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  • Bianca Grofer
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  • 19.12.2007

Hammerexamen: Tipps und Tricks

In wenigen Monaten feiert das Hammerexamen Premiere. Bei der Generalprobe im Juni, dem "Pretest", lief einiges schief. Dementsprechend verhalten war der Applaus. Bis zum Herbst wollen die IMPP-Regisseure ihre Aufführung perfektionieren. Solange haben auch die Studenten noch Zeit, um sich auf ihren großen Auftritt vorzubereiten. Wir geben Einblicke in das Drehbuch.

Foto: Michael Zimmermann, Thieme

Juni 2005

Mehr als 80 Medizinstudenten strömen in die Stadthalle von Neuss. Einzeltische, auf denen jeweils ein großer brauner Umschlag liegt, sind dort in zwölf schnurgeraden Reihen aufgestellt. Schnell breitet sich in dem großen Saal eine angespannte Atmosphäre aus: Stühle werden hin und her gerückt und Bananen griffbereit auf den Tischen positioniert. Einige Studenten räuspern sich nervös oder werfen ihrem Nachbarn ein unsicheres Lächeln zu. Um halb elf liest eine Aufsichtsperson die letzten Informationen vor. Dann endlich fällt der entscheidende Satz: "Sie dürfen die Umschläge öffnen."

 

Übung für den Ernstfall

Wer jetzt an eine Physikumsprüfung oder ein Staatsexamen denkt, irrt. Tatsächlich stammt diese Szene aus einer harmlosen Übung - dem "Pretest". Das Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen, kurz IMPP, veranstaltete diesen Test als Probelauf für das Hammerexamen, das im Oktober Premiere feiern wird. In acht deutschen Städten testeten mehrere hundert Studenten freiwillig die Prüfungsform der Zukunft. Teilnehmen konnte, wer nach alter Approbationsordnung zum Zweiten Staatsexamen zugelassen war oder sich gerade im Praktischen Jahr befand. "Ich war neugierig, wie das Hammerexamen aussehen wird", berichtet Cordula Dahlmann, die den Pretest in Leipzig geschrieben hat. "Da ich mich gerade auf mein Zweites Staatsexamen vorbereitete, konnte ich so außerdem meinen Wissensstand überprüfen und nach etwaigen Lücken fahnden." In fünfeinhalb Stunden mussten die Probeprüflinge zehn Fallstudien bearbeiten, die auf vier Aufgabenhefte verteilt waren. 126 Multiple-Choice-Fragen galt es zu beantworten. Dabei musste jeweils eine aus fünf Antwortalternativen ausgewählt werden. Mehrfachauswahlfragen oder so genannte "Weil-Fragen" wurden nicht gestellt. Die Kasuistiken bezogen sich auf häufige Krankheitsbilder, wie Herzrhythmusstörungen, Tuberkulose, Hepatitis, Bronchialkarzinom, Fieberkrampf bei Kindern und Multiple Sklerose.

 

Neue Frageformen getestet

Das IMPP nutzte die "Pilot-Prüfung", um zwei unterschiedliche Fallstudienformate zu testen: Aufgabenheft eins umfasste fünf Fälle. Zu diesen wurden sternförmig Fragen gestellt, die nicht aufeinander aufbauten, sondern unabhängig voneinander beantwortet werden konnten. "Als ich das Heft aufschlug, war ich zunächst geschockt", so Cordula Dahlmann. "Gleich die erste Kasuistik war eineinhalb DIN-A4-Seiten lang. Ich wusste nicht, wie ich mir die ganzen Fakten merken sollte und habe allein fürs Durchlesen etliche Minuten gebraucht." Die Fallbeschreibungen enthielten die aktuellen Beschwerden des Patienten, Angaben zur Krankenvorgeschichte, körperliche Befunde, Laborwerte und die Ergebnisse verschiedener diagnostischer Verfahren wie histologische Bilder oder EKG-Streifen. Daran anschließend wurden pro Fall zwölf Fragen gestellt, beispielsweise zur Symptomatik, Klassifikation, Pathologie, Diagnostik und Therapie der Erkrankung. "Man gewöhnt sich aber schnell an die langen Anamnesen", beruhigt Cordula Dahlmann. "Beim fünften Fall fiel es mir schon viel leichter, die relevanten Fakten herauszufiltern." Sobald die Prüflinge mit einem Heft fertig waren, mussten sie dieses abgeben und bekamen das nächste.

Ab dem zweiten Aufgabenheft änderte das IMPP den Prüfungsmodus: Wieder wurden fünf Kasuistiken vorgestellt, jetzt allerdings nicht mehr komplett, sondern in Teilen, zum Beispiel wurden zunächst nur die Anamnese und die ersten Symptome genannt. In den Heften drei und vier wurden die Fälle dann wieder aufgegriffen, mit neuen Informationen angereichert und so Stück für Stück gelöst. In jedem Heft mussten die Studenten pro Fall fünf Fragen bearbeiten, insgesamt pro Heft also 25. Um eine Kettenreaktion falscher Antworten zu verhindern, enthielten die Fallbeschreibungen in jedem neuen Heft die Antworten auf die bis dahin gestellten Fragen. Prüflinge, die von einer falschen Verdachtsdiagnose ausgegangen waren, machten also maximal fünf Aufgaben in Folge falsch.

 

Sternförmig oder sequenziell?

"Bei dieser sequenziellen Frageform erfuhr man im folgenden Heft, welche Fehler man gemacht hatte", erklärt Cordula Dahlmann. "Das war frustrierend, und es fiel schwer, sich auf die nächsten Aufgaben zu konzentrieren." Leonie Habel, die in Neuss am Pretest teilgenommen hat, kritisiert außerdem: "Bei uns war jeder Tischreihe nur eine Aufsichtsperson zugeteilt, die in den Stoßzeiten des Hefttauschs regelrecht von einem Prüfling zum anderen gerannt ist. Dadurch entstand eine große Unruhe."

Dr. med. Dipl. Psych. Bringfried Müller glaubt nicht, dass die sequenzielle Frageform im Hammerexamen angewandt wird. Er ist Geschäftsführer des Instituts MEDI-LEARN, das die Ergebnisse des Pretests ausgewertet hat. "Unsere Analyse hat gezeigt, dass die sequenzielle Frageform aus testtheoretischer Sicht keine Vorteile hat", so Dr. Müller. "Außerdem ist sie mit einem sehr viel höheren organisatorischen Aufwand verbunden." Der Auswertung des Marburger Instituts zufolge fiel der Pretest im Vergleich zum ehemaligen Zweiten Staatsexamen nach alter AO deutlich schlechter aus. Im Durchschnitt wurden 65 Prozent der sternförmigen und 63 Prozent der sequenziellen Fragen richtig gelöst. Zum Vergleich: Im alten Zweiten Staatsexamen lag dieser Wert bei 78 Prozent. Dr. Müller hat dafür keine eindeutige Erklärung: "Die neuen Fragen waren nicht schwerer, sie folgten nur einem anderen System. Allerdings wurden die Fragen fächerübergreifend gestellt, vielleicht war das der Grund." Cordula Dahlmann vermutet noch eine andere Ursache: "Man musste sich sehr stark konzentrieren, um die relevanten Fakten der Fälle zu erfassen und zu behalten. Das war ungewohnt."

 

Mehr Praxis, weniger Kolibris

Es gibt aber auch Positives zu berichten. "Die Fälle waren sehr komplex, aber sie waren praxisrelevant", lobt Leonie Habel. "IMPP-Lieblinge wie die Abt-Letterer-Siwe-Krankheit kamen nicht vor." Die meisten Fragen bezogen sich auf die Fachgebiete Innere Medizin, Pharmakologie, klinische Chemie, Radiologie und Chirurgie. Darüber hinaus wurde aber auch Wissen aus Fächern wie Mikrobiologie und Arbeitsmedizin geprüft. "Aus dem Pretest kann man ableiten, welche Fächer wichtig sein könnten, aber es lässt sich nur schwer einschätzen in welchem Umfang sie abgefragt werden", erklärt Dr. Müller. "Außerdem muss man bedenken, dass das Hammerexamen auch 140 Einzelaufgaben beinhalten wird, die sich auf jedes Fach beziehen können."

Nichtsdestotrotz lassen sich aus der Generalprobe wichtige Hinweise für die richtige Prüfungsvorbereitung gewinnen. Für diese wird ein genauer Lernplan wichtiger sein als je zuvor, denn das Hammerexamen hat es in sich: Der schriftliche Teil wird 320 Fragen umfassen, die an drei Tagen in jeweils fünf Stunden bearbeitet werden müssen. Etwa 180 Fragen werden sich auf Fallstudien beziehen, die restlichen werden Einzelaufgaben sein. Für die Lösung einer Aufgabe werden die Studenten im Schnitt fast drei Minuten Zeit haben.

Die mündliche Prüfung ist mit dem alten Dritten Staatsexamen vergleichbar. Sie wird in Vierergruppen an zwei Tagen stattfinden: am ersten der praktische Teil mit Patientenvorstellung, am zweiten der fachlich-theoretische. Pro Tag wird jeder Examenskandidat dabei mindestens 45 Minuten interviewt werden. Schriftliche und mündliche Prüfung bestimmen jeweils zur Hälfte die Note.

 

Mit Konzept zum Erfolg

Im Märchen legt das tapfere Schneiderlein den bösen Riesen mit einem Stück Käse aufs Kreuz. Was dem Schneiderlein der Käse, ist für den Prüfling die ausgefeilte Lernstrategie. Denn Hammerexamen hin oder her: Konzeptloses Drauflosbüffeln bringt nichts! Zu einem Rezept für ein erfolgreiches Examen gehört auch, dass man den Stoff sinnvoll auswählt, sich einen klugen Zeitplan macht und lernpsychologische Grundregeln berücksichtigt.

"Der neue IMPP-Gegenstandskatalog ist in ,Gesundheitsstörungen' und ,Krankheitsbilder' unterteilt und deckt die gesamte Medizin ab", erklärt Dr. Müller. "Wie bereits seine Vorgänger ist auch er leider nicht dazu geeignet, Prüfungsinhalte zu identifizieren."
Wenigstens im Gesetzestext der neuen AO findet sich ein kleiner Hinweis zum Prüfungsstoff. Fächer wie Geschichte der Medizin, Zahn-Mund-Kieferheilkunde, Naturheilverfahren und Biomathematik kommen darin nicht vor und werden somit auch nicht geprüft.

Als wichtigster Kompass galten bislang Altfragen. Die aber gibt es vom Hammerexamen nicht. "Die alten MC-Fragen für das neue Examen zu kreuzen, mag auf den ersten Blick sinnlos erscheinen", sagt Dr. Müller. "Aber so kann man die bisherigen Prüfungsschwerpunkte ermitteln. Und die werden höchstwahrscheinlich auch für das Hammerexamen relevant sein."

Das Kreuzen erfüllt darüber hinaus noch andere Zwecke: Der aufmerksame Prüfling merkt bald, dass es Schlüsselwörter gibt, die auf bestimmte Krankheitsbilder hindeuten, wie beispielsweise das Philadelphia-Chromosom, das die Chronisch Myeloische Leukämie entlarvt, oder das amphorische Atemgeräusch, das auf die Kaverne hinweist. Formulierungen wie "immer" oder "nie" weisen meist auf Falschaussagen hin, während man bei Wörtern wie "häufig" oder "selten" davon ausgehen kann, dass der Sachverhalt richtig ist. "Alte Fragensammlungen komplett zu kreuzen ist aber nicht sinnvoll", so Dr. Müller. "Man sollte sich nur auf die praxisbezogenen Fragen konzentrieren."

 

So früh wie möglich anfangen

35 Fächer werden laut neuer AO im Hammerexamen geprüft. Will man diese Stofffülle beherrschen, muss man rechtzeitig mit dem Lernen beginnen.
"Zwischen dem Praktischen Jahr und dem Staatsexamen liegen maximal drei Freimonate", erklärt Dr. Müller. "Diese Zeit allein wird nicht ausreichen, um die Prüfung zu bestehen." Der Lernexperte rät daher, bereits während des Studiums mit dem Kreuzen von Altfragen zu beginnen, zum Beispiel begleitend zu den Semesterprüfungen.

Dabei empfiehlt der Mediziner die "Scanner-Methode": Richtige Aussagen werden hierbei mit einem Textmarker farblich hervorgehoben oder in kurzen Stichpunkten auf Karteikarten zusammengefasst. Auf diese Weise lassen sich Prüfungsschwerpunkte ermitteln, und es ist später leichter, das Gelernte zu wiederholen. Die Informationen vom Kreuzen kann man außerdem nutzen, um den Lernplan für das PJ anzufertigen. Dieser sollte den Zeitrahmen für die einzelnen Stoffgebiete grob abstecken.
Zusätzlich kann man wichtige Krankheitsbilder in einer Liste zusammenstellen und diese im PJ systematisch und - wenn möglich - am Patienten "abarbeiten". Dabei sollte man auch auf die möglichen Differenzialdiagnosen Wert legen, denn diese werden im Hammerexamen eine große Rolle spielen. "Während der Zeit auf Station sollte man so oft wie möglich Patientenvorstellungen üben", empfiehlt Leonie Habel. "Dadurch lernt man, welche Fakten in der Krankengeschichte wichtig sind und welche nicht und trainiert damit gleichzeitig für den schriftlichen und den mündlich-praktischen Teil des Examens." Auch Fallbücher eignen sich gut zur Prüfungsvorbereitung.

Will man alles Wichtige zu einer Patientengeschichte ordnen, bieten sich so genannte "Mindmaps" an. Bei diesen Gedankenlandkarten steht ein zentraler Begriff, beispielsweise "Angina pectoris", in der Mitte des Blattes. Alle wichtigen Punkte wie Diagnostik oder Therapie werden nicht listenartig darunter geschrieben, sondern durch Linien an den zentralen Begriff angegliedert. So entsteht ein übersichtliches Netzwerk, das das Problem als Ganzes abbildet.

 

Interpretation gefragt

"Im Pretest musste man zahlreiche Röntgenthoraxaufnahmen befunden", berichtet Cordula Dahlmann. "Auf den Aufnahmen waren beispielsweise eine Raumforderung, ein Zwerchfelltiefstand, eine Mediastinalverbreiterung und Unterlappenatelektasen zu erkennen." Fundierte radiologische Kenntnisse werden also unbedingt erforderlich sein, um das Examen zu bestehen.
Ebenso wichtig ist die Interpretation von EKG-Streifen. Die Probeprüfung zum Hammerexamen enthielt drei EKGs mit Rhythmusstörungen, die nach der Lown-Klassifikation eingeteilt werden sollten.
Auffallend häufig mussten die Prüflinge zudem Tumoren stagen.
Darüber hinaus wurde verlangt, dass Laborbefunde wie Blutfettwerte oder Gerinnungsparameter richtig gedeutet werden.

"Die Interpretation von Standard-Diagnoseverfahren wird im Hammerexamen eine große Rolle spielen", erklärt Dr. Müller. "Gerade diese Dinge kann und sollte man unbedingt im PJ üben."

 

Viele Fliegen mit einer Klappe

Die freie Zeit nach dem Praktischen Jahr sollte man nutzen, um "Problemfächer" und wichtige Krankheitsbilder zu wiederholen. "Für spezielle Literatur zum Hammerexamen, die teils erst noch herausgegeben wird, sollte man einige Wochen reservieren", empfiehlt Dr. Müller. Cordula Dahlmann hat einen weiteren Tipp: "Der Endspurt ist häufig durch Lernunlust geprägt. Wenn man befreundete Kommilitonen einlädt und gemeinsam den Stoff durchgeht, fällt es oft leichter, sich zu motivieren."

Mit dem Kleingruppenlernen schlägt man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Die Motivation steigt, Krankheitsbilder werden wiederholt, und es ist eine gute Vorbereitung auf die mündliche Prüfung. "Für den mündlichen Teil des Examens kann man auch während des PJs schon üben", erklärt Leonie Habel. "Stellt man während der Chefarztvisite einen Patienten vor, simuliert man damit eine Prüfungssituation und ist einem vergleichbaren Stress ausgesetzt." Je öfter man diese Patientenvorstellungen übt, desto routinierter und ruhiger wird man - im Umgang mit den Patienten, den Untersuchungstechniken und dem Chefarzt. Wichtig ist dabei, dass man sich ein festes Schema für die Erhebung der Anamnese und die Durchführung der Untersuchungstechniken zulegt. "An einem kleinen Haus weiß man meist schon während des PJs, von wem man geprüft wird", sagt Leonie Habel. "Indem man ihm Patienten vorstellt, lernt man den Prüfer und dessen Vorlieben kennen." Hilfreich sind auch die Prüfungsprotokolle, die man bei den Fachschaften findet. Sobald Fach und Prüfer feststehen, kann man darin nachlesen, was in den letzten Examina gefragt wurde, und sich entsprechend vorbereiten. "Die mündliche Prüfung im Hammerexamen wird sich höchstwahrscheinlich nur durch den Umfang vom alten Dritten Staatsexamen unterscheiden, denn die Prüfer bleiben dieselben", beruhigt Dr. Müller. "Wie früher wird es solche geben, die gut vorbereitet sind, während sich andere in ihren Inhalten von der vorangegangenen Operation inspirieren lassen."

"Ich habe eigentlich keine Angst vor dem neuen Examen", sagt Guido von Figura. Der 24-Jährige wird das Hammerexamen im Herbst 2007 schreiben. "Sicherlich sind wir gegenüber späteren Jahrgängen etwas benachteiligt, aber trotzdem denke ich, dass es zu schaffen ist." Problematisch findet der Student den Zeitpunkt des Examens. "Den schriftlichen Teil vor dem PJ anzusiedeln und den praktisch-mündlichen danach wäre besser. So aber werden viele nach dem PJ ein Lernsemester einlegen. Dabei sind die deutschen Studenten im internationalen Vergleich schon jetzt sehr alt."
Trotzdem: Keiner muss grauhaarig ins Berufsleben starten.
Wer schon im klinischen Abschnitt nebenbei auf das Abschlussexamen lernt, kann es in der Regelstudienzeit schaffen!


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