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  • 06.11.2013

Einsatz für Frauen in Äthiopien - Interview mit Prof. Hampel

Gemeinsam mit der Vorsitzenden von Fistula e. V. Barbara Teltschik reiste Univ.-Prof. Dr. med. Christian Hampel von der Universitätsklinik Mainz im Spätsommer 2013 nach Addis Abeba, um am Fistula Hospital geburtsverletzten Frauen zu helfen und Ärzte weiterzubilden. Im Interview erzählt er, was er dort erlebte.

 

Präopertive Visite - Foto: Dr. Barbara Teltschik Fistula e. V.

Prof. Hampel (links) bei der präoperativen Visite - Foto: Dr. Barbara Teltschik Fistula e. V. 

 

>Professor Hampel, was war ihre Motivation, die Reise nach Addis Abeba zu unternehmen?

Die Frauen in Äthiopien sind durch ihre Erkrankung schwerst in Mitleidenschaft gezogen. Hier zu helfen, war und ist mir ein großes Anliegen. Ich habe bei meinem Besuch so viel Dankbarkeit erfahren. Die Frauen waren nach ihrer Behandlung so freundlich und lebensfroh, dass man auch die eigene Einstellung zum Leben neu ausrichtet. Auch die fachliche Weiterbildung der Kollegen vor Ort möchte ich fortführen, sobald es meine Verpflichtungen an der Universitätsklinik zulassen.

 

>Wie war die Zusammenarbeit mit den äthiopischen Ärzten vor Ort?

Ich bin sehr freundlich aufgenommen worden. Allerdings hat die Klinik dort in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Gastoperateuren gemacht. Beispielsweise wurde ein in Addis Abeba ansässiger Urologe aus Europa eingeladen, um einige Harnableitungen zu operieren. Bei drei von zehn Frauen sind nach den Operationen Komplikationen aufgetreten – mit tödlichem Ausgang. Zudem legen viele Gastoperateure ein kolonialistisches Verhalten an den Tag, was zu keiner partnerschaftlichen Zusammenarbeit führt. Ich habe jedoch nur gute Erfahrungen gemacht.

 

>Welchen Eindruck hatten Sie von der bisherigen Operationstechnik?

Schon bei der Durchsicht der Listen an vorhandenen Instrumenten und Fadenmaterialien ist mir aufgefallen, dass die Operationstechnik in der Vergangenheit völlig anders abgelaufen sein muss. Das Instrumentarium und die Fäden waren viel zu grob. Es konnte eigentlich gar nicht funktionieren. Deswegen habe ich die nötigsten Spezialinstrumente und vor allem das Fadenmaterial mit nach Äthiopien gebracht. Aus Spendenmitteln werden die Instrumente nun für die Klinik angeschafft.

 

>Um welche Operationen ging es konkret?

Insgesamt haben wir acht Patientinnen im Alter zwischen 17 und 37 Jahren behandelt, denen mit einer Fisteloperation nicht geholfen werden konnte. Der Gewebsverlust bei der langen Geburt ist hier so groß, dass durch den Druck des kindlichen Kopfes auf das Becken ein Ring aus der Blase ausgestanzt wird. Das Erreichen der Kontinenz ist in diesem Fall nicht mehr möglich. Auch die Harnleitereinmündungsstellen sind in diesem Narbenrand gefangen und die Nieren fließen nicht mehr gut nach unten ab, da der Austritt der Harnleiter in den Fistelkanal durch die Narbe verengt ist. Die Frauen haben sehr oft einseitig, manchmal auch beidseitig Harnstauungsnieren. Wenn man nun versucht, diese Fisteln zu verschließen, kann dies die Harnstauung noch verschlimmern. Auf Grund der mangelnden Ultraschallkontrolle kann dies fatale Folgen haben. Eine beidseitige Harnstauungsniere kann zu Niereninsuffizienz und zum Tode führen.  

 

>Welchen charakteristischen Fall können Sie beschreiben?

Eine 32-jährige Patientin hatte zuvor eine schwerwiegende Fistel-Operation, die leider nicht erfolgreich war. Zusätzlich sind Narbenbrüche aufgetreten. Darüber hinaus hatte sie auf einer Seite eine Nierenstauung, was relativ häufig vorkommt. Auch bei Patientinnen, die noch nicht operiert sind. Die Patientin wurde mit einem sogenannten Ileum-Conduit behandelt. Bei der Harnableitungs-Operation wird ein kurzes Dünndarmsegment ausgeschaltet, in das beide Harnleiter eingeleitet werden und das an der Haut fixiert wird. Der Urin fließt in einen Beutel, der auf die Haut geklebt wird, ab.

 

>Gibt es einen zweiten Fall, über den Sie berichten möchten?

Wir haben eine 27-jährige Frau operiert, die auf Grund von fehlenden Nachkontrollen bei einer vorangegangenen OP eine beidseitige Harnstauungsniere hatte. Sie hat eine Harnleiter-Implantation in den Darm bekommen. Die Methode ist Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Für die Patientin war es schwierig, den durch Harn verdünnten Stuhl über einen längeren Zeitraum zu halten. Gerade in der Nacht ist das ein Problem. Wir konnten sie mit dem Sigma-Rektum-Pouch oder auch Mainz-II-Pouch behandeln, den wir in Mainz entwickelt haben. Durch das Aneinanderlegen von Dickdarmschlingen stellen wir eine Aussackung im Darm her. Dadurch wird verhindert, dass sich der Darm in dieser Aussackung weiterhin zusammenzieht. Zum anderen wird ein Reservoir geschaffen, was dem Patienten eine längere Haltezeit ermöglicht.

 

>Welchen Eindruck haben Sie vom Lebenswerk von Dr. Catherine Hamlin bekommen?

Es ist wirklich zu bewundern, was sie aufgebaut hat. Sie ist die gute Seele des Fistula Hospitals, die den Aufbau selbstlos vorangebracht hat. Es ist ein fantastisches Lebenswerk. Das Hospital funktioniert sehr gut. Es gibt mittlerweile auch andere Fistelhospitäler in Äthiopien, das Hamlin Hospital hat nach wie vor die besten Erfolgsergebnisse und die am besten ausgebildeten Ärzte. Das Krankenhaus ist sehr gut geführt. Viele Patientinnen bleiben an der Klinik, insbesondere wenn sie durch Harnableitungen auf den Zugang zu Urinbeuteln angewiesen sind. Dadurch gibt es einen großen Pool an Hauswirtschaftshilfen, die für Versorgung und Sauberkeit sorgen. Das Lebensmotto von Dr. Hamlin ist: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“. Wenn man Frauen in Äthiopien helfen kann, die von ihren Ehemännern verstoßen wurden, motiviert das enorm. Ich freue mich sehr, zu ihrem Lebenswerk ein Stück weit beitragen zu können.

 

Weitere Infos zu Fistula e.V. und die Arbeit der Mediziner in Äthiopien gibt's hier

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