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  • Annika Simon
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  • 26.10.2016

Der ausgetrocknete Mann, der zitterte

Die klassische Symptom-Trias des Morbus Parkinson hat jeder Student schon einmal gelesen: Rigor, Tremor und Akinese. Doch wie entsteht die Krankheit und kann die Medizin helfen?

 

Ausgetrocknet in der Notaufnahme

Mia wartet jetzt schon über eine Stunde auf den diensthabenden Neurologen. Es war draußen mit knapp 30°C sehr heiß und Opa Henri geht es immer schlechter. „Wann kommt denn endlich mal jemand? Mein Opa braucht dringend einen Arzt, er redet nur noch wirres Zeug!“, fragt Mia eine vom Andrang der vielen Patienten spürbar überforderte Pflegeschülerin. „Der kommt sicher gleich, wir haben ihn nach ihrer Ankunft angerufen", entgegnet die Schülerin und ist auch schon im Schockraum verschwunden. So hat sich Mia ihr Wochenende eigentlich nicht vorgestellt. Sie wollte nur kurz ihren Opa im Pflegeheim besuchen und dann mit ihren Freundinnen zu einer Geburtstagsparty. Leider ging es ihrem 80-jährigen Opa Henri, der schon lange mit Morbus Parkinson lebt, so schlecht, dass sie sich kurzerhand entschied, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Es war bestimmt die starke Hitze der letzten Tage, die ihm zu schaffen machte.

 

Sauklaue und kleinschrittiger Gang

Kaum zu glauben, dass Mia und ihr geliebter Opa noch vor wenigen Jahren so vieles gemeinsam unternommen haben. So machten sie nach Mias Abitur eine tolle Städtereise durch Europa und beim Pauken für ihr Biologiestudium war ihr gebildeter Lieblings-Opa stets eine große Hilfe gewesen. Die Krankheit Parkinson kam erst schleichend und wurde nach gestellter Diagnose immer schlimmer. Schon in Barcelona fiel Mia auf, dass die Schritte und die Mitschwing-Bewegungen der Arme beim Gehen im Vergleich zu früher immer kleiner wurden. Auf Postkarten konnte man Henris Schrift, die immer kleiner wurde, kaum noch entziffern und auch seine Mimik wurde immer reduzierter. Nach einem kleinen Sturz bei der Gartenarbeit, bei dem Henri nach eigenen Angaben wohl einfach das Gleichgewicht verlor, diagnostizierten die Neurologen im Krankenhaus die besagte fortschreitende neurologische Erkrankung, die sich vor allem durch die Symptomtrias aus Rigor, Tremor und Akinesie auszeichnet. Betroffene leiden dann unter steifen Gliedern, zittern an den Armen und können sich zeitweise kaum noch bewegen. Frühsymptome sind ein kleinschrittiger Gang, Geruchsstörungen, Veränderungen des Schriftbildes und Gleichgewichtsprobleme – die sogenannte posturale Instabilität – die zu Stürzen führen können. Das wohl bekannteste Beispiel für Parkinson ist der Boxer Mohammad Ali. Auch Opa Henri litt an einem heftigen Tremor, der sich mit den gängigen Medikamenten kaum noch im Zaum hielten lies. Mia blickt noch mal auf ihren Opa und machte sich große Sorgen. Wann kommt endlich ein Arzt zu ihnen?

 

Das große Neuronensterben

Zwei weitere lange Stunden später dann endlich die Erlösung: Ein junger Assistenzarzt – wohl der Neurologe – sprintet dynamisch ins Patientenzimmer: „Guten Tag! Mein Name ist Schneider, ich bin der diensthabende Neurologe. Wie kann ich ihnen helfen?“ Mia erklärt kurz die aktuelle Situation, erwähnt die lange Liste aus Vorerkrankungen und Stürzen und äußert ihre Vermutung mit der starken Hitze als Ursache für Henris Zustandsverschlechterung. Der Arzt erhebt einen neurologischen Status, nimmt etwas Blut fürs Labor ab und hängt Henri nach Anlage eines intravenösen Zugangs eine Infusion mit Ringer-Lösung an. Zudem bekommt Henri seine üblichen Parkinson- und Herztabletten, die Mia in der Eile im Heim vergessen hatte.

Da der Arzt auf die junge Frau einen sympathischen Eindruck macht, nutzt sie spontan die Gelegenheit für eine Frage, die ihr schon lange unter den Nägeln brennt: „Herr Schneider, was passiert eigentlich beim Morbus Parkinson?“ Der Assistenzarzt schnappt sich einen Stuhl, setzt sich zu Mia und Henri ans Bett und beginnt zu erklären: „Bei der Parkinson-Krankheit sterben Nervenzellen – auch als Neuronen bezeichnet – in der schwarzen Substanz in den Basalganglien des Gehirns. Es entsteht ein relativer Mangel des Botenstoffs Dopamin, der die Bewegungssteuerung beeinflusst und somit die bekannten motorischen Defizite verursacht. Je mehr Neuronen sterben, desto schlimmer werden die Krankheitszeichen. Da Ihr Opa schon länger an Parkinson leidet, sind schon viele Nervenzellen untergegangen und mit den üblichen Medikamenten kann man den Dopamin-Mangel kaum noch ausgleichen.“ Mia hängt gebannt an den Lippen des jungen Arztes. Endlich kann sie nachvollziehen, warum Henri so krank geworden ist.

 

L-Dopa gegen das Schütteln

Zu den wichtigsten Medikament bei der Therapie eines Morbus Parkinson zählt L-Dopa. Dies ist eine Vorstufe des Botenstoffes, der durch das Neuronensterben fehlt und durch die Tabletten dann eine Weile ersetzt werden kann. L-Dopa wirkt besonders gut gegen produktive Symptome wie das Schütteln und hatte auch bei Opa Henri den Krankheitsfortschritt in den ersten Jahren deutlich verlangsamt.

Inzwischen scheinen die Medikamente und die Infusion Wirkung zu zeigen, Henri geht es deutlich besser. „Ihr Opa war einfach nur ausgetrocknet, das haben wir in diesen heißen Spätsommertagen öfter mal. Wir behalten ihn noch über Nacht hier und geben im weiter seine Hausmedikation und viel Flüssigkeit. Dann sollte es ihm in ein paar Tagen wieder deutlich besser gehen“, sagt Dr. Schneider. Mia ist erleichtert. Sie wartet noch bis ihr Opa eingeschlafen ist und schaffte es dann doch noch auf die Geburtstagsparty.

 

Weiterführende Links

- Homepage des Informationsportals „Parkinson aktuell“

- NDR-Artikel und Kurzfilm „Parkinson erkennen und behandeln“

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