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- 11.04.2005
Tollwut durch Organspende
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) meldete vor einigen Jahren den Verdacht, dass an deutschen Transplantationszentren Organe einer mit Tollwut infizierten Spenderin transplantiert worden seien. Solche Fälle sind extrem selten - doch sie kommen vor.
Vorgeschichte
Die DSO, die bundesweit die Organspenden koordiniert, wies vor einigen Jahren darauf hin, dass es zum erstenmal bei einer Organtransplantation in Deutschland zur Übertragung von Tollwut gekommen sei. Die Spenderin habe kurz vor der Entnahme keine Symptome von Tollwut gezeigt.
Die Patientin sei im Oktober 2004 von einer Indien-Reise zurückgekehrt und im Dezember 2004 in einem Krankenhaus an einem Herzstillstand gestorben.
Nach einer Meldung der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" seien der Spenderin Lunge, Niere, Bauchspeicheldrüse, Leber und Cornea entnommen und insgesamt sechs Patienten transplantiert worden.
Günter Kirste, Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, wies auf einen vergleichbaren Fall aus den USA hin. Er betonte jedoch, dass es medizinisch nicht möglich sei, "solche seltenen Infektionen im Voraus - trotz umfassender Untersuchungen des Organspenders – auszuschließen". Die Deutsche Stiftung Organtransplantation bedaure dies sehr, zumal alle medizinisch möglichen Voruntersuchungen bei der Organspenderin vorgenommen worden seien.
Situation der Organempfänger
Eine junge Empfängerin, die die Lunge der jungen Frau erhalten hatte, war an Herzversagen gestorben.
Ein 70-jähriger Patient, der eine Niere erhalten hatte, verstarb am 21. Februar. Der Mann sei zwar noch nach einer neuartigen Methode aus den USA behandelt worden, teilte die Klinik mit. Alle Anstrengungen seien jedoch vergeblich gewesen.
Der 45 Jahre alte Marburger Patient, der eine Niere und Bauchspeicheldrüse erhalten hatte, lag lange Zeit in einem künstlichen Koma und wurde mit einer neuartigen Therapie behandelt. Mit der Kombination aus antiviralen Medikamenten und einem künstlich hervorgerufenen Koma hatten Ärzte in den USA im Jahr 2003 eine 15-jährige Patientin gerettet. Er starb in der Nacht zum 7. April 2005.
Die Corneae seien zwei Patienten in Mainz transplantiert worden, diesen Patienten gehe es gesundheitlich jedoch gut. Wie eine Kliniksprecherin mitteilte, sind die inzwischen wieder ausgetauschten Hornhäute untersucht worden und ohne Tollwutbefund.
Ebenso zeige der Patient in Heidelberg, der die Leber erhalten hatte, keine Anzeichen für den Ausbruch einer Infektion, teilte der Leiter der Transplantationseinheit an der Uniklinik Heidelberg, Peter Sauer nach Angaben der Stuttgarter Zeitung mit.
Mittlerweile ist bei diesem Patienten nachgewiesen worden, dass er früher eine Impfung gegen Tollwut erhalten hat und sich aus diesem Umstand seine gute Verfassung erklärt. Um festzustellen, ob eine solche Impfung in der Kindheit oder Jugend stattgefunden hatte, wurde am Referenzlabor für Tollwut-Infektionen am Universitätsklinikum Essen das Blutserum, das dem Heidelberger Patienten vor der Transplantation entnommen worden war, auf Antikörper gegen das Tollwut-Virus untersucht, teilte die Uniklinik Heidelberg mit. "Der hohe Gehalt an spezifischen Antikörpern in diesem Serum ist ein Beleg dafür, dass der Patient bereits vor der Transplantation einen Impfschutz hatte!", erklärt der behandelnde Arzt, Privatdozent Dr. Peter Sauer. Bislang sei zudem das Tollwut-Virus weder im Speichel noch im Blut des Patienten nachgewiesen worden.
Zeigte die Spenderin Anzeichen einer Infektion?
Dass die Organspenderin tatsächlich mit Tollwut infiziert gewesen ist, ist im Konsiliarlabor für Tollwut am Institut für Virologie der Universitätsklinik Essen und am Bernhard-Nocht-Institut, Institut für Tropenmedizin, Hamburg bereits nachgewiesen worden.Nach Angaben der Stuttgarter Zeitung vom 21. Februar 2005 berichtete der behandelnde Arzt der Uniklinik Mainz, dass die 26-jährige Organspenderin vor ihrem Tod Anzeichen einer schweren Infektion gezeigt habe. Aus anderen Quellen hieß es bisher, die Frau habe keine typischen Zeichen einer Tollwut-Infektion gehabt. Nun prüfe die Mainzer Staatsanwaltschaft, ob sie Ermittlungen aufnehme, berichtet die Tageszeitung.
Eine Infektion mit Tollwut, sei in Deutschland äußerst unwahrscheinlich, sagte Dr. Andrea Ammon, Leiterin der Abteilung für Infektionsepidemiologie am Robert-Koch-Institut in Berlin. Die letzten Todesfälle seien in Deutschland in den Jahren 1996 und 2004 aufgetreten. Die Erkrankung der Betroffenen sei bei Auslandsaufenthalten zustande gekommen, so Dr. Ammon.
Kaum Therapiemöglichkeiten
Die Symptome der Tollwut wurden schon im Jahre 2300 v. Chr. beschrieben. Die Krankheit wird durch den Rabiesvirus ausgelöst, der sich zunächst an der Infektionsstelle vermehrt und dann entlang der Nerven ins Gehirn wandert. Nach einer weiteren Vermehrungsphase gelangt er von dort aus, wiederum über die Nervenbahnen, in die inneren Organe.
Die Erkrankung kann bisher nicht aufgehalten werden und verläuft in allen Fällen tödlich. Nur eine prophylaktische Impfung oder die rechtzeitige Gabe eines Hyperimmunglobulins bei Infektionsverdacht kann eine Rettung bringen.
In Amerika sei im vergangenen Herbst eine 15-jährige Patientin nach dem Biss einer tollwütigen Fledermaus mit Virostatika behandelt und so gerettet worden, zitiert die Stuttgarter Zeitung den Chefarzt der Intensivstation der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), wo die jetzt verstorbene Patientin behandelt worden war. Sie und die beiden anderen Patienten seien nach Rücksprachen mit der amerikanischen Behörde für Gesundheitskontrolle mit demselben Therapieschema behandelt worden wie die amerikanische Patientin. Allerdings erhielten diese Patienten zusätzlich die immunsupprimierenden Medikamente aufgrund der Organverpflanzungen. Dies sei ein Problem, welches die amerikanische Patientin nicht gehabt habe, wird der Chefarzt von der Tageszeitung weiter zitiert.
Die Tollwut wird in der Regel durch den Biss eines infizierten Tieres übertragen. Der Virus kann jedoch auch über Hautverletzungen oder direkten Kontakt des infektiösen Materials (z. B. Speichel) mit Schleimhaut übertragen werden.
Weitere Informationen
Ätiologie, Symptome und Therapieversuche bei Tollwut
Weitere Informationen zur Tollwut auch beim Robert Koch Institut
Im Herbst 2004 hat in Wisconsin ein 15-jähriges Mädchen die Tollwutinfektion ohne nachträgliche Impfung überlebt. Für eine Impfung mit Immunglobulinen war es zu spät gewesen und die Ärzte hatten aus diesem Grund einen neuen therapeutischen Weg beschritten:
BBC-News vom 25. September 2004