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  • Dr. med. Claudia Pedain, Dr. med. Julio Herrero Garcia
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  • 22.09.2005

Kasuistik Endometriose

Einmal im Monat sind viele Frauen im reproduktionsfähigen Alter "unpässlich". Die meisten kennen Menstruationsbeschwerden in mehr oder weniger starkem Ausmaß. Doch manche Frauen leiden besonders: Sie haben so starke Schmerzen, dass sie dem Alltag kaum nachgehen können. Schuld daran ist die Endometriose, bei der sich Gebärmutterschleimhaut an Stellen befindet, wo sie nicht hingehört.

"Mist!" dachte Sabine, als sie aufwachte. "Jeden Monat das Gleiche!" Da waren sie wieder, diese wahnsinnigen Schmerzen im Unterbauch, die bis ins Kreuz ausstrahlten. Sabine schielte auf den Wecker. Klaus, der neben ihr friedlich schnarchte, hatte für ihren "Weiberkram" kein Verständnis mehr. Früher hatte er ihr Wärmflaschen gebracht und Tee gemacht. Doch diese Zeiten waren vorbei. Jetzt schliefen sie sogar kaum noch miteinander, weil Sabine auch dabei Schmerzen hatte. Sie hatte den Eindruck, dass Klaus ihr nicht glaubte, wie weh es tat. "Eigentlich schlafe ich nur noch mit Klaus, weil ich so gerne ein Kind hätte", dachte Sabine. Aber sie wurde nicht schwanger.

An diesem Morgen war es besonders schlimm: Nicht nur, dass sich der ganze Bauch wund anfühlte – der stechende Schmerz im rechten Unterbauch war neu. Jeder Schritt und jede Bewegung taten weh. "Jetzt reicht es", dachte sie. "Ich muss zum Arzt."

 

Schmerzen vor Beginn der Blutung

Sabine fuhr zu ihrem Hausarzt. Er ließ ihr Blut abnehmen. Eine Entzündung lag nicht vor: Die Leukozytenzahl war normal, das CRP nur minimal erhöht. Bei der Untersuchung schrie Sabine fast auf vor Schmerzen, als der Arzt in den rechten Unterbauch drückte. Danach führte er eine Ultraschalluntersuchung durch, die eine Zyste im rechten Unterbauch zeigte. "Sie sollten gleich zur Frauenärztin gehen", riet der Arzt. "Sie haben wahrscheinlich eine Zyste am Eierstock."

Sabine hatte ein schlechtes Gewissen: Seit sie vor zwei Jahren die Pille abgesetzt hatte, war sie nicht mehr bei der Frauenärztin gewesen. Diese interessierte sich nun sehr für Sabines Beschwerden und stellte viele Fragen: Ob Sabine ihre Periodenschmerzen schon ein bis zwei Tage vor der Periodenblutung habe und sie mit ihrem Einsetzen nachließen? Ob die Schmerzen auch beim Geschlechtsverkehr und beim Stuhlgang vorhanden seien? Volltreffer! Sabines Beschwerden sprachen für eine Endometriose.

 

Häufiges Frauenleiden

So wie Sabine geht es einer von zehn Frauen: Sie haben übermäßige Menstruationsbeschwerden. Der Name der Krankheit Endometriose leitet sich vom Endometrium, der Gebärmutterschleimhaut, ab. Bei den betroffenen Frauen liegt die Gebärmutterschleimhaut bzw. endometriumähnliches Gewebe nicht nur im Inneren der Gebärmutter, sondern auch an Stellen, wo sie nicht hingehört. Je nach Lokalisation dieser ektopen Herde unterscheidet man zwischen der Endometriosis genitalis interna – also dem Vorkommen von endometrialen Drüsen im Myometrium (auch als Adenomyosis uteri bezeichnet) und in den Eileitern – und der Endometriosis genitalis externa in den Organen des kleinen Beckens. Diese Endometrioseherde finden sich am häufigsten an den Ovarien, am Peritoneum im Bereich des Douglas-Raums und der vesikouterinen Umschlagfalte sowie am Ligamentum latum; seltener im Bereich von Zervix, Vagina und Vulva. Weitere Lokalisationen können die Mukosa des Darms, das Blasenepithel oder Ureter, Bauchwand oder Nabel sein. Endometriale Schleimhaut kommt sehr selten auch in Lunge und anderen Organen vor (Endometriosis extragenitalis, etwa 5–10 % der Fälle). Zur Bewertung der Endometriose gibt es mehrere Klassifikationen, zum Beispiel die der WHO.

 

Unklare Ätiologie

Wie es zur "Versprengung" der Gebärmutterschleimhaut kommt, weiß man nicht genau. Wahrscheinlich gelangen die Zellen während der Regelblutung retrograd durch die Eileiter in den Bauchraum und werden durch eine "Störung" des Immunsystems nicht abgebaut, sondern in ihrer Proliferation unterstützt. Eine zweite – wissenschaftlich nicht so gut belegte –Theorie geht davon aus, dass das deplatzierte Endometrium aus zunächst undifferenzierten Gewebselementen quasi durch Metaplasie entsteht. Bei extragenitalen Herden scheint die hämatogene Zellverschleppung eine Rolle zu spielen.

 

Doppelt gestraft

Schmerzen bei der Menstruation (Dysmenorrhö) wie bei Sabine sind für die Erkrankung typisch und häufig so stark, dass die Frauen ihren Alltag kaum mehr bewältigen können. Einige fühlen sich schwerkrank und müssen das Bett hüten, wobei die Beschwerden meist nicht von der Zahl und Größe der Herde abhängen. In der Regel treten die Schmerzen schon vor der Periodenblutung auf und klingen mit Einsetzen der Blutung ab. Bei der Schmerzentstehung spielen Prostaglandine eine entscheidende Rolle. Die betroffenen Frauen klagen neben den Unterleibsschmerzen häufig über Schmerzen im Kreuz, im Beckenboden und im Bauch, über Darm- und Blasenkrämpfe, Schmerzen beim Wasserlassen und bei der Stuhlentleerung. Oft empfinden sie auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie), was zum Nachlassen des sexuellen Interesses, zu Frust und Partnerschaftsproblemen führen kann – wie bei Sabine und Klaus. Die seltenen extragenitalen Endometrioseherde können über zyklische, organspezifische Beschwerden wie rektale Blutungen oder eine Hämaturie auffallen. Häufig sind die Frauen doppelt gestraft: Sie haben nicht nur Schmerzen – auch der gewünschte Nachwuchs stellt sich nicht ein. Ursachen können der Verschluss der Eileiter durch Endometrioseherde (Salpingitis isthmica nodosa) oder eine verminderte Beweglichkeit der Eileiter durch Verwachsungen sein. Viele Betroffene scheuen sich, über ihre Beschwerden zu sprechen, und haben jahrelang Schmerzen, bevor sie zum Arzt gehen.

 

Zyklische Gewebsveränderungen

Bei Sabine konnte die Frauenärztin einen mindestens 4–5 cm großen, prall-elastischen und druckschmerzhaften Tumor in der rechten Adnexregion tasten. Zudem zeigte sich ein ausgeprägter Druckschmerz im Douglas-Raum und im Septum rectovaginale. Weitere klinische Hinweise wie eine nach hinten geknickte, unbewegliche Gebärmutter (Retroflexio uteri fixata) oder bläuliche Knoten an Muttermund, Scheide oder Vulva zeigten sich nicht. Die vaginale Ultraschalluntersuchung bestätigte den Tastbefund: Im Bereich des rechten Eierstockes zeigte sich eine etwa 5 cm große, glatt begrenzte Raumforderung mit homogen echoarmem Inhalt.

"Woher kommt diese Zyste und was hat sie mit meinen Regelschmerzen zu tun?", wollte Sabine wissen. Die versprengten Endometriumherde verhalten sich wie Gebärmutterschleimhaut – egal wo sie sich befinden: Unter dem Einfluss der Zyklushormone schwellen sie an und bluten, wenn der Hormonspiegel sinkt. Der fehlende Abfluss für die Gewebszerfallsprodukte und das Blut führen bei im Eierstock eingeschlossenen Herden zu Zysten, die mit einem dunkelbraunen Reaktionsprodukt gefüllt sind und deshalb auch als Teer- oder Schokoladenzysten bezeichnet werden. Bei oberflächlichen Herden zum Beispiel auf dem Bauchfell oder den Bandstrukturen der Gebärmutter führen die zyklischen Veränderungen zu Verwachsungen, zur fibrösen Organisation und zu schwieligen und druckempfindlichen Resistenzen, die Dauerschmerzen auslösen können.

"Und nun?", fragte Sabine. "Was passiert jetzt mit der Zyste? Geht sie wieder weg?" "Nein", erklärte die Frauenärztin. "Wenn das wirklich eine Endometriosezyste ist, muss sie operiert werden."

 

Blick in den Bauchraum

Die gynäkologische Untersuchung hat für die Diagnose einer Endometriose begrenzte Aussagekraft. Auch im Ultraschall oder MRT lassen sich Verwachsungen und Endometrioseherde nicht darstellen. Meist wird die Verdachtsdiagnose durch die Bauchspiegelung bestätigt. Auch bei Sabine. Schon am nächsten Tag kam sie in die Klinik. Die Ärzte erklärten ihr, dass sie sich bei der Bauchspiegelung die Zyste zunächst ansehen wollten. Wenn möglich, würden sie sie aus dem Eierstock herausschälen und einen Rest des Ovars erhalten. Große Hoffnungen machte ihr der Arzt allerdings nicht: Bei Endometriosezysten in dieser Größe könne man das Ovar oft nicht erhalten und müsse manchmal sogar Eierstock und Eileiter auf der betroffenen Seite herausnehmen. "Aber ich will doch Kinder!" Sabine war den Tränen nahe. Der Arzt versprach ihr, alles Mögliche zu tun, um den Eierstock zu erhalten. Dass es allerdings bei einer Bauchspiegelung bleiben würde, versprach er nicht. Das Typische an der Endometriose sind viele kleine Endometrioseherde im ganzen Unterbauch, die man erst bei der Laparoskopie findet. Diese Herde führen meist zu ausgedehnten Verwachsungen, die das laparoskopische Operieren erschweren und einen Bauchschnitt nötig machen. Sollten solche Herde vorhanden sein, erklärte ihr der Arzt, würde man sie mit Strom koagulieren.

 

Schokoladenzyste

Als Sabine aus der Narkose erwachte, stand Klaus vor ihrem Bett. "Glück gehabt", sagte er. "Es ist bei der Spiegelung geblieben, und einen Rest deines Eierstockes konnte man auch erhalten!" Der Arzt bestätigte dies: Die Bauchspiegelung hatte neben der Zyste am rechten Eierstock das typische Bild der Endometriose gezeigt: bräunlich-schwarze, stecknadelkopf- bis erbsengroße Herde, insbesondere im Douglas-Raum, aber auch auf dem linken Eierstock, sowie gelb-braune Flecken des Peritoneums mit kleinen Bläschen bis hin zu hellroten, flammenartigen Arealen. Auch Verwachsungen hatte es gegeben – besonders im Bereich der Eileiter. Ein Bauchschnitt war nicht nötig gewesen, da sich die Zyste gut aus dem Douglas-Raum hervorluxieren und aus dem Eierstock schälen ließ.

 

Künstlich in die Wechseljahre

"Ja und jetzt?", fragte Sabine. "Kann das immer wiederkommen?" Tatsächlich ist die Gewebsaktivität der Endometriose von der hormonalen Stimulation abhängig, ebenso wie die des Endometriums. Die Herde bleiben solange aktiv, wie hormonale Impulse erfolgen. Das Rezidivrisiko ist groß. Der Höhepunkt der Beschwerden liegt meist im Alter zwischen 25 und 36 Jahren, nach der Menopause schwinden die Symptome und die Befunde. "Da käme ich doch am besten sofort in die Wechseljahre", meinte Sabine lakonisch. "Keine schlechte Idee", erwiderte der Arzt, "genau das werden wir wegen Ihrer starken Schmerzen auch versuchen." Zur medikamentösen Therapie der Endometriose kommen GnRH-Analoga für drei bis sechs Monate zum Einsatz. Dies sind Substanzen, die langsamer metabolisiert werden als die nativen Gonadotropin-Releasing-Hormone, potenter sind und zu einer kontinuierlichen Stimulation der Hypophyse führen. Diese hat den paradoxen Effekt, dass die LH- und FSH-Sekretion unterdrückt wird und so die Östrogenproduktion quasi "stillgelegt" wird. Die Periodenblutung bleibt aus, die Endometrioseherde "trocknen aus". Die Nebenwirkungen allerdings sind den Beschwerden im Klimakterium ähnlich: Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen und Depressionen. Manche Frauen leiden unter einer trockenen Vagina. Bei sehr langer Anwendung kann es zu einer Osteoporose kommen.

 

Schwangerschaft als Therapie

"Na prima", sagte Sabine. "Das mit der Familienplanung kann ich dann wohl vergessen, oder?" Der Arzt beruhigte Sabine. Die Chancen, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, stünden zwar nicht so gut, da die Eileiter durch Verwachsungen und mögliche Endometrioseherde in ihrer Funktion eingeschränkt seien. Bei 30–50% aller Frauen, die ungewollt kinderlos blieben, finde man laparoskopisch eine Endometriose. Man könne aber nach der Behandlung mit GnRH-Analoga mit einer Sterilitätstherapie beginnen, falls sich kein Nachwuchs einstellen sollte. "Eine Schwangerschaft wäre sowieso die beste Behandlung!", sagte er. "Denn durch die Hormonumstellung bilden sich die Endometrioseherde genauso zurück wie in den Wechseljahren." Ob mit Kind oder ohne: Unerträgliche Schmerzen werden Sabine jetzt nicht mehr quälen.

 

Infos zu den Autoren

Dr. med. Claudia Pedain und Dr. med. Julio Herrero Garcia haben den Facharzt für Gynäkologie an der Uniklinik Gießen gemacht.

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