Zurück zu Hamburg
  • Bericht
  • |
  • Vanessa Napierski
  • |
  • 04.06.2012

Studentischer Untersuchungskurs

Wie höre ich eine Lunge ab? Und wie hört sich ein Herzgeräusch an? Ist die Leber meines Patienten tatsächlich vergrößert? Für diese und andere grundlegende Fragen bleibt im studentisch-klinischen Alltag oft zu wenig Zeit. Abhilfe schafft da der studentische Untersuchungskurs am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Hier erfahren Studenten auch, wie die "Pinuppels" des Stethoskops eigentlich in die Ohren gesteckt werden…

Die meisten Ärzte erwarten von ihren Studenten, dass sie im klinischen Studienabschnitt mit den körperlichen Untersuchungstechniken vertraut sind. "Doch was kann man tun, wenn das nicht der Fall ist?" fragt sich der eine oder andere, spätestens wenn zum ersten Mal der "Unterricht am Krankenbett" ansteht und mehr als das bloße Gespräch - was an sich schon anspruchsvoll genug ist - im Patientenkontakt gefordert wird. Während der sogenannte "Neu-Kliniker" Dank gerade bestandenem Physikum zwar über einen soliden theoretischen Hintergrund verfügt, gibt es im Bereich der praktischen ärztlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten häufig noch gewisse Defizite zu beklagen.

Um diesbezüglich Abhilfe zu schaffen, findet im vierten Semester der vom Institut für Allgemeinmedizin durchgeführte Kurs der "Einführung in die klinische Medizin " statt. Bedingt durch das extreme Lernpensum der Vorklinik sowie der fehlenden praktischen Anwendungsmöglichkeiten kann dieser aber lediglich einen ersten Überblick über die grundlegenden Untersuchungstechniken bieten, als etwa den Anspruch zu erheben ein fundierter ärztlicher Trainingskurs zu sein. Was an dieser Stelle aber nicht heißen soll, dass diese erste Einführung nicht absolut zu empfehlen wäre!

Wenn der Nachwuchsmediziner dann aber einige Semester später einem anderen Menschen in seiner neuen Rolle als vermeintlicher "Gott in weiß" gegenübersteht, können leicht Zweifel an den eigenen Fähigkeiten aufkommen. So mancher Student wünscht sich in solchen Situationen, das ärztliche Handwerkszeug bereits sicher zu beherrschen.

 

Lockeres Üben für den Ernstfall

Die Möglichkeit, sich dieses Wissen anzueignen und das Erlernte in einem "geschütztem Rahmen" einüben zu können, bietet das "Studentische Tutorium der körperlichen Untersuchung". Ergänzt wird dieser Kurs neuerdings durch das "Tutorium Punktionstechniken", das auf Anfrage vieler Studenten ebenfalls vom Prodekanat für Lehre angeboten wird.

In den Tutorien werden sowohl die Grundlagen der körperlichen Untersuchung von Herz, Lunge und Abdomen als auch die Technik der sterilen Blutentnahme und das Legen von Venenverweilkathetern vermittelt, wiederholt und aneinander ausprobiert. Viele Studenten empfinden dabei den fehlenden Leistungsdruck und die lockere Atmosphäre, die in manch anderer Lehrveranstaltung fehlt, als besonders angenehm. Hier gibt es keine "dummen Fragen" und es kann sich auch niemand blamieren. Die Tutoren sind selbst Studenten aus höheren Semestern, die von Ärzten der jeweiligen Fachrichtung entsprechend geschult wurden.

Sie haben oft selbst erfahren, wie es sich anfühlt, im Blockpraktikum oder während der Famulatur schon bei der Blutentnahme aus Unwissenheit passen zu müssen. So manch einer hat dafür schon die entsetzten Blicke der Schwestern und Assistenten geerntet oder - noch schlimmer - wurde vielleicht sogar als "Drückeberger" abgestempelt. Das Studentische Tutorium setzt genau an dieser Stelle an. Es soll dazu beitragen, solche Situationen von vornherein zu vermeiden und natürlich auch auf die am Ende eines Themenblocks anstehende OSCE-Prüfung vorbereiten.

Zu diesem Zweck wird mehrmals pro Woche jeweils eines der oben genannten Themen in Kleingruppen von maximal sechs Studenten bearbeitet. Die Tutoren präsentieren den Teilnehmern zunächst den theoretischen Hintergrund des Themas im Powerpoint-Format. Im Anschluss daran erfolgt eine Demonstration der relevanten körperlichen Untersuchungstechniken. Dann sind die Teilnehmer selbst gefragt. Sie bilden Zweier-Gruppen, inspizieren und perkutieren, palpieren und probieren das Erlernte aneinander aus. Die Tutoren stehen den Studenten dabei mit Rat und Tat zur Seite, geben Tipps zur praktischen Ausführung oder zur vielleicht bald anstehenden Prüfung.

 

Blöde Fragen gibt es nicht

Nachgefragt werden oft auch Tipps zum allgemeinen Umgang mit dem Patienten oder zum Verhalten gegenüber Ärzten und Pflegepersonal im klinischen Alltag. Hier können auch Dinge erfragt werden, die ansonsten nicht so gerne angesprochen werden und deshalb zu Unsicherheiten führen. Da gab es beispielsweise einen Kommilitonen, der zum Thema Unterbauchbeschwerden bei einer 79-jährigen Patientin zunächst nicht von seiner Differentialdiagnose "Schwangerschaft" abzubringen war. Gemeinsam erklärte man ihm, dass es durchaus angebracht ist fachübergreifend zu denken, eine Schwangerschaft in diesem Fall aber mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnte. Fragen zu stellen ist in diesem Kurs nämlich ausdrücklich erwünscht!

Und falls es mal nicht auf Anhieb gelingen sollte, die Lunge hörbar zu perkutieren, wird einfach weitergeübt, viel gelacht und manchmal auch ein bisschen geflucht - solange bis jeder Kursteilnehmer die Technik verinnerlicht hat. Geschimpft wird dabei jedoch nie, Ungeduld ist hier völlig fehl am Platz und ausgelacht wird sowieso niemand. Schließlich soll diese freiwillige Veranstaltung - die übrigens trotz voller Stundenpläne bestens frequentiert wird - trotz der Ernsthaftigkeit der behandelten Themen allen Beteiligten Spaß machen, Lust auf den Arztberuf machen und Freude auf die Arbeit mit dem Patienten erzeugen.

Schlagworte

Mehr zum Thema

Artikel: 100 Tage Lernen, Kreuzen, Hoffen – alles für Bismarck und Lepra?

Info: via medici an der Uni Hamburg

Artikel: Psychische Belastungen im Medizinstudium