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  • Bericht
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  • My-Lan Kha
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  • 09.02.2017

Famulatur im Queen Mary Hospital in Hong Kong

Im Herbst 2015 habe ich eine 6-wöchige Famulatur in der Gynäkologie und Geburtshilfe im Queen Mary Hospital (QMH) in Hong Kong absolviert. Es war das erste Mal für mich alleine im Ausland zu sein. Trotz mulmigem Gefühl zu Beginn, habe ich die Zeit sehr genossen. Ich habe nicht nur viel Fachliches aus dieser Zeit mitgenommen, sondern auch viel über mich selbst gelernt.

Meine Motivation bestand hauptsächlich darin, ein neues Land und eine neue Kultur zu entdecken. Ich war noch nie zuvor in Hong Kong gewesen. Die Auslandsfamulatur habe ich als Chance angesehen, ein anderes Gesundheitssystem und die Arbeitsweise von Ärzten in Asien kennenzulernen. Ich habe mir Hong Kong ausgesucht, weil auf Englisch gelehrt wird und das medizinische System den deutschen Standards in nichts nachsteht.

 

Bewerbung

Bei meinen Recherchen über Auslandsfamulaturen war die Online-Datenbank „The Electives Network“ sehr hilfreich. Auf der Webseite sind zahlreiche Erfahrungsberichte über Famulaturen und PJ-Tertiale rund um die Welt zu finden. Auf Grundlage der Erfahrungen von anderen Medizinstudenten habe ich mir die University of Hong Kong/Queen Mary Hospital (QMH) ausgesucht.

Die Bewerbung an die University of Hong Kong für eine Famulatur (elective attachement) muss mindestens ein Jahr im Voraus erfolgen. Das Formular dazu ist auf der Homepage der HKU zu finden. Es wird kein Lebenslauf oder Motivationsschreiben verlangt. Lediglich ein Passfoto und ein Empfehlungsschreiben vom Dekan, sowie ein Scheck über 800 HKD = ca. 95 € für die Bearbeitungsgebühr müssen an die Universität geschickt werden. In einigen Fachbereichen ist ein „elective“ nicht möglich oder auch nur für einen bestimmten Zeitraum erlaubt. Informationen dazu sind auf der Homepage der HKU zu finden. Eine vorläufige Zusage habe ich nach ca. vier Monaten erhalten. Danach mussten Versicherungsnachweise eingereicht werden (Berufshaftpflichtversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, etc.). Diesbezüglich habe ich mich bei der Ärztefinanz beraten lassen. Einige Wochen nachdem ich diese Unterlagen versandt hatte, kam auch die schriftliche Zusage mit der Post.

 

Reisevorbereitungen (Visum, Impfungen)

Als Student benötigt man ein Studentenvisum, um im Krankenhaus arbeiten zu dürfen. Bei meiner Ankunft wurde dies auch kontrolliert. Für die Visum-Bewerbung gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann sich entweder eine Bestätigung, dass man elective student ist, vom „Office of Student Affairs (CEDARS)“ besorgen und schickt diese samt allen anderen erforderlichen Formulare an die chinesische Botschaft oder man lässt das „Office of Student Affairs“ die ganze Korrespondenz mit der Botschaft für ca. 85 € übernehmen. Die Bearbeitungszeit beträgt ca. vier bis sechs Wochen. Mit diesem Studentenvisum kann beliebig oft ein- und ausgereist werden (Re-Entry-Visum). Dieses Visum gilt jedoch nicht für das chinesische Festland.

Für Hong Kong sind keine besonderen Impfungen notwendig. Die in Deutschland üblichen Impfungen reichen aus. Eine Hepatitis A Impfung wird vom Auswärtigen Amt empfohlen.

 

Stipendium

Meine Famulatur in Hong Kong wurde finanziell durch das PROMOS Stipendium unterstützt. PROMOS ist ein Mobilitätsprogramm des DAAD und wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Es bietet Studierenden die Chance auf einen Auslandsaufenthalt, deren Vorhaben oder Zielort nicht zu den DAAD- oder ERASMUS-Programmen passt. Die Höhe der Stipendienrate (+ Reisekostenpauschale) richtet sich an den üblichen DAAD-Sätzen.

 

Unterkunft

Die University of Hong Kong stellt den „elective students“ eine Unterkunft in einem ihrer Studentenwohnheime zur Verfügung. Preise variieren je nach Zimmerausstattung. Im Bewerbungsformular muss angegeben werden, ob man an einem Zimmer im Studentenwohnheim interessiert ist. Für mich wurde ursprünglich ein Zimmer im „Madam S. H. Ho Residence“ reserviert. Bei meiner Ankunft gab es jedoch einige Unklarheiten, sodass ich schließlich im Gästezimmer des „St. John's College“, das mit dem Bus fünf Minuten vom Krankenhaus entfernt ist, untergekommen bin. Das Gästezimmer im „St. John's College“ kostet normalerweise um die 700 € pro Monat. Da ich jedoch durch den Fehler der Universität dorthin ziehen musste, bekam ich einen Rabatt für die Unterkunft, sodass ich umgerechnet 400 € pro Monat gezahlt habe.

 

St. Johns College, die Studentenverbindung in diesem Hall ist sehr aktiv und man kann sich zu vielen gemeinsamen Ausflügen oder Sportaktivitäten anmelden. Alle Fotos von My-Lan Kha

Krankenhaus

Das Queen Mary Hospital gilt als das am besten ausgestattete Krankenhaus in Hong Kong und steht in Größe und Standard den deutschen Unikliniken in nichts nach. Das Ausbildungssystem in Hong Kong ist aus historischen Gründen dem britischen System sehr ähnlich. Die Arbeitskleidung besteht neben dem weißen Kittel bei männlichen Personal aus Hemd, Hose (keine Jeans!), Krawatte und bei weiblichen Personal aus einem Kostüm.

Ich habe sechs Wochen in der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe verbracht. In dieser Zeit durfte ich keine anderen Abteilungen sehen oder Bildungsangeboten anderer Fachrichtungen besuchen. Ich war im Kreissaal, auf der Allgemeinen Gynäkologischen Station, in der Gynäkologischen Ambulanz, sowie in der Gynäkologischen Onkologie tätig. In Hong Kong befasst sich die Gynäkologische Onkologie entgegen meinen Erwartungen nicht mit Brustkrebs. Diese Krebsentität wird nämlich von der Allgemeinchirurgie behandelt.

Die Betreuung im QMH war sehr intensiv. Während den sechs Wochen war ich einem Arzt zugeteilt. Er sorgte dafür, dass ich die Gesamtheit der Gynäkologie im QMH erleben konnte. Fast alle meine Arbeitstage waren mit seinen identisch, sodass er immer präsent war, für den Fall, dass ich Fragen hatte. Auch war er in den meisten Tutorien oder Vorlesungen anwesend, um mir bei meinen sprachlichen Schwierigkeiten zu helfen. Es gab aber auch Zeiten, in denen es nichts zu machen oder sehen gab, die Ärzte ihren „Papierkram“ erledigten und ich meine Zeit in der Ambulanz absitzen musste. Mein Betreuer war aber stets bemüht, meinen Aufenthalt im QMH so aufregend und spannend wie möglich zu gestalten.

Die medizinische Ausbildung ist nicht wie erwartet Praxisorientiert, auch wenn es offiziell behauptet wird. Die Medizinstudenten müssen Unterschriften von Ärzten sammeln, die bestätigen, dass der jeweilige Student z.B. bei einer vaginalen Geburt oder im OP assistiert hat. Die Ärzte unterschreiben auch, wenn die Studenten diese Tätigkeiten nicht ausgeübt haben. In der Regel schauen die Studenten nur zu und erhalten ihre Unterschrift. Als „elective student“ besitzt man eine Art Sonderstellung. Im Vergleich zu den „local students“, dürfen „electives“ öfter Blut abnehmen, Zugänge legen etc. Aber auch hier, wie in Deutschland, ist Eigeninitiative gefragt. Die Ärzte bieten von sich aus nichts in dieser Hinsicht an. Man muss selber danach fragen!

Während meiner Zeit im QMH habe ich viele vaginale Entbindungen (einige auch Vakuum-assistiert) und Kaiserschnitte gesehen. Manchmal durfte ich auch aktiv bei vaginalen Entbindungen mithelfen (z.B. Dammschnitte durchführen). Im OP blieb ich jedoch komplett passiv. Es gab sehr viele spannende Operationen zu sehen z.B. eine Myomektomie oder eine Da Vinci-assistierte Operation bei Zervixkarzinom, was für mich das Highlight meiner Famulatur darstellte.In der Ambulanz war mir erlaubt gewesen, Blut abzunehmen oder Ultraschalluntersuchungen an Schwangeren durchzuführen.

Offiziell soll die Lehre (Tutorials, Lectures) auf Englisch ablaufen, vor Ort musste ich jedoch feststellen, dass meist auf Kantonesisch gelehrt wird. Wer sich in dieser Sprache nicht auskennt, wird Probleme haben. Es gibt aber auch den einen oder anderen Arzt, der für die ausländischen Studenten übersetzt.
Ich hatte gehofft, in Hong Kong zusätzlich zu der westlichen Medizin auch etwas über die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) lernen zu können. Da Hong Kong jedoch stark auf westlichen Standards fokussiert ist, gab es für mich nicht die Möglichkeit Moxibustion o.ä. im QMH zu sehen. Patienten, die solche Verfahren bevorzugten, wurden in ein Krankenhaus für TCM überwiesen. Meine Famulatur deckte leider dieses Krankenhaus für TCM nicht ab, obwohl es Teil der Universität ist, sodass ich keine Erlaubnis hatte, einen Einblick dort zu erhalten.

 

Leben und Sprache

In Hong Kong zu leben ist nicht besonders günstig, außer man geht jeden Tag in der Mensa essen oder sucht sich kleine chinesische Lokale aus, in denen ein warmes Gericht schon für ca. zwei Euro zu haben ist. Fast-Food-Ketten wie McDonalds oder KFC sind günstiger als in Deutschland. In den großen Einkaufszentren zahlt man um die sechs bis sieben Euro pro Gericht. Im St. John's College gab es leider keine Möglichkeit zu kochen.

Es ist zu empfehlen sich eine Octopuscard am Flughafen zu besorgen, auf die man regelmäßig Geld aufladen kann und mit der man im alltäglichen Leben bezahlen kann, z.B. für die Busfahrt. In Bussen gibt es kein Wechselgeld und die Fahrten kosten je nach Strecke 30 Cent bis einen Euro.

Die Amtssprachen in Hong Kong sind Kantonesisch und Englisch. Traditionelle chinesische Schriftzeichen finden dort noch ihre Anwendung. Die gebildete Bevölkerungsschicht in Hong Kong spricht sehr gutes Englisch. Im Alltag hingegen ist es jedoch schwierig nur mit Englisch zurecht zu kommen. Busfahrer, Taxifahrer, Verkäufer, etc. sprechen meist nur Kantonesisch. Ich habe schon einige Vorkenntnisse in der kantonesischen Sprache und habe auch einen Chinesisch Kurs belegt, um mich mit der chinesischen Schrift vertraut zu machen. Darum fiel mir die alltägliche Konversation auf Kantonesisch nicht so schwer. Im Krankenhaus reichten meine Sprachkenntnisse aber nicht aus. Ich hatte große Schwierigkeiten mit den medizinischen Termini und die Patientenanamnese fiel mir schwer. Die Patientenakten sind auf Englisch oder zweisprachig. Besprechungen und Visiten werden auf Kantonesisch abgehalten. Manchmal übersetzen die Ärzte auch auf Englisch, damit man den Gesprächen folgen kann.

In Hong Kong gibt es neben Shopping Malls und Einkaufsstraßen, auch buddhistische Tempel und Strände, die einen Besuch wert sind. Lohnenswert sind auch Tagesausflüge mit der Fähre zu den umliegenden Inseln wie z.B. Lantau Island, auf der sich die berühmte riesige Buddha-Statue befindet oder Lamma Island, das viele Hiking-Fans anzieht. Die ehemalige portugiesische Kolonie Macau ist ebenfalls mit der Fähre zu erreichen und bietet nicht nur Casinos und Co, sondern auch gutes Essen und historische Sehenswürdigkeiten.

Beim Kloster Po Lin auf Lantau Island befindet sich der „Big Buddha“.

Mid-Autumn-Festival in Macau

Fazit

In Hong Kong habe ich mir oft die Frage gestellt, wie am besten mit Patienten umgegangen werden soll. Es gab durchaus einige Fälle, in denen Ärzte ihre Patientinnen aufgrund ihrer Entscheidungen massiv verurteilt haben, weil sie ihren moralischen Vorstellungen nicht entsprachen. Zum Beispiel bezüglich des Themas Abtreibung. Mein Betreuer gab mir den Eindruck, dass im QMH auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht viel wert gelegt wird. Ich habe Patientinnen erlebt, die eine Abtreibung wünschten, der Arzt dennoch ablehnte und auf die Patientin einredete und versuchte sie zu überzeugen, das Kind auszutragen. Ein solches Verhalten vom Arzt sehe ich als kritisch an.

Zudem habe ich in Hong Kong bemerkt, was mir im Arztberuf wirklich wichtig ist – nämlich die Patient-Arzt-Interaktion. In Hong Kong steht Effizienz an erster Stelle, ich hatte das Gefühl, dass die Patienten wie auf dem Fließband einer nach dem anderen behandelt bzw. abgearbeitet wurde. Jeder Patient hatte ungefähr 2-3 Minuten mit seinem Arzt. Da fehlte mir häufig die Menschlichkeit.

Letztendlich hat sich die Auslandsfamulatur für mich wirklich gelohnt. Ich habe ein anderes Gesundheitssystem und die Krankenhausarbeit in einer anderen Kultur kennenlernen dürfen. Eine Famulatur im QMH würde ich nur denjenigen empfehlen, die nicht so viel darauf setzen, praktische Fertigkeiten zu erlernen. Laut den „local students“ sollte man dann eher in die kleinen Städtischen Krankenhäuser in Hong Kong gehen, wenn man mehr als nur Blut abnehmen möchte. Außerdem halte ich es für wenig sinnvoll in Hong Kong zu famulieren, wenn man überhaupt keine Kantonesisch Kenntnisse mitbringt. Es ist zwar möglich, aber man nimmt dann nicht so viel mit.

Auf jeden Fall kann ich es jedem wärmstens empfehlen, sich während des Studiums ins Ausland zu begeben, um einzigartige Erfahrungen zu sammeln, sich selbst neu zu entdecken und persönlich weiterzuentwickeln. Ich erinnere mich noch, wie ängstlich und unsicher ich am ersten Tag aufgetreten bin. Aber mit der Zeit habe ich meine Hemmungen fremde Leute anzusprechen immer mehr verloren und nun trete ich offener und selbstbewusster auf. Ich bin geduldiger geworden und bin nicht so schnell entmutigt, wenn nicht alles auf Anhieb klappt.

 

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