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- Annika Simon
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- 26.09.2016
Synkope: Ein Symptom, viele Ursachen
Wenn eine Freundin während dem Anatomiekurs plötzlich ohnmächtig zusammenbricht, ist das natürlich eine dramatische Szene. Glücklicherweise sind sogenannte Synkopen meistens harmlos - aber nicht immer!
Langer Tag und große Hitze
Es ist ein langer Unitag und das Thermometer zeigt seit Tagen über 30°C. Gab es vor ein paar Jahren im Hochsommer noch hitzefrei, müssen Sabrina und Mareike heute ganz normal nach Stundenplan ihren Anatomiekurs besuchen und ein Testat bestehen. Mittlerweile ist es schon 17 Uhr und ihre Gruppe ist mit dem Präparieren der Koronararterien am Herzen immer noch nicht fertig.
„Irgendwie habe ich Kopfschmerzen. Habe heute sicher zu wenig getrunken!“, sagt Sabrina und setzt sich erschöpft auf einen kleinen Tritt neben dem Eingang zum Präpariersaal. Sie lehnt ihren Kopf gegen die kalten Fliesen, schließt die Augen und versucht, sich etwas zu entspannen. Leider ist dieser ruhige Moment nur von kurzer Dauer, denn plötzlich ruft Mareike: „Sabrina! Schnell, das Testat hat eben angefangen!“.
Zu schnell auf, ganz schnell ab
Sabrina zuckt zusammen und springt von ihrem niedrigen Hocker auf. Und plötzlich hat sie eine große schwarze Wand vor Augen. Sie muss wohl ohnmächtig geworden sein, denn als sie wieder aufwacht, liegt sie am Boden und schaut in die besorgten Gesichter ihre Kommilitonen, die sich in einem Kreis über sie beugen. „Sabrina“, hört sie die Stimme ihrer Professorin sagen, „Du hast uns aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt! Am besten, Mareike bringt dich erstmal in unsere Notaufnahme. Du brauchst bei der Hitze eine Infusion und ein EKG kann auch nicht schaden“.
Gesagt, getan! Schon eine Stunde später geht es Sabrina wieder richtig gut. Der zweite Liter einer Ringer-Infusion tropft in ihre Venen und das 12-Kanal-EKG weist glücklicherweise keinen pathologischen Befund auf.
Vaskulär bedingte Synkopen
Auch wenn jetzt alles wieder in Ordnung ist, macht sich die Gruppe um Sabrina Gedanken: Warum ist sie denn jetzt eigentlich zusammen gebrochen? Und was genau ist eine orthostatische Synkope, von der die Assistenzärztin in der Notaufnahme gesprochen hat? Der aktuelle Herold definiert eine Synkope als einen plötzlich einsetzenden Bewusstseinsverlust infolge einer Mangeldurchblutung des Gehirns. Manchmal fällt der Betroffene durch den begleitenden Tonusverlust der Muskulatur dann hin, etwa 20% verletzen sich beim Sturz.
Die Ursachen einer Synkope sind vielfältig. Im Fall von Sabrina wird es sich am ehesten um eine – eher harmlose – orthostatische Synkope gehandelt haben. Durch die große Hitze, eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme und das Sitzen waren die vasokonstriktorischen Reflexe der großen Venen außer Kraft gesetzt und beim abrupten Aufstehen versackte das Blut in Sabrinas Beinen. Ihr Gehirn wurde kurzzeitig nicht ausreichend durchblutet und sie verlor das Bewusstsein. Orthostatische Synkopen kommen gerade bei jungen Frauen nicht selten vor. Gute Tipps gegen die plötzliche Ohnmacht sind eine ausreichende Trinkmenge und Sport im Sinne eines Herz-Kreislauf-Trainings wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren.
Andere Ursachen einer Synkope
Neben dieser orthostatischen Synkope unterscheidet man – je nach Ursache – reflexvermittelte Synkopen und kardiovaskuläre Synkopen. Bei ersteren lösen Stress, Angst oder Schmerzen eine Reflexkaskade aus, bei der die Aktivität des Sympathikus ab- und die des Parasympathikus zunimmt. Der Blutdruck fällt, das Gehirn wird nicht ausreichend durchblutet und der Betroffene sackt zusammen. Auch hier helfen eine ausreichende Trinkmenge, das Tragen von Kompressionsstrümpfen und die Vermeidung von Stresssituationen.
Nicht ganz so harmlos sind dagegen die kardiovaskulären Synkopen, die eher bei älteren Menschen vorkommen. Ursachen sind schwere Erkrankungen wie Vorhofflimmern, eine Lungenembolie, eine andere Herzrhythmusstörung, eine Kardiomyopathie oder auch eine Klappenerkrankung wie zum Beispiel eine Aortenstenose. Auch hier wird das Gehirn nicht ausreichend mit Blut und somit mit Sauerstoff versorgt und der Patient verliert das Bewusstsein.
Diagnostikum der Wahl sind ein 12-Kanal-EKG und ein Herzecho, als Therapie steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund. Natürlich gibt es auch sehr seltene und eher exotische Ursachen eines plötzlichen Bewusstseinsverlustes. So kann auch eine neurologische Erkrankung namens Narkolepsie dazu führen, dass ein eben noch hellwache junge Frau plötzlich in die Knie geht. Die Narkolepsie zeichnet sich durch plötzliche Schlafattacken aus, geht mit Tonusverlust und Stürzen einher und wird bisweilen mit antiepileptischen und aufputschenden Medikamenten behandelt. Wie immer in der Medizin gilt aber: Das Häufige ist häufig, das seltene ist selten!