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  • Interview
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  • Romy Michen
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  • 05.03.2013

Wie gefährlich sind Tattoos?

Laut einer US-Studie haben 21% der amerikanischen Erwachsenen ein Tattoo. Wie gefährlich ist das Stechen einer Tätowierung? Kann so ein Eingriff ernste Folgeerkrankungen auslösen? Wir fragten Dr. Roland Aschoff, Leiter der Poliklinik für Dermatologie der Uniklinik Dresden.

Bildquelle: Photo-Disc

 

> Tätowierungen sind ein Trend. Aber mit was für Risiken sind sie verbunden?

Für eine dauerhafte Pigmentierung muss die Farbe mit einer Nadel in die Dermis injiziert werden, da die Farbe sonst wieder abgewaschen werden kann. Dazu muss die Epidermis durchtrennt werden. Die Haut wird also immer oberflächlich verletzt, was zu Infekten führen kann, z. B. in Form eines Erysipels oder eines Abszess - häufig durch auf der Haut lebende Streptokokken oder Staphylokokken. Durch sauberes Arbeiten kann man diese Gefahr minimieren. Ganz ausschließen kann man sie aber nicht - auch wenn man in ein steriles Studio geht. Denn Bakterien befinden sich immer auf der Haut und können beim Tätowieren in diese hineingestochen werden. Zumindest können solche Infekte aber meistens gut mit Antibiotika behandelt werden. Ungleich gefährlicher sind Infekte mit Hepatitis oder HIV. Ist das Studio hygienisch und steril, besteht dafür kein erhöhtes Risiko. Wird das Tattoo aber im privaten Umfeld oder im Gefängnis gestochen, sieht das ganz anders aus.

 

> Welche Risiken sind noch bedeutsam?

In seltenen Fällen kann die Tätowierung eine granulomatöse Entzündung auslösen. Diese kann als lokale Erstmanifestation einer Sarkoidose auftreten oder als Fremdkörperreaktion auf die in der Farbe enthaltenen Partikel. Solche Verläufe sind schwer zu behandeln. Im Notfall muss das Tattoo herausgeschnitten werden. Auch allergische Reaktionen kommen vor. Besonders häufig sind hier rote Farbstoffe die Auslöser. Hier kann eine Lasertherapie helfen - muss es aber nicht. Cortison verschafft zwar Linderung, ist aber natürlich keine endgültige Lösung. Wenn die allergische Reaktion dauerhaft Probleme macht, muss auch hier das Tattoo chirurgisch entfernt werden.

 

> Was hat es mit den sogenannten Henna-Tattoos auf sich? Sind die hautfreundlicher

Was viele nicht wissen: Die in den Urlaubsgebieten angebotenen Hennabemalungen enthalten kein Henna, sondern schwarzen Farbstoff. Diese Farbe enthält die Substanz Paraphenylendiamin, die oft zu einer Kontaktallergie führt. Davon sind vor allem Kinder betroffen, die sich im Urlaub damit bemalen ließen. Die Kontaktallergie entwickelt sich aber nicht sofort, sondern meist erst nach ein bis zwei Wochen, wenn die Kinder wieder zuhause sind. Es kommt zur Ausbildung eines Ekzems mit Blasenbildung. Diese Blasen können so ausgeprägt sein, dass das Ekzem über den ganzen Körper streut. Die Kinder bleiben lebenslang auf diesen schwarzen Farbstoff sensibilisiert und vertragen keine Parastoffe mehr. Das ist ein Problem, denn in der Textilindustrie wird der Farbstoff sehr oft verwendet, beispielsweise in der Lederindustrie. Zwar ist er in Deutschland verboten, er kann aber z. B. in Druckfarben vorkommen und in dunklen Haarfarben. Behandlung und Linderung sind nur mit Cortison möglich.

 

> Gibt es Menschen, denen prinzipiell von einer Tätowierung abzuraten ist?

Bei Diabetikern ist das Hautinfektionsrisiko grundsätzlich erhöht - vor allem, wenn sein Blutzuckerspiegel nicht gut eingestellt ist. Deshalb sollten sich solche Personen kein Tattoo stechen lassen. Zudem leiden Diabetiker oft an einer Gerinnungsstörung und Hautwunden heilen schlechter.

 

> Zuletzt gab es Berichte, dass nach Tätowierungen Infekte mit dem Mykobakterium chelonae beobachtet wurden. Welche Rolle spielt dieser Keim?

Natürlich kann man sich beim Tätowieren prinzipiell mit diesem Erreger infizieren. Dieses Risiko halte ich aber für äußerst gering. An atypischen Mykobakterien zu erkranken, kommt bei der Reinigung eines Aquariums viel häufiger vor, als nach einer Tätowierung. Ich selbst habe diese Art einer Infektion nach einem Tätowiereingriff noch nicht gesehen. Tritt diese Infektion jedoch auf, entstehen knotige Rötungen, die über Wochen und Monate an Größe zunehmen und teilweise auch Absiedlungen im Laufe der Lymphbahnen setzen. Kommt es zu einer systemischen Infektion mit Lymphknotenbeteiligung ist eine Antibiose von mindestens sechs bis acht Monaten Dauer erforderlich.

 

> Immer wieder hört man, dass Tätowiermittel mit karzinogenen Stoffen verunreinigt sind - z. B. mit den gefährlichen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Schwarze Tätowierfarbe enthält z. B. Benzopyren, das bei Schornsteinfegern Ursache für Hautkrebs, bei Rauchern Ursache für Lungenkrebs ist. Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass durch ein Tattoo Krebs auslöst wird?

Dass PAK-Stoffe krebserregend sind und zur Karzinogenese beitragen, ist richtig. Es stimmt ebenfalls, dass diese Stoffe in Tätowierfarben vorkommen. Viele wissen nicht, dass die für Tattoos verwendeten Farben aus Autolacken gewonnen werden! Dennoch gibt es bis jetzt keinen Beweis, dass durch Tätowierungen tatsächlich Krebs ausgelöst werden kann.

 

> Viele Menschen, die Tattoos tragen, haben auch Piercings. Welche Gefahren birgt dieser Körperschmuck?

Genauso wie beim Tätowieren kann es auch beim Piercen zu einer allergischen Reaktion kommen. Zu den häufig Allergie auslösenden Materialien zählen Zellulose und Nickel. Frauen kennen das Nickelproblem oft schon von den Ohrringen her. Zudem können beim Piercen ebenfalls Infektionen auftreten. Auch virale Infekte sind möglich, sofern unsteril gearbeitet wird. Sehr häufig sehe ich nach Piercingeingriffen Keloide. Keloide sind überschießende Narbenbildungen, die häufig am Ohrläppchen oder im Brustbereich bei jungen Frauen vorkommen. Damit meine ich nicht hypertrophe Narben, die sich relativ bald nach einem Eingriff bilden und reversibel sind, sondern echte Keloide, die sogar über das Narbengebiet hinauswachsen und fast "krebsartig" in die Umgebung wachsen. Diese Form der Keloide ist äußerst therapieresistent. Ein möglicher Therapieansatz am Ohrläppchen ist es, das Keloid herauszuschneiden. Die herausgeschnittene Stelle muss dann aber zusätzlich mit Druck durch Ohr-Klipp kumuliert werden. Fehlt der Druck an der betroffenen Stelle, kommt es zu einem Rezidiv. Neben der Druckkumulation gibt es noch weitere Therapiealternativen: Man kann z. B. Cortison direkt in die Narbe spritzen oder die Keloide mit Kälte behandeln. Auch eine Laserbehandlung kann Erfolg bringen.

 

> Wie kann ich sicher gehen, dass ein Tätowierstudie, das ich besuche "sauber" arbeitet? Gibt es staatlich geprüfte Tätowierer und Piercer?

Nein, bisher leider noch nicht. Es gibt weder eine staatliche Einrichtung oder Behörde für Tätowierfarben, noch eine für die Studios. Weil der Staat den Beruf des Tätowierers nicht anerkennt, unterliegt ein Tätowierer keinerlei staatlichen Vorschriften oder Prüfungen. Jeder kann also ein Tattoo-Studio eröffnen. Eine Gewerbeanmeldung reicht völlig aus. Das Gesundheitsamt wird dann durch die Stadtverwaltung über eine Tätowierstudioeröffnung informiert und überprüft es bei Gelegenheit. Auflagen hierfür sind vom jeweiligen Landkreis abhängig. Es kann aber durchaus vorkommen, dass nach einer "sauberen" Erstüberprüfung eines Studios jahrelang nicht mehr kontrolliert wird.

 

> Wie gefährlich sind Tattoos, wenn man eine Untersuchung im MRT machen muss? Schließlich enthalten die Farben ja Eisenoxide - und diese können sich durch die Magnetwirkung doch erwärmen …

Angeblich soll es Fälle geben, in denen Tattoo-Träger im MRT Verbrennungen erlitten haben. Ich habe einen solchen Fall bislang aber noch nicht erlebt. Zudem haben mittlerweile so viele Menschen eine Tätowierung, dass eine Gewebeschädigung durch eine Untersuchung im MRT häufiger vorkommen müsste.

 

> Wie geht man vor, wenn man mit einem Laser ein Tattoo entfernen möchte?

Der Laser dringt in die Haut ein und trifft dort auf das unter der Epidermis liegende Pigment. Dabei wird die Lichtenergie absorbiert und in Wärme umgewandelt. Dieser Vorgang geschieht so schnell, dass nur das Pigment, nicht aber die Umgebung erhitzt wird. Das Partikel selber wird in kleine Teile zersprengt, die dann zum Teil nach außen gelangen und zum Teil nach innen abtransportiert werden. Ob das Pigment dann im Körper verstoffwechselt oder eher eingelagert wird, weiß man noch nicht. Sicherlich landen viele Partikel in den Lymphknoten und bleiben dort lebenslang liegen. Natürlich birgt ein Lasereigriff auch Risiken. Es kann z. B. vorkommen, dass das Pigment ein Stück weiter in die Tiefe rutscht. In der Regel schimmert es dann weiterhin durch die Haut hindurch, ist für den Laser aber nicht mehr erreichbar. Zudem kann es vorkommen, dass ein Farbteilchen so klein zerschossen wird, dass es nicht mehr weiter erhitzt und verkleinert werden kann, trotzdem aber noch an Ort und Stelle liegt. Passiert so etwas, schimmert auch dieses Pigment weiterhin durch die Haut. Derselbe Effekt kann auch im umgekehrten Fall auftreten - also, wenn das Pigment zu groß ist, um vom Laser zerstört zu werden. Eine weitere Herausforderung ist, dass die Lasertherapie immer auf die unterschiedlichen Tätowierfarben angepasst werden muss. Rot-grün-Farbbereiche sind z. B. schwieriger zu entfernen als schwarze Tätowierfarbe.

 

> Gibt es Patienten, die eine Laserbehandlung nicht vertragen?

Eine Lasertherapie ist für jeden geeignet, hier gibt es keine Einschränkungen. Aber es sollte nicht vergessen werden, dass eine Lasertherapie schmerzhaft sein kann. Außerdem können durch diesen Eingriff Narben entstehen oder eine Hyperpigmentierung auftreten. Wie hoch das Risiko ist, dass bei einem Patienten diese Nebenwirkungen auftreten, ist nicht abzuschätzen. Denn jeder Mensch reagiert ganz individuell auf eine Lasertherapie. Der Erfolg hängt von den verschiedensten Faktoren ab. Einerseits ist es wichtig, ob das Tattoo professionell oder von einem Laien gestochen worden ist, andererseits ist es wichtig, welche Farben verwendet worden sind. Zudem ist es zentral, an welcher Stelle des Körpers sich das Tattoo befindet, wie groß es ist, ob es nur aus Strichen besteht oder flächig angelegt ist. Für eine erfolgreiche Therapie sind auf jeden Fall mehrere Sitzungen nötig. Ein Restrisiko, dass das Tattoo nicht ganz entfernt werden kann, dass Narben oder eine Hyperpigmentierung zurückbleiben, besteht immer.

 

> Welche Tipps können Sie für die Pflege nach einem Piercing- oder Tätowierungsstechen geben?

Besonders wichtig nach einem Piercing- oder Tätowiereingriff ist eine gute Hygiene sowie desinfizierende Maßnahmen, damit es zu keiner Infektion kommt. Zu fettige Salben können einen Okklusionseffekt auslösen, der ungünstig für die Wundheilung ist. Am besten verzichtet man bei einem frischgestochen Tattoos generell auf Salben, weil dadurch immer Bakterien in die Wunde eingerieben werden können. Äußerst wichtig ist der Schutz vor UV-Licht, da Sonnenlicht eine dauerhafte braune Verfärbung auslösen kann.

 

> Würden Sie sich selbst ein Tattoo stechen lassen?

(Lacht) Nein, darauf wäre ich nicht besonders erpicht. Zudem raten wir Dermatologen generell von derartigen Körperverzierungen ab.

 

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