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  • 22.07.2011

Hammerexamen-Tagebuch (11)

Die Zeit des Wartens

Zwei Wochen sind vergangen seit dem furchtbaren Hammerexamen. Die ersten Tage darauf waren nicht weniger schlimm. Ständig quälte mich der Gedanke: "Bestanden oder Durchgefallen?" Doch nach all den Wochen des Lernens von seltenen Syndromen und speziellem Facharztwissen fand ich wieder zurück zu solchen Dingen, die wirklich wichtig sind.

Foto: iStockphoto

 

Back to life, back to reality

Nicht für einen Moment würde ich es wagen, diesen Vergleich anzustellen: Meine Situation, in der ich auf meine Prüfungsergebnisses warte, mit der eines Patienten, der auf die Diagnose wartet. Es geht bei mir nur um eine Prüfung, schlimmstenfalls verliere ich ein halbes Jahr, muss den Quatsch wiederholen.

Nein, kein Vergleich, nur Ähnlichkeiten. So dränge ich auch darauf, endlich das Ergebnis zu wissen.

Aber warum schreibe ich dann jetzt diese Zeilen und nehme nicht meine Prüfungshefte und schaue die inoffiziellen Lösungen im Internet nach? Das Dilemma ist leider: Erst die offiziellen Lösungen bringen die ganze Wahrheit ans Licht.

Was wenn es knapp ist? Dann bin ich genauso schlau wie vorher – und zu meinem Schicksal gehört es leider, das wichtige Prüfungen in meinem Leben stets knapp ausfielen. Deshalb entschloss ich mich zu warten, schließlich wird erst noch eine Bestehensgrenze festgelegt, Fragen werden herausgenommen. Doch warten ist nicht leicht, wie Tom Petty in seinem grandiosen Song schon wusste: „The waiting is the hardest part.“

 

Gut und Schlecht

In den ersten Tagen wechselten sich die guten und schlechten Gedanken ab. Mal dachte ich an nette Fragen, die ich sicher richtig hatte, dachte dann aber wieder an üble Fallstudien, die mich viele Fragen gekostet haben können. Das ständige Hin und Her lähmte mich geradezu.

Ich bin für einige Zeit in den Urlaub gefahren, habe die Prüfungshefte absichtlich zurückgelassen; es ging mir darum rauszukommen aus der Wohnung, in der ich wochenlang gelernt hatte. Doch auf andere Gedanken kam ich trotzdem nicht.

 

Viele Gedanken

Meine mündliche Prüfung ist sehr spät – Mitte Juni – also noch weit weg. Eigentlich wollte ich einfach mal für eine Zeit lang gar nicht denken, besonders nicht an morgen, sondern nur an das Jetzt, den Augenblick genießen. Stattdessen setze sich bei mir der Gedanke durchgefallen zu sein immer mehr durch, und ich begann darüber zu grübeln, was ich dann machen soll. Das brachte mehr Erleichterung als ich erwartet hätte. Schließlich läge bis zum nächsten Schriftlichen gar nicht soviel Zeit, das Lernen würde diesmal weniger anstrengend. Ich würde mir mehr Zeit für mein Privatleben nehmen.

Unangenehm wäre jedoch, dass ich nicht meine Wunsch-Stelle würde antreten können. Doch relativierte sich dies dadurch, dass ich auch ins Grübeln kam, ob ich eigentlich wirklich diese Fachrichtung einschlagen soll. Vielleicht ergeben sich durch das Durchfallen für mich ganz andere Wege.

Während die letzten Jahre meines Lebens mit großer Schnelligkeit vergingen, hatte ich jetzt das Gefühl, die Zeit verlaufe langsamer oder ich würde mal länger Rast an einer Tankstelle machen. Jedenfalls: Ganz gleich wie das Ergebnis ausfallen mag, es wird weitergehen.

 

Endlich

Und da klappte es auch endlich damit, diese Gedanken beiseite zu legen und wieder zu genießen. Ich hatte wieder Spaß unter Menschen zu sein, verbrachte viel Zeit mit Nichtstun. Mied für einige Zeit E-Mail-Zugang und Handy. Betrieb Eskapismus und beschäftigte mich mit Dingen aus meiner Kindheit und Jugendzeit: hörte Europa Hörspielkassetten von den "Masters of the Universe", oder las Heinrich den Fünften – und berauschte mich an der Geschichte, wie eine Handvoll erfolgreich gegen eine Übermacht ankämpfte – so wie wir Examenskandidaten gegen das böse Mainz: „We few, we happy few…“

Oder ich guckte Tierfilme, so schöne wie: „Our wonderful nature“, der sich mit dem Paarungsverhalten von Wasserspitzmäusen beschäftigt. Ich lernte wieder ein paar Gedichte aus der Zeit der Romantik auswendig, mit der ich schon in Jugendjahren versuchte, das andere Geschlecht zu beeindrucken.

 

Langsam

Und langsam finde ich auch wieder zurück zur Medizin. Im Gegensatz zu den Kolibris und Zebras aus dem Hammerexamen kümmerte ich mich in den letzten Tagen um ganz anderes Wissen. Schließlich gibt es Basics, die wirklich immer brauchbar sind, so wie körperliche Untersuchung oder EKG.

Ich fand endlich die Zeit, mich mal zu üben in einem Thema, das ich irgendwie nie begriffen habe, das einem Mediziner jedoch ständig begegnet: Röntgenthorax. Dazu besorgte ich mir ein Programm auf CD, den Röntgenthorax interaktiv, schon etwas älter. Das Programm ist aber didaktisch unheimlich gut, mit Markierung der Strukturen, kurzen und klaren Texten und schön gemacht mit Fällen und Krankheitsverläufen. Es machte wirklich Spaß.

So fand ich nicht nur wieder Spaß am Leben - ich fand auch wieder Spaß an der Medizin.

 

Es geht weiter

So sehr habe ich Gefallen daran gefunden, dass ich noch mehr wiederholen will. Geht es doch nicht mehr um eine Prüfung, sondern um Wissen, das ich wirklich brauchen kann.

Ich denke ernsthaft daran, mir ein dickes Buch für Mikrobiologie anzuschaffen. All die Bakterien, Viren und Pilze - die damals im Studium viel zu kurz und nur für eine Prüfung ins Gehirn gequetscht wurden - haben es eigentlich verdient, etwas näher betrachtet zu werden. Besonders, da ich jetzt wieder Zeit habe, mir mal genauer anzusehen, was meine WG-Mitbewohner alles in ihren Essenvorräten im Kühlschrank bebrüten.

 

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