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  • Annika Simon
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  • 15.02.2017

Der Patient aus der „silbernen Kugel“

Nicht nur bei „Emergency Room“ erlebt man in der Notaufnahme so einiges! Man trifft dort zum Beispiel auf Menschen, denen man im „richtigen“ Leben niemals begegnet wäre. Wie die folgende Fallgeschichte berichtet…

© shutterstock

Das ominöse Hotel

„Wir haben noch ein Konsil der Unfallchirurgen. Ein Gast aus dem Hotel zur Silbernen Kugel ist auf den Kopf gefallen. Wir sollen ihn neurologisch beurteilen.“, sagt die Assistenzärztin und geht mit mir in die Notaufnahme. Ich wollte heute mal einen Dienst mitmachen und heftete mich an ihre Fersen. Bislang war es eher ruhig bis auf ein paar übliche neurologische Notfälle: Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Verdacht auf Schlaganfall. Das sollte sich jetzt jedoch ändern, denn der nächste Patient war anscheinend ein VIP. Der Name des Hotels sagte mir nichts, aber wir sollten uns mit der Untersuchung beeilen, da der Patient in Begleitung sei und die Herren nicht unnötig warten sollten.

Untersuchung mit Hindernissen

In der Notaufnahme suchten wir erstmal vergeblich nach dem Hotelgast. Glücklicherweise gab uns die Aufnahmeschwester einen heißen Tipp: „Euer Patient ist im Hinterzimmer. Diese Richtung, dann einmal rechts abbiegen, Tür ist geschlossen.“ Wir befolgten die Wegbeschreibung und landeten in einem sehr kleinen und einige Meter von der eigentlichen Notaufnahme entfernten Untersuchungszimmer. Der Patient war riesig, überall tätowiert und an Beinen und Armen mit Handschellen gefesselt.
Um Ihn herum standen zwei bewaffnete Polizisten mit ernsten Mienen. 

Da fiel auch bei mir der Groschen: ein Häftling! Meine Assistenzärztin schien wenig überrascht und startete mit der Anamnese. Der Patient war eigentlich ganz nett und beantwortete mit ruhiger Stimme alle Fragen zum Konsultationsanlass. Er sei in der Küche auf den Hinterkopf gestürzt, habe jetzt aber keine weiteren Beschwerden. Die Untersuchung gestaltete sich schon etwas schwieriger. Die Polizisten mussten phasenweise die Handschellen lösen, damit wir den Patienten neurologisch untersuchen konnten. Das war dann schon ein bisschen gruselig. Aber der Patient machte geduldig alle Tests mit und zeigte dabei auch keine neurologischen Auffälligkeiten.

Zufallsbefund und Schädelprellung

Auch wenn der Patient den Sturz ohne Folgen überstanden zu haben schien, machten wir zur Sicherheit noch ein CT vom Kopf. Dort zeigte sich als Nebenbefund im Hinterhauptsbereich eine große Arachnoidalzyste. Wir waren überrascht und kontaktierten den Oberarzt im Hintergrunddienst. Der klärte uns über die Harmlosigkeit auf und wir konnten den Patienten mit seinen Begleitern und ein paar Schmerztabletten wieder in die Haft entlassen. Später löste sich dann auch das Rätsel mit dem Hotelnamen: Vor der JVA in Hannover stand mal ein Denkmal mit einer silbernen Kugel.

Weiterführende Links

Thieme Buchtipp Gefängnismedizin
Artikel auf Spiegel-Online über den Alltag in einem deutschen Gefängnis
Doku des BR auf YouTube über den Alltag in deutschen Gefängnissen
Homepage der JVA Hannover

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