Zurück zu Hamburg
  • Artikel
  • |
  • Vanessa Napierski
  • |
  • 18.06.2013

Psychenet - Früh erkennen, wenn die Seele erkrankt

Jeder dritte Mensch wird einmal im Leben psychisch krank. Der Arzt ist für die Behandlung körperliche Beschwerden zuständig. Doch wer hilft, wenn nicht der Körper sondern die Seele leidet? Und wie kann diese Hilfe im Idealfall aussehen? Fragen, die der Forschungsverbund "psychenet - Hamburger Netz Psychische Gesundheit" zu beantworten versucht. Sein Ziel: psychischen Erkrankungen in der Region Hamburg früh zu erkennen und deren Behandlung nachhaltig zu verbessern.

Viele psychische Erkrankungen haben eine Gemeinsamkeit. Sie sind schwer zu diagnostizieren und noch schwerer zu behandeln. Vom Beginn der Erkrankung bis zur Diagnosestellung vergehen oft Jahre. Eine Zeit, in der die Betroffenen einem hohen Leidensdruck ausgesetzt sind. Unsicherheit, Scham und Angst - etwa vor gesellschaftlicher Ausgrenzung - verhindern häufig, dass rechtzeitig Hilfe in Anspruch genommen wird.

 

Ist das noch normal oder bin ich krank?

"Es gibt einen Punkt, an dem man merkt dass man alleine nicht mehr weiterkommt. An dem der Wunsch nach Hilfe größer ist als die Angst" so ein Patient. Trotzdem können weitere Hürden vor dem Hilfesuchenden liegen. Die Wartezeiten für ein Erstgespräch beim Psychotherapeuten liegen in der Großstadt bei etwa zwei bis drei Monaten, auf dem Land sogar bei vier Monaten. Damit sich aus Lebenskrisen keine ernsthaften psychischen Erkrankungen entwickeln, ist eine schnelle und zielgerichtete Behandlung immens wichtig.

 

Gemeinsam Stärke zeigen

Hier setzt der Forschungsverbund "psychenet - Hamburger Netz Psychische Gesundheit" an. Unter dem Dach von psychenet arbeiten die Hamburger Gesundheitsbehörde, das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, wissenschaftliche und therapeutische Einrichtungen in Klinik und Praxis, sowie Betroffene und Angehörige daran, die Behandlung von psychischen Erkrankungen in der Region Hamburg früh zu erkennen und nachhaltig zu verbessern. Unternehmen aus der Region, die Handelskammer, sowie der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg komplettieren den Verbund zur Früherkennung, frühzeitigen Diagnostik und nachhaltigen Behandlung psychischer Erkrankungen. Das Projekt psychenet besteht aus elf Teilprojekten.Fünf krankheitsübergreifende Teilprojekte sollen das Allgemeinwissen über psychische Erkrankungen verbessern, das Unterstützungsangebot für Betroffene ausbauen und die hausärztlichen Versorgung optimieren.

 

Medien sinnvoll nutzen - Aufklärung statt Stigmatisierung

Eine breit angelegte mediale Aufklärungskampagne trägt dazu bei, dass psychische Erkrankungen ihren "Schrecken" in der Bevölkerung verlieren und Betroffene nicht noch zusätzlich stigmatisiert werden. Emotional gestaltete Filme, Plakate und Broschüren machen die Öffentlichkeit auf das Thema psychische Erkrankungen aufmerksam. Patienten, Angehörige und Interessierte finden unter www.psychenet.de tiefergehende Informationen. Das Portal bietet Fakten und Entscheidungshilfen zu verschiedenen psychischen Erkrankungen, Selbsttest als Unterstützung zum Arzt-Patienten-Gespräch und Informationen zur Betroffenen- und Angehörigenberatung bei psychischen Erkrankungen. Kostenfrei und frei zugänglich kann jeder Ratsuchende nach regionalen Behandlungsangeboten oder nach Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen Erkrankten suchen.

 

 

Das Konzept - Foto: Psychenet

 

 

Hilfe zur Selbsthilfe

Eine besondere Herausforderung bildet der Umgang mit psychischen Erkrankungen in der Hausarztpraxis. Für Betroffene ist der Hausarzt in der Regel die erste Anlaufstelle. Eine adäquate Behandlung lässt sich im Praxisalltag oft nur unzureichend realisieren. Um die eigenen Ressourcen von Patienten mit psychischen Erkrankungen zu stärken, werden die Hausärzte in der aktiven Kommunikation mit dem Patienten geschult. Unterstützung erhalten die Praxen durch speziell ausgebildete Pflegekräfte, den sogenannten "Care Managern". Auch im Rahmen eines stationären Aufenthaltes können psychisch Erkrankte und Ihre Familien Unterstützungsangebote durch geschulte Berater in Anspruch nehmen. Menschen, die selbst eine psychische Erkrankung durchlebt haben, oder sie noch erleben, sind als Berater tätig. Diese "Peer Beratung" ist eine Beratung in Krisensituationen und Genesungsbegleitung auf Augenhöhe. Die Peer Berater haben eine Ausbildung absolviert und werden auch während ihrer Tätigkeit durch regelmäßige Coachings und Supervisionen begleitet. Dass diese Art der Beratung in Hamburg jetzt flächendeckend in 10 kooperierenden Krankenhäusern angeboten werden kann, ist einzigartig in Deutschland.

 

Leistungsdruck, Stress, Überforderung - wenn die Arbeit krank macht

Ein psychenet-Teilprojekt beschäftigt sich speziell mit der Prävention von psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz. Verschiedene Beratungs- und Hilfsangebote zur Gesundheitsorientierung im Berufsleben sollen psychische Belastungen am Arbeitsplatz und unnötige Kosten durch Arbeits- und Leistungsausfälle senken. Fünf Gesundheitsnetze innerhalb von psychenet erforschen durch wissenschaftliche Studien Wege zur Verbesserung von Diagnostik, Indikationsstellung und Therapie in der Behandlung der häufigsten psychischen Erkrankungen. Sektorenübergreifende Behandlungsstrukturen und zeitnahe Therapiemöglichkeiten sollen eine Chronifizierung psychischer Erkrankungen und die Notwendigkeit einer stationären Aufnahme verhindern.

 

Eingreifen, bevor jemand ernsthaft erkrankt - Prävention und Früherkennung

Der enge Zusammenhang von verzögertem Behandlungsbeginn und negativem Krankheitsverlauf zeigt sich besonders in der Behandlung von Essstörungen wie Magersucht und Bulimie. In Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung und dem Suchtpräventionszentrum möchten die psychenet - Beteiligten durch Präventionsarbeit in Schulen vorbeugend auf Kinder und Jugendliche einwirken. Auch zu den Themen "Alkohol" und "Psychosen" im Jugend- und jungen Erwachsenenalter werden Früherkennungsnetzwerke entwickelt und integrierte Versorgungsmodelle etabliert, um den Betroffenen zukünftig schneller helfen zu können. Depressionen sowie somatoforme und funktionelle Störungen - also körperliche Beschwerden, die keine somatische Ursache haben - werden in Zukunft intensitätsgestuft behandelt, das heißt je nach Ausprägung der Erkrankung therapiert.

 

Ausgezeichnetes Gewinnerprojekt

Das Hamburger Projekt psychenet - Hamburger Netz psychische Gesundheit gehörte 2010 zu den Gewinnerprojekten des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten Wettbewerbes "Gesundheitsregion der Zukunft". Der psychenet-Kinospot "Bipolare Störungen" wurde im April 2013 mit dem "Preis für kreative Healthcare Kommunikation" ausgezeichnet.Während der Projektlaufzeit (2012 - 2014) arbeiten verschiedene Arbeitsgruppen an der Errichtung von nachhaltigen Versorgungsstrukturen und deren Etablierung als Gesundheitsdienstleistungen in der Region. Von Seiten des Hamburger Uniklinikums sind die Institute und Polikliniken für Medizinische Psychologie, Psychosomatik & Psychotherapie sowie die Klinik für Psychiatrie & Psychotherapie und das Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Projekt "psychenet" beteiligt.

 

Werbung von Psychenet- Foto: Psychenet

 

 

 

Über psychenet „psychenet – Hamburger Netz psychische Gesundheit“ ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von 2011 bis 2014 gefördertes Verbundprojekt, mit dem die Stadt Hamburg 2010 den Titel „Gesundheitsregion der Zukunft“ erhalten hat. Ziel des Projektes ist es, heute und in Zukunft psychische Gesundheit zu fördern, psychische Erkrankungen früh zu erkennen und nachhaltig zu behandeln. Die Koordination des Verbundes übernimmt die Gesundheitswirtschaft Hamburg GmbH gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Weitere Informationen sowie eine Liste aller Projektpartner unter www.psychenet.de. Projektleitung Organisation: Dr. Bernd Hillebrandt | Gesundheitswirtschaft Hamburg GmbH | Adolphsplatz 1 | 20457 Hamburg | Telefon: 040 - 36138 – 9400 | Fax: 040 -36138 - 9409 | E-Mail: bernd.hillebrandt@gwhh.de | Andreas Brandes | Gesundheitswirtschaft Hamburg GmbH | Adolphsplatz 1 | 20457 Hamburg | Telefon: 040-36138-9400 | Fax: 040-36138-9409 | E-Mail: andreas.brandes@gwhh.de | Projektleitung Wissenschaft: Prof. Dr. Dr. Martin Härter | Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie | Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf | Martinistr. 52 | 20246 Hamburg | Tel.: 040-7410-52978| Fax: 040 -7410-58170 | E-Mail: m.haerter@uke.de | Prof. Dr. med. Martin Lambert | Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie | Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf | Martinistr. 52 | 20246 Hamburg | Telefon: 040-7410-24041 | Fax: 040-7410-55455 | E-Mail: lambert@uke.de 

 

 

Schlagworte

Mehr zum Thema

Artikel: 100 Tage Lernen, Kreuzen, Hoffen – alles für Bismarck und Lepra?

Info: via medici an der Uni Hamburg

Artikel: Psychische Belastungen im Medizinstudium