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  • Ines Elsenhans
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  • 04.11.2014

Facharztcheck Allgemein- und Viszeralchirurgie

An diesem Fach scheiden sich die Geister: Für die einen ist es ihr Lebenstraum, als Allgemein- und Viszeralchirurg mit dem Skalpell in der Hand Leben zu retten. Andere fürchten die Arbeitsbelastung und dass sie in diesem Beruf zu wenig Zeit für eine Familie haben könnten. Gerade Skeptikern sei geraten: Erst testen, dann entscheiden!

 

OP- Situation - Foto: A. Gravante - Fotolia

In der Chirurgie steht man oft lange im OP - das Ergebnis ist die Mühe aber wert. Foto: A. Gravante - Fotolia

 

Mit bleichem Gesicht betritt der stattliche 36-jährige Manfred Fink* das Sprechzimmer des Chirurgen Dr. Heinrich Küchler im Landkrankenhaus Darmstadt. Er beklagt sich, wegen ständiger Bauchschmerzen nachts nicht mehr schlafen zu können und tagsüber arbeitsunfähig zu sein. Als Dr. Küchler ihn abtastet, spürt er am rechten Abdomen dicht über der Blasengegend nach links schräg aufsteigend zur Milz einen Tumor. Schnell ist Dr. Küchler sicher, dem Mann nur durch eine OP helfen zu können. Er erklärt Herrn Fink, dass er den Tumor nicht anders als durch einen schweren und lebens­gefährlichen Eingriff entfernen kann.

Trotz des Risikos willigt Herr Fink rasch ein, schließlich will er endlich diese ständigen Schmerzen loswerden, die ihn schon ganz lebensmüde gemacht haben. Die OP verläuft wie geplant. Dr. Küchler entfernt aus dem Bauchraum seines Patienten eine monströs vergrößerte Milz. Als Herr Fink erwacht, hat er einen Puls von 75 Schlägen pro Minute und klagt über lediglich mäßige Schmerzen. Doch knapp drei Stunden später, kurz nachdem er noch mit dem Pfleger gesprochen hat, verstirbt er plötzlich. Als Todesursache ergibt die Obduktion eine massive Blutung in die Bauchhöhle. Diese stammte von einem nicht unterbundenen Ast der Arteria linealis, der während des Eingriffs übersehen wurde. Der Ast hatte sich ins Gewebe zurückgezogen, darum zunächst nicht geblutet und blieb somit unerkannt. Kein Wunder, dass Dr. Küchler dieser Fehler unterlief: Er hatte zuvor niemals eine Milz entfernt. Wie auch kein anderer Chirurg der damaligen Zeit. Denn diese Splenektomie fand am 19. März 1855 statt und war die erste weltweit.

 

Dr. Jäger - Foto: K. Oborny

Dr. Jäger entfernt bei einem Patienten mit einer Wund­heilungsstörung eine Iodoform-Tamponade aus der Wundhöhle. Die Versorgung postoperativer Wunden ist ein wichtiger Teil der stationären Aufgaben eines Chirurgen. Foto: K. Oborny

 

Der lange Kampf  um Anerkennung

Es waren Pioniere wie Dr. Küchler, die im 19. Jahrhundert die ersten einigermaßen erfolgreichen viszeralchirurgischen OPs durchführten. Der Anlauf, den die Chirurgie bis zu diesem „Sprung“ genommen hatte, war lang. Zwar war die Chirurgie bereits zentrales Thema in einem der ältesten medizinischen Fachbücher, dem um das Jahr 1500 v. Chr. entstandenen „Papyrus Edwin Smith“. Zunächst blieb den Chirurgen die Anerkennung ihrer Medizinerkollegen aber versagt. Da es noch keine Asepsis und Narkose gab und eine OP am offenen Bauch mit unsterilen Instrumenten fast immer tödlich war, konzentrierten sich die Chirurgen auf Amputationen und Frakturversorgung. Daher galten sie in Antike und Mittelalter als einfache „Handwerker“, die sich „echten“ Ärzten unterzuordnen hatten und ihre Anweisungen befolgen mussten.

Mit Chirurgen zusammenzuarbeiten sei „heller Wahnsinn“, lautete die Auffassung der übrigen Ärzte. Nur sie alleine könnten wissenschaftlich arbeiten. Jahrhundertelang kämpften die Chirurgen gegen diese Geringschätzung an, bis sie sich ­gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu Bruderschaften zusammenschlossen. Jetzt endlich konnten sie durch verstärkte „Lobby-Arbeit“ erreichen, dass sie mit den Ärzten gleichgestellt wurden. Der Startschuss für die Chirurgie der Eingeweide fiel dann Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Schmerzbekämpfung mit Ether, Lachgas und Chloroform eingeführt wurde und immer mehr Methoden entdeckt wurden, mit denen sich Wund­infekte verhindern lassen.

Nun konnte man endlich Patienten schmerzfrei am Bauch operieren – und gleichzeitig sicherstellen, dass sie danach nicht an Wundfieber sterben. Einer der ersten Chirurgen, die erfolgreich in die „abdominalen Tiefen“ vordrangen, war der aus Vorpommern stammende Wiener Theodor Bilroth. Ihm gelang als Erstem eine erfolgreiche Magenresektion. Ein weiterer Wegbereiter der modernen Viszeralchirurgie war der Amerikaner Charles McBurney. Er machte die Appendektomie zu einem Routine­eingriff.

 

Dr. Leibold - Foto: K. Oborny

 „Handarbeit“ gehört nicht nur im OP zum Alltag eines Chirurgen. Dr. Leibold entfernt bei einer Patientin Wundklammern am Bauch. Foto: K. Oborny

Der ganze Patient – nicht nur im OP

Heute hat die Allgemeinchirurgie im Verbund mit der Viszeralchirurgie unter den chirurgischen Spezialisierungen das größte Behandlungsvolumen. Wie der Name schon sagt, be­handelt das Fach den ganzen Körper: Im Bauchraum – in dem sich beide Fächer überschneiden – versorgen Allgemein- und Viszeralchirurgen alle Organe des Verdauungstraktes von der Speiseröhre über den Magen, den Dünn- und Dickdarm bis zum Enddarm. Hinzu kommen noch Eingriffe an Leber, Galle, Pankreas und Milz. Außerhalb des Bauchraums kümmern sie sich z. B. um die Schilddrüse, Eingriffe an den Weichteilen und Varizen-OPs. Auch eine Amputation kann in den Zuständigkeitsbereich eines Allgemeinchirurgen ­fallen. Die häufigsten OPs sind Bruch-OPs (Herniotomien), gefolgt von Darmoperationen wie etwa Appendektomien.

„Dabei ist es keineswegs so, dass Chirurgen nur im OP stehen“, erzählt Dr. Tarkan Jäger, Assistenzarzt im Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK), Stuttgart. „Ein Chirurg ist nicht nur Operateur, sondern eben auch Arzt auf der chirurgischen Station, wo er sich um die Betreuung der Patienten vor und nach der OP kümmert.“ Dazu gehört die Neuaufnahme der Patienten, das Aufklärungsgespräch, die Visite, die ­Besprechung des OP-Verlaufs, der Verbandswechsel, die Medikamentengabe und Aufgaben wie Blut abnehmen, ­Zugänge legen und Befunde einholen.

„All das macht den Beruf sehr abwechslungsreich“, erklärt Amelie Knauß, Assistenz­ärztin in der Allgemein- und Viszeralchirurgie an einer Klinik in München: „Ich liebe es, nicht nur mein Hirn, sondern auch meine Hände zu verwenden. Andere Disziplinen müssen sich deutlich öfter mit chronischen Erkrankungen beschäftigen. Das kann sehr lange dauern oder vergeblich sein, wenn die Krankheit nicht heilbar ist. In der Chirurgie hat man dagegen viel häufiger Erfolgserlebnisse. Den Patienten kann durch eine OP meist sehr schnell geholfen werden, und nach ein paar Tagen sind sie schon wieder fit.“

Dieser Wesenszug seines Faches begeistert auch Dr. Tobias Leibold, Oberarzt in der Allgemein- und Viszeralchirurgie des RBK. Er hat „Feuer gefangen“, als er während seines Zivildienstes in der Klinik arbeitete: „Nach Feierabend nahm mich der zuständige Chirurg öfter mit in den OP. Dort konnte ich sehen, was in der Chirurgie alles machbar ist. Von da an war mir klar, dass ich Chirurg werden möchte.“ Dabei ist ihm trotz aller Liebe zum Operieren eines wichtig: Chirurgen sollen nicht nur über ihr Skalpell intensiven Patientenkontakt haben. Um Patienten, bei denen es mehr Redebedarf gibt, optimal zu betreuen, bieten Dr. Leibold und seine Kollegen spezielle Sprechstunden an – zum Beispiel Tumorsprechstunden.

 

Einmal wöchentlich findet die Chefarztvisite statt. Dabei informiert sich Prof. Thon (Zweiter v. r.) direkt am Krankenbett über den Zustand der Patienten, die er und sein Team operativ versorgt haben. Foto: K. Oborny

 

Weiterbildung: It's a long way ...

Die Arbeit am Patienten auf Station ist es auch, was die Assis­tenzärzte zuerst lernen, wenn sie in der Chirurgie anfangen. In den ersten 24 Monaten der Ausbildung, dem sogenannten Common Trunk, stehen die Jungassistenten zwar auch schon im OP. Sie lernen aber vor allem die Grundlagen der Faches. In dieser, für alle chirurgischen Fachrichtungen gleich strukturierten Basisweiterbildung steht das Management von Patienten auf der chirurgischen Station, in der Ambulanz und auf der Intensivstation im Vordergrund.

Danach beginnt die eigentliche vierjährige Weiterbildung zum Allgemein- bzw. Viszeralchirurgen („Special Trunk“). An deren Ende muss das Logbuch, in dem die Weiterbildung dokumentiert wird, gut gefüllt sein. Die Richtlinien fordern für die Viszeralchirurgie z. B. 400 operative Eingriffe an Bauchwand und Bauchhöhle, 25 Eingriffe am Gefäßsystem und 25 Eingriffe an Kopf und Hals. Das sind Zahlen, die gerade Assistenzärzte kleinerer Kliniken nur schwer schaffen können. PD Dr. Volker Fendrich, 2. Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Junge ­Chirurginnen und Chirurgen und Oberarzt in der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitäts­klinikum Marburg, bestätigt: „Die geforderten OPs sind in diesen sechs Jahren kaum zu leisten. Das sind Zahlen, die in vielen Häusern gerade so pro Jahr erreicht werden oder auch gerade doppelt so viele. Das heißt, ein oder zwei Assis­tenten müssten alle kolorektalen Eingriffe machen, was völlig unrealistisch ist.“ Deshalb wird gerade diskutiert, die Anforderungen im Katalog zu ändern oder den Facharzt Viszeral­chirurgie wieder abzuschaffen. Künftig würde man dann zuerst nur den Facharzt für Allgemeinchirurgie machen und könnte später bei Bedarf die Zusatzqualifikation Viszeralchirurgie obendrauf setzen.

Das ist eine Option, die derzeit schon möglich ist, die aber nur wenige wählen. Weil viele Krankenhäuser nicht die ganze Palette der chirurgischen Eingriffe und somit auch der Facharztweiterbildungen anbieten können, rät Dr. Fendrich Neueinsteigern, sich genau zu überlegen, wo sie ihre Weiterbildung beginnen. Will man nämlich nach der Basis­weiterbildung z. B. doch lieber in die Unfallchirurgie, kann es sein, dass man die Klinik wechseln muss, weil sie für dieses Fach keine Weiterbildungsberechtigung hat. 

 

Lehrkonzepte - mal modern, mal "von gestern"

Junge Chirurgie-Assistenten, die ihre erste Stelle antreten, möchten vor allem eines: operieren! Dabei beißt sich die Lust am schnellen Lernen manchmal mit den Vorstellungen der Vorgesetzten. Manche ältere Ober- und Chefärzte fordern zwar viel – geizen aber mit der Weitergabe von Wissen. Priv.-Doz. Dr. med. Michael Müller, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Klinikum Stuttgart, Krankenhaus Bad Cannstatt, versucht hingegen, sich Zeit für die Fragen seiner Assistenten zu nehmen: „Ich möchte ja, dass meine Assistenzärzte etwas lernen und auch mit ihrer Arbeitssituation zufrieden sind. Nur dann habe ich ein motiviertes Team.“

An die OPs führt er die Ärzte in Weiterbildung ganz klassisch ran: „Zunächst einmal schauen die Assistenten bei den OPs zu. Später dürfen sie dann assistieren. Je nachdem, wie komplex eine OP ist, können sie dann auch recht schnell selbst unter Aufsicht eines Oberarztes oder mir operieren.“ Damit seine Assistenten die von den Richtlinien geforderten Eingriffe auch machen können, achtet er auf ihre Einteilung im OP-Plan. Auch in Amelie Knauß’ Klinik klappt die OP-Einteilung ganz gut. Was sie allerdings bemängelt, ist die Betreuung auf der Station. Durch den Personalmangel sind an ihrer Klinik nicht alle Oberarztstellen besetzt, und die Oberärzte, die Dienst haben, sind meist im OP. „Wenn sich auf der Station der Zustand eines Patienten verschlechtert, muss oft schnell entschieden werden, ob ein Eingriff nötig ist. Da ich das aber nicht alleine bestimmen darf, muss ich manchmal das halbe Krankenhaus nach einem Oberarzt absuchen, der die Entscheidung dann treffen kann.“

Dr. Jäger hingegen fühlt sich auch auf der Station gut betreut. Sein Chef legt Wert auf eine strukturierte Ausbildung, die für Dr. Jäger zu Beginn manchmal nicht ganz verständlich war, wie er erzählt: „Am Anfang wollte ich immer gleich alles sofort machen. Retrospektiv verstehe ich jetzt aber, dass das in der Chirurgie einfach nicht möglich ist. Wenn man aber fleißig ist, kommt man auch weiter.“

 

Familie und Chirurgie – geht das?

Dass man in der Chirurgie nur etwas erreicht, wenn man hart arbeitet, sollte jedem klar sein, wenn er sich für das Fach entscheidet. Da Chirurgen nicht nur die Patienten auf der Station versorgen, sondern auch im OP stehen, ist ein pünktlicher Feierabend nur selten möglich. Es ist eben nicht vorhersehbar, wie lange ein Eingriff dauert oder ob noch ein Notfallpatient kommt. Das Zerrbild des bulligen Chirurgen, der seine Untergebenen mit Skalpellen bewirft, wenn sie nicht spuren, ist dagegen von gestern. Laut Dr. Jäger und Amelie Knauß sind die Umgangsformen in der Chirurgie nicht besser und nicht schlechter als in anderen Fächern.

Auch Dr. Müller meint, dass es sich die neue Generation an Chefärzten gar nicht leisten kann, mit ihren Kollegen so umzuspringen: „Früher wurde ein Medizinstudent automatisch Arzt. Doch heute sind die Möglichkeiten vielfältiger. Manche gehen z. B. ins Management eines Klinikums und verdienen dort mehr bei weniger Arbeitsaufwand.“ Früher oder später müssen sich die Kliniken deshalb mit der Frage auseinandersetzen, wie sie ihren Ärzten ermöglichen möchten, dass sie Chirurgie und Familienleben unter einen Hut bringen können. „Schon jetzt gibt es mehr Medizin-Absolventinnen als -Absolventen“, erklärt Dr. Fendrich. „Durch die Nachwuchsprobleme sind die Kliniken also gezwungen, die Familien­freundlichkeit zu verbessern, um so auch mehr Frauen in die Chirurgie zu holen. Möglich wäre das z. B. durch klinik­eigene Kindertagesstätten mit langen Öffnungszeiten.“

Viele hoffen, Familie und Beruf durch eine Teilzeitstelle oder flexible Arbeitszeiten unter einen Hut zu bekommen. Amelie Knauß sieht das aber kritisch. Sie hat versucht, bei einer 50%-Stelle nur drei Tage in der Woche zu arbeiten, musste aber feststellen, dass sie so nie einen Patienten von der Ankunft bis zur Entlassung betreuen konnte. Kam sie montags wieder auf Station, waren fast alle Patienten Neuaufnahmen. Der Versuch, zwei Wochen am Stück zu arbeiten und dann wieder zwei Wochen nicht, gelang zwar besser. Für Eltern, die an Termine gebunden sind, ist das aber auch keine Lösung. Und wer nur vormittags oder nur nachmittags arbeiten möchte, muss damit rechnen, nicht mehr so oft im Operationssaal stehen zu können, da sich Bauch-OPs häufig zeitlich schlecht planen lassen.

 

Operateure aus Stahl

Dass sich Frauen bei den stundenlangen, körperlich anstrengenden OPs prinzipiell schwerer tun als Männer, ist jedoch ein Vorurteil, wie Dr. Fendrich erklärt: „Vom technischen Können und von der Kraft her ist es sicherlich für Frauen kein Problem, in der Viszeralchirurgie zu arbeiten. Egal ob Mann oder Frau, es sollte einem eben liegen, längere Zeit im Stehen zu arbeiten.“ Das kann auch Amelie Knauß bestätigen. Sie kennt Kolleginnen und Kollegen, die mit Kreislaufproblemen während langer OPs zu kämpfen haben. Dabei sind es gerade diese langen, kniffligen Eingriffe, die Chirurgen besonders faszinieren. Dr. Jäger erinnert sich noch genau an seine erste „große“ OP, bei der er assistieren durfte: „Damals war ich noch Student und habe nebenbei als Assistent in der Chirurgie gearbeitet. Ziel der OP war es, bei einem Mann das verletzte Nervengeflecht des Plexus brachialis wiederherzustellen, damit er seinen Arm wieder bewegen kann. Normalerweise splittet man eine solch komplizierte OP zeitlich, aber da der Mann aus Neuseeland kam, mussten wir sie am Stück machen. Wir brauchten mit Pausen ins­gesamt 24 Stunden. Das war schon anstrengend.“

Daran, die Belastung solcher stundenlangen OPs zu verringern und Fehler zu vermeiden, arbeiten Chirurgen kontinuierlich. So gibt es immer wieder Anläufe, Roboter zu entwickeln, die die Operateure beim Schneiden und Nähen unterstützen. Und auch sonst arbeiten Chirurgen ständig daran, ihre Methoden weiter zu verfeinern und zu optimieren. Dr. Leibold sucht z. B. nach Ansätzen, laparoskopische Eingriffe zu verbessern. Sein Ziel ist, OPs möglichst narbenfrei zu ­gestalten. Dadurch werden nicht nur bessere kosmetische Ergebnisse erzielt, sondern auch Wundschmerzen verringert. „Hier gibt es noch viel Forschungsbedarf, auch bei der Entwicklung des Instrumentariums“, erklärt Dr. Leibold. Auch in anderen Gebieten der Chirurgie hat es sich noch längst nicht ausgeforscht. In der onkologischen Grundlagenforschung geht es z. B. oft darum, Genmarker zu finden, die den Typ eines Tumors beschreiben. Andere forschen nach Wegen, Tumorgewebe während OPs besser sichtbar zu machen.

 

Reinschnuppern erwünscht

Wie viel Forschung oder ob man überhaupt Forschung be­treiben möchte, sollte man am besten schon vor Antritt der Facharztweiterbildung wissen. In Unikliniken etwa gehört die Forschung zum Alltag dazu. Das heißt aber auch, dass nach Station und OP noch längst nicht Feierabend ist. Wer neben der Chirurgie aber noch andere Interessen hat, ist in einem städtischen oder kleineren Krankenhaus auch gut aufgehoben. Medizinstudenten, die sich bei der Entscheidung für eine Klinik schwertun, rät Dr. Fendrich Folgendes: „Hospitieren Sie so viel wie möglich. Schauen Sie in den OP, fragen Sie den Chef, wie er die Weiterbildung bei sich gestaltet.“ Das empfiehlt auch Chefarzt Dr. Müller. Bei ihm sind Studenten, die hospitieren möchten, jederzeit willkommen. Ist man sich dann sicher, an welchem Krankenhaus man seine Weiterbildung machen möchte, geht es an die Bewerbung. Ob die Kandidaten promoviert sind oder nicht, ist für Dr. Müller bei der Auswahl seiner Assistenten nicht relevant. Wichtiger ist ihm, dass der Bewerber sympathisch ist und er das Gefühl hat, dass derjenige gut mit Patienten umgehen kann. Zudem sollte es ihm natürlich Spaß machen, mit den Händen zu arbeiten, wobei ein gewisses handwerkliches Geschick und eine gute Feinmotorik natürlich von Vorteil sind. Ansonsten ist in der Chirurgie vor allem eines wichtiger als jedes Talent: Fleiß. Denn nur so lernt man viel und kann schnell auch komplizierte Eingriffe unter Aufsicht durchführen.

Dr. Fendrich verspricht: „Hat man es in die Chirurgie geschafft, wird einen die Faszination dieses Faches schnell packen und Widrigkeiten wie lange Arbeitszeiten vergessen lassen.“ Das Gefühl, wie es ist, einem Patienten den Bauch aufzuschneiden und ihn so von einem schlimmen Leiden zu kurieren, bekommt man eben in kaum einem anderen Fach. Und wer kann schon nach Feierabend heimkommen und sagen: „Liebling, es war wie immer: Ich habe heute wieder ein paar Menschen das Leben gerettet.

 

 

 

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