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  • 26.10.2015

PJ- Geschichten: Zwillingsschwangerschaft mit drohender Frühgeburtlichkeit

PJler Mike darf den Fall einer Patientin mit Zwillingsschwangerschaft notfallmäßig begleiten. Dabei fühlt ihm seine Oberärztin ganz schön auf den Zahn.

 

Baby - Foto: Marie-Luise Kürschner

Foto: Thieme Verlagsgruppe

 

 

Mir war schon ziemlich früh klar, dass ich im PJ Gynäkologie und Geburtshilfe als Wahlfach machen wollte, und es hat auch gleich bei meinem Wunschkrankenhaus geklappt. Jetzt ist schon die Hälfte meines Tertials vorbei und seit einer Woche bin ich nun in der Geburtshilfe eingeteilt, wo ich mich als Mann zu Anfang nicht immer ganz wohl gefühlt habe.

Aber die Woche ist wie im Flug vergangen und nun kennen mich die meisten. Freitag kurz vor 16 Uhr meldet die Ambulanz einen Notfall: „Zwillingsschwangerschaft mit drohender Frühgeburtlichkeit“. Meine Oberärztin fragt mich lächelnd, ob ich denn aus Interesse die eine oder andere „Überstunde“ machen würde, und ich willige in Erwartung eines spannenden Falles ein.


„Was wissen Sie über Zwillingsschwangerschaften?“, fragt die Oberärztin auf dem Weg zur Ambulanz. „Nun … es gibt eineiige und zweieiige …“ – „Geht’s auch etwas präziser oder gar medizinischer?“, unterbricht sie mich, nun doch etwas ungehalten. Nach kurzem Nachdenken unter Hochdruck murmele ich: „Äh … monozygote und dizygote?“ Sie nickt versöhnlich und hält mir die Tür zur Ambulanz auf.


Die Schwangere liegt mit entblößtem Bauch und ängstlichem Blick auf der Untersuchungsliege, und der Bauch erscheint mir tatsächlich noch größer als bei einer Einlingsschwangeren. Neben ihr sitzt der Kindsvater und hält ihre Hand – mehr kann er als Mann ja auch kaum tun. Die Oberärztin führt routiniert die Ultraschalluntersuchung durch und blickt am Ende ein wenig sorgenvoll drein: „Da werden wir wohl was machen müssen.“ Sie erklärt dem Paar, dass es sich um ein fetofetales Transfusionssyndrom handelt.
Dabei „transfundiert“ ein Zwilling durch eine atypische Blutgefäßverbindung in der gemeinsamen Plazenta Blut auf den anderen Zwilling, was beiden auf Dauer nicht gut tut. Abhilfe schafft die Verödung dieser Verbindung mittels Laser.

Nach kurzem Überlegen erklären sich die Schwangere und ihr Partner einverstanden, und die Assistenzärztin klärt über die Risiken des Eingriffs auf. Derweil nimmt mich die Oberärztin wieder mit vor die Tür und fragt mich aus: „Haben Sie auf dem Ultraschall was gesehen?“ – „Ja!“ antworte ich stolz: „Der eine Zwilling ist etwas größer, wie Sie durch Vermessung der Wirbelsäulen festgestellt haben, und im Doppler hab ich die Blutgefäßverbindung in der Plazenta gesehen.“ – „Gut, und wenn Sie mir jetzt noch was zur ,Eiigkeit‘ der Zwillinge sagen können, dann können Sie beim Eingriff assistieren!“ Ich muss kurz überlegen und dann fällt mir ein, worauf sie hinaus will: „Die Zwillinge teilen sich eine Plazenta. Es muss sich also um monozygote Zwillinge handeln. Es haben sich zwei Zellmassen in der Zygote gebildet.“ – „Sehr gut … Und was ist die häufigste Komplikation?“ Das hab ich in Embryologie
nicht mehr gelernt, aber da hilft mir der gesunde Menschenverstand weiter: „Die Auslösung einer Frühgeburt?“ Jetzt lächelt die Oberärztin zufrieden: „Na gut. Dann gehen Sie sich schon mal waschen. Und vorher austreten nicht vergessen! Lass uns zusammen dafür sorgen, dass es dazu nicht
kommt.“

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