenen Giraffe auf. Auch andere Tiere sind Teil der Ausstellung, z.B. ein Ferkel.

 

Das Herz einer Giraffe - Foto: A. Vinarskaja

Körperwelten - Das Herz einer 3,50 Meter großen Giraffe

Grenzüberschreitung "Schwebender Akt"

Doch nun zum "Schwebenden Akt". Er zeigt die Becken zweier Menschen, das erigierte Glied eingedrungen in die Vagina. Ursprünglich bestand das Schaustück aus den kompletten Körpern inklusive emotionaler, der Situation entsprechender Mimik. Aufgrund des Verbots wurden die Leiber wieder voneinander getrennt, sodass nur noch die Becken übrig blieben, und dann wieder zusammengesetzt. Der Teil der Ausstellung ist nun ab 16 Jahren zugänglich, was von einem Angestellten regelmäßig kontrolliert wird.
Inwiefern es moralisch vertretbar ist oder respektlos gegenüber den Körperspendern, mag jeder für sich entscheiden. Die Ausstellung ist zwar interessant und beeindruckend, doch reicht dies als Rechtfertigung für solche Grenzüberschreitungen?

 

Der schwebende Akt - Foto: A. Vinarskaja

Körperwelten - Der Schwebende Akt

 

Interview mit der Kuratorin Dr. Angela Whalley

Körperwelten-Homepage

 


 

Die Autorin studiert Medizin in Düsseldorf und ist Via medici-Lokalredakteurin.


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