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  • Interview
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  • Imke Schramm
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  • 05.11.2015

Kann man sich tatsächlich „erkälten“?

Wenn draußen der Herbstwind pfeift, sagen fürsorgliche Mütter ihren Kindern: „Zieht euch warm an! Sonst erkältet ihr euch!“ Zu Recht? Kann man sich tatsächlich „verkühlen“, wenn man kalte Füße hat oder friert? Wir sprachen mit Susanne Hauswaldt vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene des Uniklinikums Lübeck über diese Frage.

Erkältung - Foto: K.- P. Adler/Fotolia.com  

Kaum wird es draußen kälter, fängt die Nase an zu laufen. Foto: K.- P. Adler/Fotolia.com

 

 

> Bekommt man leichter eine Erkältung, wenn man friert? 

S. Hauswaldt: Einen Beweis für die These, dass Kälte oder Zugluft den Ausbruch einer Virusinfektion begünstigen, gibt es nicht. Statistisch gesehen treten bei kälteren Temperaturen zwar tatsächlich mehr respiratorische Infekte auf. Es ist aber schwer nachzuweisen, ob das ein direkter Effekt der Kälte ist oder ob das einfach daran liegt, dass sich die Menschen mehr in geschlossenen Räumen aufhalten, wenn es kalt ist, und die Viren so leichter von einer Person zur anderen übertragen werden. Es gibt erstaunlich wenige Studien, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Das liegt vielleicht auch daran, dass eine Reihe von zusätzlichen Einflussfaktoren existiert, die man schlecht kontrollieren kann. So spielt zum Beispiel sicher die Psyche eine Rolle. Jemand, der glaubt, dass er schneller eine Erkältung bekommt, wenn er friert, ist vielleicht schon durch diese Einstellung anfälliger.

 

> Angenommen, Kälte hätte einen Einfluss. Worin könnte der bestehen?

S. Hauswaldt: Es wird diskutiert, ob Kälte möglicherweise das Immunsystem schwächt. In einigen Studien konnte tatsächlich gezeigt werden, dass sie die natürlichen Killerzellen beeinflusst. Leider waren diese Ergebnisse aber völlig uneinheitlich: Mal führte Kälte zu einer Zunahme der Zellen, dann kam es wieder zu einer leichten Verminderung. Am ehesten wirkt die Kälte dadurch, dass sie die lokale Abwehr inhibiert. Eine Hypothese ist, dass eine Kühlung der Körperoberfläche zu einer reflektorischen Konstriktion der Gefäße der Nasenschleimhaut führt. Die Verringerung des Blutflusses könnte die Funktion der Nase als erste Abwehrschranke des Immunsystems schmälern, weil die Leukozyten dann schlechter zu den Erregern gelangen. Möglicherweise inhibiert Kälte auch die Zilien, die im respiratorischen System eine wichtige Abwehrfunktion erfüllen.

 

> Was kann man tun, damit einen die Viren gar nicht erst erreichen? Werden Erkältungsviren eher durch direkte Berührung wie beim Händeschütteln oder durch Anhusten übertragen?

S. Hauswaldt: Beides sind mögliche Übertragungswege. Erkältungen können durch verschiedene Viren ausgelöst werden, die auch verschiedene Übertragungswege haben. Rhinoviren zum Beispiel übertragen sich leicht durch eine Schmierinfektion, Parainfluenza-Viren eher über eine Tröpfcheninfektion. Schützen Sie sich also davor, angehustet zu werden – und waschen Sie sich häufiger mal die Hände!

 

> Wie kann man sich sonst noch vor „Erkältungen“ schützen?

S. Hauswaldt: Wichtig ist eine gesunde Ernährung, nicht zu viel Stress, ausreichend Bewegung und sieben bis acht Stunden regelmäßiger Schlaf. Es ist ganz klar, dass Schlafmangel eine Erkältung begünstigt. Ob warmes Anziehen im Winter vor Erkältungen schützt, ist wie gesagt umstritten. Im Zweifel würde ich aber eher dafür plädieren – zumal es sicher auch nicht schadet und die Alternative wenig verlockend ist … .

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