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  • Torben Brückner
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  • 28.06.2018

Sepsis: Wie erkennen, wie behandeln?

Sepsis oder auch dramatisch Blutvergiftung genannt: Was ist das eigentlich? Wie entsteht sie? Und wie wird ein von Sepsis befallener Patient rechtzeitig erkannt und behandelt? Wichtige Fragen, schließlich erkranken allein in Deutschland über 150.000 Menschen jedes Jahr an Sepsis – fast jeder Zweite überlebt es nicht.


Was ist eine Sepsis?

Bei einer Sepsis gelangen Krankheitserreger oder deren Giftstoffe in den Blutkreislauf und können Organe des Körpers befallen – der Körper reagiert darauf systemisch mit einer Immunantwort. Er versucht also die Erreger zu bekämpfen. Fieber, weiße Blutkörperchen, vermehrte Atmung (Tachypnoe), Blässe, gesteigerte Herzfrequenz sind Zeichen dafür, dass eine dramatische Auseinandersetzung stattfindet.

 

Böse Bakterien?

Allerdings ist das Vorhandensein von Krankheitserregern wie Bakterien, Viren oder Pilze nicht sogleich eine Gefahr für den Menschen. Schließlich haben wir zahlreiche schützende Bakterien auf der Haut oder im Darm. Gefährlich wird es, wenn die Erreger oder deren Gifte den Körper angreifen und versuchen ins Blutsystem überzugehen. Das Immunsystem des Körpers dagegen versucht, die Erreger an Ort und Stelle zu bekämpfen und das Geschehen lokal zu halten – SIRS (systemic inflammatory response syndrome). Die oben erwähnten Symptome des menschlichen Organismus' zeigen sich.
Wenn das Immunsystem dagegen nicht ankommt oder geschwächt ist, können die Erreger ungehindert lebenswichtige Organe befallen - und das nicht nur am Infektionsherd! Ferner können sie die Funktion der Organe stören bzw. zerstören und sogar ins Blut übergehen, um den gesamten Körper zu erreichen.

 

Was passiert bei der Sepsis?

Bei Erregerbefall antwortet das Immunsystem. Es entsteht eine so genannte Entzündungsreaktion, dabei begeben sich weiße Blutkörperchen zum Ort des Geschehens und es werden Botenstoffe – Zytokine – freigesetzt, um den gesamten Prozess zu steuern und weitere Abwehrzellen zu aktivieren. Allerdings können all diese Abwehrmaßnahmen nicht nur den Erreger schädigen sondern auch das umliegende Gewebe (man denke nur an die matschigen Schlachtfelder in Kinofilmen). Zellen werden direkt geschädigt, oder die Blutzirkulation im Gewebe wird gestört, sodass Flüssigkeit austritt oder der Sauerstoffbedarf nicht mehr ausreichend gedeckt ist. Zudem kann der Blutdruck fallen, das Herz versucht mehr Blut pro Zeit durch den Körper zu pumpen, die Durchblutung der anderen Organe wird vermindert und eine ausreichende Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen bricht zusammen.
Das ganze ist ein Kampf gegen den Krankheitserreger und zugleich gegen die Zeit.

 

Zeichen einer Sepsis

Wie erkenne ich einen an Sepsis erkrankten Patienten?
Blutkulturen zum Erregernachweis führen leider nicht immer zum Erfolg.
Grundidee ist der Sepsisherd – irgendwo müssen die Erreger einen Eingang in den Körper gefunden, bzw. angefangen haben sich auszubreiten. Beispielsweise offene Wunden durch Unfall – ein Schnitt in die Haut, Verbrennung – eine Operation im Bauch, natürlich über normale Körperöffnungen beispielsweise über den Mund in die Lungen oder durch Fremdkörper wie beispielsweise Blasenkatheter oder Braunülen.
Und auf der anderen Seite zeigt der Körper Reaktionen auf den Krankheitserreger, die man klinisch oder diagnostisch nachweisen kann.

Daher können folgende Kriterien auf eine Sepsis hinweisen:

Letzten Endes kommt es auf die Beobachtungsgabe der Ärzte und des Pflegepersonals an und nicht auf Maschinen- und Laborwerte. Besonders sind dem Sepsisrisiko ausgesetzt: immobile Patienten, Intensivpatienten, offene Wunden/Unfallpatienten, Operierte, Immungeschwächte Patienten beispielsweise mit Erkrankungen von Leber oder Nieren, Tumorerkrankte, Organtransplantierte, Diabetiker.

 

Extra: Sepsis bei Verbrennung

Verbrennungsopfer sind besonders sepsisgefährdet. Wobei das Risiko durch den Bau spezieller Zentren und den Einsatz von Hautersatz deutlich gesenkt wurde. Brandwunden sind ideale Eintrittsorte für Krankheitserreger. Schließlich dient die Haut als Schutzmantel, bei Verbrennung können nun Erreger in tiefere Gewebssichten eindringen, gar in Gefäßwände einwandern und so in den Systemkreislauf gelangen. Zudem ist bei Verbrennungsopfern das Immunsystem stark unterdrückt (immunsuprimiert). Wichtig sind daher die Versorgung der Patienten in keimfreien Räumen, ausreichende Schmerztherapie und Volumengabe, eine frühzeitige Entfernung (Frühexzision) der verbrannten Haut und Haut-Ersatz.

 

Erregerspektrum

Waren in den 70er und 80er Jahren noch gram-negative Erreger (deren Zellwand hat eine nur dünne Mureinschicht) - beispielsweise Escherichia coli - hauptsächlich für Sepsis verantwortlich sind es in den 90ern eher gram-positive Erreger (dicke Mureinschicht) - beispielsweise Staphylokokken, Streptokokken.
Zudem wird die Sepsis durch Pilzinfektionen immer häufiger.
Bedeutsam ist dies, weil immer mehr Erregerstämme mit Resistenzen gegen Antibiotika entstehen.

 

Extra: Sepsis mit Pilzinfektion

Ungefähr 1/5 der Sepsisinfektionen gehen auf einen Pilzerreger zurück. Insbesondere Candida albicans (50-60%) und Candida glabrata (20%). Die klinischen Zeichen beim Patienten sind oft unspezifisch, zudem fallen die Untersuchungsmethoden häufig falsch negativ aus, z.B. weist die Blutserologie nur 25% nach. Optimal ist das Anlegen eines Kulturnährbodens, um den Erreger im Labor anzuzüchten, allerdings dauert dies zu lang für eine Therapie, die erfolgreicher ist, je eher sie angewandt wird. Ferner ist der mikroskopische Nachweis möglich, als besonderer klinischer Nachweis ist die Spiegelung des Augenhintergrunds sinnvoll: Endophthalmia mycotica – Entzündung des Augeninneren durch Pilzbefall.

Die Therapie mit Antimykotika sollte so rasch wie möglich erfolgen – nach der Tarragona-Strategie: „hit hard and fast“. Bei bekanntem Candidaerrerger wird der Einsatz von Fluconazol empfohlen, bei unbekanntem hingegen Caspofungin.

 

Therapie der Sepsis/Vier Säulen-Therapie

Die Therapie der Sepsis richtet sich natürlich individuell nach dem Patienten und dessen Beschwerden. Allgemein gibt es aber vier Säulen der Therapie:

1. Sanierung des Infektionsherdes und Erregerelimination

Eine medikamentöse Therapie, z.B. Breitbandantibiotikum, sollte so rasch wie möglich erfolgen, selbst wenn der Erreger noch nicht nachgewiesen ist. Sobald der Erreger bekannt ist, kann dann ein spezifisches Antibiotikum eingesetzt werden. Wenn möglich sollte der Infektionsherd chirurgisch entfernt werden.

2. Intensivmedizinische Therapie

Um dem Patienten bei der Bekämpfung der Erreger zu unterstützen und stabil zu halten sind zahlreiche „unterstützende Therapien“ möglich: Volumengabe, Sauerstoffgabe, parenterale Ernährung, Ulkus- und Thrombosenprophylaxe, passende Lagerung des Körpers, keimfreier Raum, Kontrolle der Vitalparameter, Blutbild, Blutzucker! (falls nötig Insulintherapie), Nierenfunktion usw.
Erreicht werden sollen bei der Therapie folgende intensivmedizinische Parameter: Zentralvenendruck (ZVD) von 8-12 mmHg, arterieller Mitteldruck von 65-90 mmHg, Urinausscheidung mindestens 0,5 ml pro kg Körpergewicht in der Stunde und eine zentralvenöse Sauerstoffsättigung von mindestens 70%.

3. befallene Organe behandeln

Kritisch wird es für einen Patienten wenn ein oder mehrere Organe befallen sind und ein Ausfall droht. So dass z.B. künstlich Beatmung (Lunge) oder eine Blutdialyse (Niereninsuffizienz) erforderlich sein könnte.

4. Immuntherapie

Eine gezielte Therapie gegen Sepsis ist bisher noch nicht gefunden worden. Allerdings wird das Immunsystem als ein wichtiger Schalthebel angesehen und an einzelnen Mechanismen geforscht. Die Idee liegt darin, bestimmte Komponenten des Immunsystems zu stärken oder zu schwächen und so Einfluss auf den Sepsisverlauf zu nehmen. Leider zeigt sich in der Forschung immer wieder, dass nicht alles an einer Sache, sondern alles mit allem zusammenhängt. Dennoch kann versucht werden mit aktiviertem Protein C eine Besserung beim Patienten zu erreichen. Protein C ist natürlicher Bestandteil des Gerinnungssystems. Es hemmt eine bei Sepsis auftretende Mikrothrombosierung und fördert die Fibrinolyse.

Quellen

 

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