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  • Annika Simon
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  • 11.10.2012

Der ambulante Pflegedienst

Alte Patienten mit schweren Krankheiten gehören zum Alltag in Kliniken. Sobald sich der stationäre Aufenthalt aber dem Ende nähert, schweben ganz neue Probleme über der Patientenakte: Kann sich der alte und kranke Patient noch alleine zuhause versorgen? Muss ein Heimplatz gesucht werden? Viele Fragen und eine mögliche Antwort: Der ambulante Pflegedienst!

Die 78-jährige Giesela lebte viele Jahre nach dem frühen Tod ihres Mannes in einer kleinen 3-Zimmer-Wohnung in einem Vorort von Hannover. Sie konnte trotz ihres hohen Altes alle wichtigen Tätigkeiten des Alltags problemlos erledigen. Doch dann kam aus heiterem Himmel ein Schlaganfall und so landete die niedliche alte Dame zunächst auf einer neurologischen Station der Uniklinik. Da Giesela schnell behandelt werden konnte, überlebte sie den Schlaganfall und kam schließlich mit einer Halbseitenlähmung des rechten und linken Armes sowie leichten Sehstörungen davon. Sie erholte sich relativ schnell und konnte bereits nach wenigen Wochen wieder nach Hause entlassen werden. Zwei Tage vor dem ersehnten Entlassungstermin drohte aber die freudige Stimmung plötzlich zu kippen. Die Tochter von Giesela war von der plötzlichen Erkrankung ihrer Mutter eiskalt erwischt worden und hatte Angst, dass sich Giesela nicht mehr alleine zuhause versorgen könnte. So versuchte sie eifrig, den Entlassungstermin immer weiter nach hinten zu verschieben und bemühte sich um neue Antworten zur aufgekommenen Versorgungsfrage.

 

Alternative zum Pflegeheim

Fälle wie die kleine Geschichte von Giesela habe ich fast täglich erlebt, als ich in einer neurologischen Klinik für einige Zeit famulieren durfte. Der Schlaganfall gehört inzwischen zu den schwersten und häufigsten Erkrankungen älterer Menschen und ist dafür berüchtigt, die Lebensqualität und die Möglichkeiten der Selbstversorgung von heute auf morgen radikal auf den Kopf zu stellen. Hat der Betroffene den Schlaganfall überlebt, ist plötzlich nichts mehr wie es einmal war. Die Wohnung ist meist nicht behindertengerecht, hat keinen Fahrstuhl und aufgrund von Lähmungen und Sehstörungen ist es den Patienten nur selten möglich, für sich selbst zu kochen oder alleine einzukaufen. Die Verwandten sind meist ebenso überrumpelt und wenden sich ratlos an die Klinikärzte, die meist kaum Zeit haben, sich um einen Heimplatz oder ähnliche Unterbringungsmöglichkeiten zu kümmern. Dabei hat sich an diesem Punkt in den letzten Jahren schon eine Menge getan. Damit beeinträchtigte Menschen möglichst lange alleine zuhause leben können, haben sich ambulante Pflegedienste in den letzten Jahren zu einem wichtigen und tragenden Akteur im deutschen Gesundheitssystem gemausert. Ich selbst arbeite seit einiger Zeit als Pflegehelferin bei einem solchen Unternehmen und habe im Rahmen dieses "Studentenjobs" bereits ganz wertvolle Erfahrungen im Umgang mit alten Patienten sammeln können.

 

Eine ganz besondere Erfahrung

Endete mein Kontakt früher auf den neurologischen Stationen mit dem Entlassungstermin, kann ich mir jetzt ein genaueres Bild davon machen, wie es für die Patienten nach dem Klinikaufenthalt weitergeht. Die Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes flitzen mit kleinen bunten Autos durch die Großstädte und haben bei ihren Kunden ganz ähnliche Aufgaben wie Krankenschwestern: Sie geben Medikamente, helfen bei der Körperpflege und kümmern sich um die nötigten Erledigungen im Haushalt. Eben all das, was die Kunden aufgrund von körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen schlichtweg nicht mehr machen können. Je nach der individuellen Situation des Kunden, können die Aufgaben total unterschiedlich sein. Manchmal geht es nur darum, kurz nach dem Rechten zu sehen und auf eine geregelte Einnahme der Blutdruckmedikamente zu achten. In anderen Fällen wird von den ambulanten Pflegekräften der ganze Haushalt "geschmissen" und der Kunde erhält umfangreiche Hilfe bei der Körperpflege. Der besondere Anreiz liegt für mich dabei im Kontakt mit den Menschen, die teilweise ja auch Patienten sind. Im Gegensatz zum Klinikalltag erlebt man die Betroffenen in ihrer häuslichen Umgebung und hat auch hin und wieder die Möglichkeit, einfach zu reden und in begrenztem Umfang Zeit zu verbringen. Die Kunden sind dann nicht bloß Zimmernummern oder medizinischen Fälle, sondern Menschen mit einer ganz persönlichen Geschichte und individuellen Charakterzügen.

 

Ein neues Modell für die Zukunft?

Dank eines ambulanten Pflegedienstes hat sich auch für das Versorgungsproblem von Giesela eine adäquate Lösung finden können. Nach einer stationären Anschlussheilbehandlung kehrte sie in ihre Wohnung zurück und erhält dort nun drei Mal täglich Besuch von einer netten und erfahrenen Krankenschwester, die sich um ihr Wohlergehen und ihren Haushalt kümmert. Dieses kleine Fallbespiel und meine Blicke hinter fremde Türen thematisieren ein kommendes großes Problem unseres Gesellschaft: Immer mehr alte und kranke Menschen, die einen Platz brauchen an dem sie ein würdiges Leben führen können und die nötige Unterstützung dafür erhalten. Leider wird das immer noch verdrängt und auch ich bin erst durch meinen neuen Nebenjob darauf aufmerksam geworden, dass es für Schlaganfallpatienten auch ein Leben nach dem stationären Klinikaufenthalt geben kann. Der ambulante Pflegedienst ist sicher ein richtungsweisendes Modell für die Zukunft. Und trotzdem ist es zusätzlich ganz wichtig, dass wir als Ärzte und Ärztinnen von morgen das Bewusstsein dafür entwickeln, dass das Leben unserer Patienten nach der Akutversorgung weitergeht!

 

Weiterführende Links

Homepage AWO Gesundheitsdienste GmbH

Homepage Pflegedienst CarePool Hannover GmbH

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