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  • Bericht
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  • Anne Latz
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  • 14.10.2014

Eine Geburt ist keine Krankheit – Famulatur in der Geburtshilfe in München

Bei einer Geburt dabei sein zu können, ist für jeden Medizinstudent ein Highlight. Lokalredakteurin Anne famulierte in der Geburtshilfe und durfte das besondere Ereignis gleich mehrmals live miterleben.

 

Baby - Foto: Kitty/Fotolia

Für Medizinstudenten ist es ein tolles Erlebnis, bei einer Geburt dabei zu sein. Foto: Kitty/Fotolia

 

 

„Eine Geburt ist keine Krankheit“ – dieser Satz ist mir aus der Lehre der Vorklinik als Anekdote des in Düsseldorf gut bekannten Anatomie-Professors in Erinnerung geblieben. Damals sorgte er für allgemeine Erheiterung. Nach meiner Famulatur in der Geburtshilfe bekam er für mich aber nun noch eine andere Bedeutung bzw. Tragweite. Denn erst jetzt realisierte ich, dass diese Aussage – im Idealfall – wahr ist und ein Hinweis auf die Faszination einer Geburt ist.

Mit Idealfall meine ich eine „normale“, natürliche, spontane Geburt – ohne größere Verletzungen, Komplikationen und Ängste um das Wohl von Mutter und Kind. Ich hatte Glück, dass ich direkt an meinem ersten Arbeitstag drei solcher Fälle beiwohnen durfte. Drei Frauen brachten ihre Kinder im Kreissaal zur Welt – natürlich mit der normalen Aufregung und Schmerzen verbunden. Aber rundum betrachtet war es für alle beteiligten ein schönes Erlebnis. Sobald das kleine neue Wesen das Licht der Welt erblickte und anfing zu schreien, ging eine erleichterte Zufriedenheit durch den Raum. Die Hebamme, Ärztinnen und ich als Famulantin waren ebenso glücklich wie die frischgebackene Mama und der zugehörige Papa.

 

Komplikationen inklusive

Dieser Tag war vermutlich der perfekte Start in die Welt rund um Kreissaal & Co. Denn natürlich waren nicht alle Erlebnisse so komplikationslos, bereichernd und motivierend. In den folgenden Wochen in der Frauenklinik des Rotkreuzklinikums bekam ich diverse Einblicke in die Welt des Kinderkriegens, der Monate davor, der möglichen Komplikationen und Ängste und sah, dass es leider nicht immer so rund läuft.

Die Klinik in der Taxisstraße zählt zu den Kliniken mit den meisten Geburten in Deutschland. Dort wird alles getan, um das Wohl von Mama und Baby zu fördern und individuelle Lösungen zu finden und Voraussetzungen zu schaffen. Dass dies nicht immer einfach ist und ein Zusammenspiel von Erfahrung und Souveränität der beteiligten Ärzte und Hebammen sowie der Konstitution der Mutter ist, wurde mir mehr als bewusst. Für ein wenig Erheiterung sorgte das sehr vielfältige Verhalten der Väter. Manche waren sehr routiniert-unterstützend, andere höchst überfordert von der Situation und saßen im „Papa-Sessel“ in der Ecke, andere zückten die Kamera und griffen zur Nervennahrung. Auch hier zeigt sich, dass nur eine maßgenschneiderte Lösung ideal sein kann.

 

Mütter wie Löwinnen

Dennoch war für mich das persönliche Erleben des Menschseins und –werdens bisher die bereicherndste Erfahrungen im bisherigen Studienverlauf. Im Kontext von Krankenhäusern ist man das Vorhandensein von Leid und Krankheit gewohnt – man erwartet dieses sogar. Schöne Momente gehen einher mit erfolgreichen Operationen, Besserung in der Verfassung der Patienten. Dem Heilen von Wunden, dem Lindern von Schmerzen. Eine Geburt eröffnet noch einmal eine ganz neue Komponente – sie ist eine der natürlichsten Sachen der Welt und gleichzeitig unglaublich faszinierend. Die Mütter sind in diesen Momenten so stark, wie ich es mir vorher nie vorstellen konnte. Dies äußerte sich auf verschiedenste Art und Weise – ebenso wie das Verhalten der Väter in diesen Situationen. Alle Anwesenden fiebern auf das neue Menschenwesen hin und bei jedem einzelnen der beteiligten Ärzte konnte ich bei jeder Geburt erneut diese Freude erkennen, wenn der Winzling wohlbehalten zur Welt gebracht wurde. Selbst die eher unschöne Atmosphäre eines Kaiserschnitts gewann so eine freudige Komponente.

Eine meiner entscheidenden Erkenntnisse zum Fachgebiet der Geburtshilfe kam von einer wunderbaren Oberärztin, die sowohl mit den jungen Ärzten, als auch mit den werdenden Eltern und den Babys ungeheuer menschlich und gleichzeitig professionell und beruhigend agierte. Sie sagte, nachdem ich ihr meine Begeisterung über das Fachgebiet mitteilte, dass ich beachten müsse, dass man die Ärzte eigentlich nur brauche, wenn nicht alles glatt läuft. Denn eigentlich ist eine Geburt natürlich und erfordert die Anwesenheit von Ärzten nur zur Sicherheit. Diese wird bei den heutigen Geburten groß geschrieben – jedes Risiko wird vermieden. Dank der modernen Möglichkeiten weiß man genauestens Bescheid über Größe, Geschlecht, Blutversorgung, Fruchtwassermenge – alles Parameter, die Hinweise auf die Konstitution des Kindes sein können. Und die genauestens überprüft werden.
Die Famulatur zeigte mir auch, was im Notfall alles möglich ist – und wie gravierend es für alle beteiligten ist, wenn die Not-Sectio nicht erfolgreich ist, wenn es Mama, Kind oder sogar beiden gar nicht gut geht nach der Geburt. Mir wurde wiederum bewusst, warum sich die Geburt im Krankenhaus abspielen sollte und wie glücklich man sein kann, für jedes Kind, das als wundervolles Wesen zur Welt kommt.

Für mich ist die Famulatur eine großartige Motivation für das weiter Studium – denn so hautnah dabei zu sein beim Menschwerden ist sicher nicht allzu häufig möglich. Eine Krankheit ist eine Geburt ganz sicher nicht. Sondern einer der zauberhaftesten Momente, der einen zurückführt an den Beginn des Lebens, völlig ohne Vorbehalte und fremde Einflüsse.

Informationen über die Klinik in der Taxisstraße gibt es hier:

Rotkreuzklinikum München

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