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  • Sven Jungmann
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  • 27.07.2015

E-Health: Warum und wie wir die Medizin revolutionieren können

Bei dem Wort Forschung denkt jeder an die mühsame Arbeit mit Petrischale, Pipette und Sterilbank. Das Thema E-Health hat dabei kaum einer auf dem Schirm. Doch in neuen Computerprogrammen liegt die Zukunft der Medizin.

 

Computer- Foto: Getty Images/Wavebreakmedia

Foto: Getty Images/Wavebreakmedia

 

Ach war das nicht eine tolle Zeit, das 19. Jahrhundert. Damals gab es noch reichlich tief hängende Früchte und man konnte revolutionäre Entdeckungen ohne Ende machen: Morton’s Äther, Jenner’s Pockenimpfung, Fleming’s Penizillin.
Heute sind die Forschungsthemen so eng fokussiert, dass man sich gelegentlich fragt, ob die Forschung in erster Linie nur noch dem Erwerb von Titeln oder Impact Factors dient. Die Forscherteams sind so groß geworden, dass der eigene Beitrag nichtig erscheint. Und es werden Milliarden in Forschungsprojekte investiert, die häufig nur einen marginalen Mehrwert bringen.

Als Medizinstudent fragt man sich zu Recht: Wenn der gesellschaftliche Nutzen durch die eigene Forschungsleistung nicht mehr erkennbar ist, warum sollte man dann für Mindestlöhne (wenn man überhaupt Geld bekommt) seine ohnehin knappe Freizeit für die Forschung opfern?

Weil wir digital natives sind! Und die Zukunft der Forschung nicht nur von Petrischalen, sondern vor allem auch von ausgeklügelten Computerprogrammen abhängt! Computer werden die Medizin wahrscheinlich noch tiefgreifender verändern als alles, was die Menschheit zuvor erlebt hat. Und das Beste: Wir stehen noch am Anfang dieses Kapitels der Menschheitsgeschichte. Seit 1450 ist nichts mehr passiert, das der Buchpresse so nahe kommt wie das Internet.
Erfindergeist ist somit wieder mehr denn je gefragt – nicht (nur) an der Bench, sondern vor allem im Bereich IT. Denn je besser wir in Zukunft mit Computern interagieren können, desto höher unser Marktwert. Laut IBM müsste ein menschlicher Arzt 160 Stunden pro Woche mit Lesen verbringen, um sich mit der für ihn relevanten Literatur auf dem Laufenden zu halten. Computer können uns dabei helfen, diese Fülle an Daten aufzubereiten, damit wir unseren Patienten eine optimal personalisierte Behandlung anbieten können.

Viele Ärzte befürchten, dass Computer uns ersetzbar machen werden. Sicher wird das auch zu einem gewissen Grad passieren. Bereits vor 10 Jahren haben Wissenschaftler aus Wisconsin und Rio de Janeiro mit einem Computerprogramm neue Krebszeichen in Mammographien entdeckt, die zuvor für den Menschen nicht ersichtlich waren Und es ist gewiss nur eine Frage der Zeit, bis smarte Computerprogramme den Radiologen Konkurrenz machen werden.

Aber keine Angst, ganz so schnell werden wir Ärzte wohl nicht austauschbar sein, aus einem Grund, den ausgerechnet Picasso so wunderbar auf den Punkt gebracht hat: “Computer sind nutzlos, sie können dir nur Antworten geben.”

Der ideale Arzt der Zukunft wird wahrscheinlich mehr einem Cyborg gleichen, der als menschliche Schnittstelle zwischen Patient und Computer fungiert. Wir nutzen unsere Sinne, unsere Empathie und unsere Erfahrung, um die richtigen Fragen zu stellen – Computer liefern uns die Antworten, die wir dann umsetzen.

Für junge Mediziner heißt das: Wir müssen unseren Wissensvorsprung nutzen. Wir haben zwar noch nicht so viel medizinisches Wissen und klinische Erfahrung, aber wir können unseren erfahrenen Kollegen ein digitales ‘Skillset’ bieten, das uns vom ersten Arbeitstag an zu wertvollen Kollegen macht.

Selbst wenn ihr nicht vorhabt, das digitale Äquivalent des Penizillins zu erfinden, lohnt es sich, stets eure digitalen Kompetenzen weiter auszubauen. Wir sind es unseren Patienten schuldig, denn sie werden uns zunehmend um Rat zu Gesundheits-Apps fragen, so wie sie uns auch über Medikamente und Ernährung fragen. Und wir sind zunehmend auf Computer angewiesen, um die Flut an Informationen bewältigen zu können.


Wenn ihr zu Architekten der modernen Medizin werden möchtet, rennt ihr offene Türen ein. Ich kann euch das aus erster Hand sagen, denn ich habe erst kürzlich mit dem Leiter der eHealth and Wellbeing Unit der Europäischen Kommission einen Bericht veröffentlicht, wie Europa Mediziner wie euch stärker fördern kann. Wer von euch also noch eine bedeutungsvolle Mission für sein Leben sucht: die eHealth Welt sucht noch begabte Pioniere. Sven Jungmann (@s_jungmann).

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