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  • Ugai Omar
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  • 14.04.2021

Famulatur beim Landarzt – Langweile auf dem Land?

Pleurapunktion und Hautkrebsdiagnose – die Patientenfälle beim Landarzt sind vielseitig wie in sonst keiner Fachrichtung. Warum es sich lohnt, eine Famulatur auf dem Land zu machen, erzählt Ugai.

 

Kaum in der Klinik angekommen, das erste klinische Online-Semester überlebt und schon ist es Zeit für die erste Famulatur. Nach einem Semester vor dem Bildschirm und dem Versuch, einer Schwimmnudel einen Zugang zu legen, fühlten sich viele in meinem Semester nicht wirklich bereit für eine Famulatur. Einige entschieden sich daher gegen eine Famulatur in den Semesterferien, andere wagten sogar gleich zwei und ich entschied mich für eine Hausarztfamulatur auf dem Land.

Dass ich mit der Hausarztfamulatur beginne, war für mich schon früh klar. Unwissend darüber, in welche der insgesamt 34 existenten Fachrichtungen der Medizin es für mich gehen soll, ist der Einstieg beim Hausarzt sicherlich keine schlechte Wahl, dachte ich mir. Und tatsächlich stellte sich die Famulatur bei dem sehr geduldigen und kompetenten Facharzt für Innere Medizin und Notfallmedizin als gute Wahl heraus.
Von einfachen Vorsorgeuntersuchungen, über Pleurapunktionen, Bedenken zur COVID Impfung, kleinen Hautoperationen und Hausbesuchen war alles mit dabei.
Viel gesehen, aber auch viel selbst machen durfte ich, wovon meine praktischen Fähigkeiten sehr profitiert haben. Meine Blutabnahme-Skills haben sich dadurch – nach einigen Fehlversuchen – um 200 % verbessert, ich kenne gefühlt 50 Medikamente mehr, habe oft körperliche Untersuchungen durchführen können, habe mir eine kranke Lunge mal live und nicht nur über YouTube angehört und auch COVID-Abstriche machen dürfen. Auch wenn mir in der Theorie vieles bekannt war, ist die Praxis oft Meilen davon entfernt.

 

Vorstellung


Über Landärzte hört man viel, aber eher über den Mangel deutschlandweit. Laut Prognose der KV Niedersachsen nimmt die Anzahl der Landärzte in Niedersachsen bis 2035 von 5044 auf 3750 ab, mit der Schwierigkeit Nachfolger zu finden.
Für viele Medizinstudierende scheint die Landarzttätigkeit wie eine Lebensaufgabe, 24/7 da zu sein, ein Wartezimmer mit eher mäßig spannenden Fällen und dazu noch die täglichen endlosen Hausbesuche. Ohne Vorurteile und glücklich zu Corona-Zeiten überhaupt einen Famulaturplatz gefunden zu haben, habe ich die Famulatur angetreten und war positiv überrascht.

 

Realität


Landarzt sein ist durchaus eine Lebensaufgabe, wie jede andere ärztliche Tätigkeit auch. In dem Fall hatte der Arzt von Montag bis Freitag einen Sicherstellungsauftrag, sodass er von 7-19 Uhr erreichbar sein sollte für seine Patienten. 24/7 sind die Landärzte aber nicht erreichbar. Mein Landarzt war zum Beispiel nebenbei als Notarzt und beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst tätig. Nichts für jedermann, aber nicht schlimmer als die Arbeitszeiten in der Klinik, meinte er.
Zu den Patientenfällen lässt sich sagen, dass sie natürlich weniger spannend sind als in der Klinik, aber durch die wenigen Fachärzten auf dem Land kommen viele besorgte Patienten zuerst zum Hausarzt. Das macht die Tätigkeit sehr abwechslungsreich und voller Überraschungen.

Ich erinnere mich an die erfolgreiche Pleurapunktion gleich am ersten Tag, an den kleinen Jungen mit hohen Entzündungswerten und einem vergrößerten Lymphknoten, der dann stationär aufgenommen wurde. An den Mann mit dem fast komplett nektrotischen Vorderfuß und seiner besorgten Ehefrau, an eine Hautoperation, bei der sich weißer Hautkrebs feststellte, an den dementen Patienten, der fast täglich im Minutentakt angerufen hat und an viele weitere Fälle.
Positiv aufgefallen ist mir das sehr persönliche Verhältnis zwischen dem Landarzt und seinen Patientinnen und Patienten, die oft lebenslang von dem Arzt behandelt und auf ihrem Weg begleitet werden. Dazu kommt noch, dass oft mehrere Generationen einer Familie betreut werden und man als Arzt die Angehörigen der Patientinnen und Patienten auch kennt.
 

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