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  • Stefanie Krick
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  • 11.02.2008

Doktorarbeit in den USA

Als ich im Herbst 1996 mit dem Medizinstudium in Giessen begann, war es schon damals mein Wunsch, einen Aufenthalt in den USA damit zu verbinden, um dort das Gesundheitssystem kennen zu lernen. Während meiner Schulzeit verbrachte ich nämlich vier Wochen als Austauschstudent in den USA und von da an war mein Interesse geweckt. Ich hatte schon davor gehört, auch aus Famulaturberichten in der Via Medici, dass in den USA die medizinische Ausbildung wesentlich studentenorientierter ist und nicht das Krankheitsbild mit Symptomen im Vordergrund steht, sondern der Patient. So suchte ich also nach Mitteln, die mir ein Auslandsstudium ermöglichen könnten.

Foto: Corel Stock

Aller Anfang ist schwer

Ich dachte an den DAAD, der mir allerdings bei einer Semesterfinanzierung in den USA leider nicht weiterhelfen konnte. Die Erasmusprogramme galten alle nur für Europa, sogar mit England, versicherte mir der beauftragte Professor an unserer Uni, würde es immer schwieriger, einen Austausch zustande zu bringen. So hatte ich meine Hoffnung schon fast aufgegeben und mich mit "nur" einer Famulatur in den USA abgefunden, als ich im Internet über Stipendien von Rotary Clubs las, die Studienaufenthalte in dem Land Deiner Wahl für ein Studienjahr unterstützten. Ich erinnerte mich, dass ein Bekannter Mitglied in einem Rotary Club war, und so fragte ich diesen ganz einfach, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssten, um solch ein Stipendium zu bekommen und wie der Bewerbungsablauf vonstatten laufe. Er leitete mich dann weiter an den Zuständigen in seinem Club, der mir dann die Bewerbungsunterlagen zuschickte.

 

Umfangreiche Bewerbungsunterlagen

Ich war erst einmal geschockt. Man verlangte von mir einen Lebenslauf sowie mehrere Aufsätze über meine Schwächen und Stärken, Lebensziele und Zukunftsvisionen und Begründung für meinen Wunsch, ins Ausland zu gehen. Diese Aufsätze waren sowohl in deutsch als auch in der Sprache des zukünftigen Studienlandes zu verfassen. Weiterhin musste ich fünf Universitäten angeben, welche ich für Studienzwecke auswählte, wobei ich nur zwei in einem Land angeben konnte. Aus diesem Grund gab ich also auch englische und kanadische Universitäten an, obwohl mein Traumziel natürlich immer noch die USA waren. Leider war es nicht das Schlimmste, all diese Aufsätze zu schreiben; ich hatte ebenfalls Empfehlungsschreiben von Professoren und ehemaligen Englischlehrern einzuholen und diese sowohl in deutsch als auch in englisch abzugeben, ganz zu schweigen von Geburtsurkunde, Arztattesten und anderen formellen Dingen.

Weil ich ins englischsprachige Ausland ging, verlangte Rotary ebenso den TOEFL als Nachweis, dessen Ergebnis aber auch noch später eingereicht werden konnte. So versendete ich die Bewerbungsunterlagen im Frühjahr 1998, als ich im vierten Fachsemester Medizin war und kurz vor meinem Physikum stand, für ein Auslandsjahr 1999/2000. Es war einfach nur stressig, da ich auch viel Zeit für Physikumsvorbereitungen einkalkulieren musste. Außerdem stand mir noch die letzte Hürde eines Auswahlgesprächs bevor, da schließlich alle Kandidaten eingeladen werden aus dem entsprechenden Bundesland, in dem der Partnerclub ansässig ist. Erst dann wird die entscheidende Anzahl an endgültigen Kandidaten ausgewählt. Die Anzahl richtet sich im übrigen nach dem Budget von der Rotary Foundation, der weltweiten Dachorganisation dieses Austauschprogramms mit Sitz in Evanston, USA.

 

Tückische Hindernisse

Wie der Zufall es wollte, lag der Termin dieses Auswahlgesprächs, was in Dortmund in der Vorstandsetage der Signal Versicherungen abgehalten wurde, genau am gleichen Tag wie mein mündliches Physikum. Ich war am Boden zerstört! Die ganze Mühe also umsonst! Aber hier muss ich nun wirklich ein Lob an das Prüfungsamt in Frankfurt aussprechen, die es tatsächlich schafften, meinen Physikumstermin vorzuverlegen. Im Auswahlgespräch zwei Tage später wurden von den 15 Kandidaten drei ausgewählt. Das Auswahlgremium setzte sich aus Rotariern zusammen. Ich hatte das große Glück unter den Auserwählten zu sein. Ich dachte, nun sei es geschafft! Du kannst Deinen Traum, in die USA zu gehen, verwirklichen. Aber da hatte ich nicht genau kalkuliert, denn erst jetzt begann der richtige Stress.

 

Botschafter des guten Willens

Rotary International schickt nämlich seine Kandidaten als Botschafter des Guten Willens zum Zeichen der Völkerverständigung in das Ausland. Das heißt, dass man sich selbst um eine Annahme an einer Universität bemühen muss. Erst anschließend besorgt Rotary einen dort ansässigen Partnerclub, in welchem man einen Vertrauten, einen sogenannten Host Counsellor, zugeteilt bekommt. Dieser Koordinator soll dem Stipendiaten unterstützend zur Seite stehen, um die botschafterischen Aufgaben, die aus Vorträgen und Repräsentationspflichten in verschiedenen Clubs bestehen, gewissenhaft erfüllen zu können.

Voller Initiative und Optimismus bewarb ich mich also im Herbst 1998 bei amerikanischen Unis für das Studienjahr 1999/2000, um dann nach meinem Ersten Staatsexamen im Sommer 1999 dort ins Dritte Jahr der Medical School einzusteigen. In den USA besteht das dritte Jahr aus Pflicht-"Rotations", was bei uns mit einem Jahr bestehend aus Famulaturen vergleichbar wäre. Dr. Snipes, der Erasmus-Beauftragte an meiner Uni in Giessen, stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Er meinte, dass der Einstieg dort im dritten Jahr einfach optimal wäre und mir persönlich eine gute Basis im Kontakt und der Untersuchung von Patienten bringen würde.

 

Schwierige Suche nach einer Uni

Da Rotary die Studiengebühren wie auch eine monatliche Summe für den Lebensunterhalt zahlen würde, sah auch er kein Problem in meiner Annahme an einer Uni. Leider war dies weit gefehlt! Da wir hier in Deutschland keine wissenschaftliche Grundausbildung an einem College haben, bekam ich von jeder Uni zurückgeschrieben, dass es nicht möglich wäre, ins dritte Jahr einzusteigen; zum einen wären die Plätze knapp und für die eigenen Studenten reserviert, zum anderen würden meine deutschen Vorkenntnisse in Anatomie, Physiologie usw. nicht anerkannt. Ich könnte allerdings ins erste Jahr der Medical School einsteigen, um also Anatomie, Biochemie und Co. wieder zu lernen. Das sah ich allerdings als Zeitverschwendung, da mir es ja im besonderen auf das Erlernen des Umgangs und der Untersuchung des Patienten ankam. Alle ca. 20 Bewerbungen kamen mit ähnlichem Wortlaut als Absagen zurück!

Ich war frustriert und enttäuscht. Aber so schnell wollte ich nicht aufgeben. Also wendete ich mich an ehemalige Stipendiaten von Rotary, die ebenfalls Medizin in den USA studiert hatten. Die Liste wurde mir von Rotary zugeschickt und schon zu Anfang wunderte mich, dass Medizin unterdurchschnittlich repräsentiert war im Vergleich zu Jura und BWL. Als ich dann bei einigen Ex-Stipendiaten anrief, erfuhr ich auch den Grund. Alle ehemaligen Medizinstudenten in den USA hatten mit dem gleichen Problem zu kämpfen; die älteren Stipendiaten hatten noch nicht diese harten Auflagen und jüngere kamen meist über Beziehungen an die begehrten Studienplätze heran. Schließlich sprach ich noch mit einer Mitstipendiatin, die nach Kanada gehen wollte und dabei die gleichen Probleme wie ich hatte. Mittlerweile war es schon Frühjahr 1999, und ich hatte immer noch keinen Studienplatz, meine Motivation war auf dem Nullpunkt und ich hatte meinen Traum schon fast aufgegeben. So konzentrierte ich mich also mehr auf mein Erstes Staatsexamen und versuchte ebenfalls, mich nach einer Doktorarbeit umzuschauen. Ich war ja nun im zweiten klinischen Semester und wollte nach dem Staatsexamen anfangen.

 

Neue Hoffnungen durch das Lungenforschungslabor

Ich wendete mich an die Lungenforschungsgruppe unter Prof. Seeger und Prof. Grimminger in Gießen von der Medizinischen Klinik und verbrachte meine Semesterferien im März 1999 in ihrem Labor, um zu schauen, ob es das Richtige für mich wäre. Die Forschungsarbeit hat mir viel Spaß gemacht. Über Prof. Seegers Labor erfuhr ich dann, dass es in den USA in Baltimore eine Forschungsgruppe gäbe, die an ähnlichen Themen forsche. Zu dieser Gruppe bestünde Kontakt. So erzählte ich Prof. Seeger und meinem Betreuer von meinem Stipendium, da ich auch in den Richtlinien der Stiftung von Rotary International gelesen hatte, dass das Stipendium ebenso als Forschungsstipendium seine Gültigkeit hatte. Musste ich also nun doch nicht meinen Traum aufgeben und konnte meine Doktorarbeit in den USA machen?

Die folgenden Wochen bestanden aus Hoffen und Bangen. Als die Zusage aus den USA von Dr. Jason X.-J. Yuan, der frisch von Baltimore nach San Diego an die UCSD gegangen war, ankam, da schwebte ich wie auf Wolken. Die ganze Mühe hatte sich im Endeffekt also doch gelohnt! Ich konnte in die USA gehen!

 

Jede Menge Organisation

Die folgenden Monate kümmerte ich mich dann um die offiziellen Dinge. Ich besorgte mir ein Visum für ein Jahr über das Council for International Educational Exchange e.V. (CIEE), die in Berlin ansässig sind. Die CIEE regelt die Formalitäten für Praktikumsaufenthalte in den USA inklusive Krankenversicherung, was dort sehr wichtig ist. Auch die Vorbereitungen für mein Erstes Staatsexamen waren somit nicht ganz stressfrei, da das Erledigen der Formalitäten nicht zu unterschätzen ist. Auch um eine Wohnung musste ich mich kümmern. Allerdings hatte ich hierbei große Hilfe von meinem Host Counsellor in San Diego. Die zuständige Rotarierin war sogar deutscher Herkunft und ehemalige Präsidentin des Rotary Clubs von La Jolla. Dazu muss man wissen, dass ganz San Diego 54 Rotary Clubs hat.

Sie organisierte mir eine Unterkunft direkt in La Jolla. Ich wohnte zur Untermiete bei einem Rotarier. Mein Zimmer hatte ein eigenes Badezimmer und einen separaten Eingang, Küchenbenutzung war inbegriffen. So hatte ich praktisch nicht nur eine Wohngelegenheit, sondern auch noch Familienanschluss: Ken Anderson, 79 Jahre alt, sich um mich kümmerte wie um eine Enkelin. Am 4. Oktober 1999 flog ich nun über Pittsburgh nach San Diego in mein großes Abenteuer. Das Ticket wurde ebenfalls von CIEE organisiert. Etwas mulmig war mir ja schon. Mein Host Counsellor holte mich dann vom Flughafen ab und fuhr mich zu Kens Haus, das in einer wunderschönen Gegend mit fünfminütiger Entfernung zum Strand lag. Am nächsten Morgen wurde ich gleich in meinen Paten-Rotary Club eingeführt und zwei Tage später lernte ich dann mein zukünftiges Labor kennen. Dr. Yuan war gerade dabei, das Labor zu etablieren, da er wie gesagt erst im Juni aus Baltimore gekommen war, und einige Postdocs wurden noch erwartet. Schließlich formten wir eine multikulturelle Arbeitsgruppe mit Forschern aus China, Thailand, der Ukraine, Irland, dem Iran und natürlich Deutschland. Amerikaner waren in der Minderheit und so kamen oft Gespräche zustande, die von Händen und Füssen unterstützt wurden.

 

Hervorragende Betreuung

Dr. Yuan war einfach ein wunderbarer Supervisor und zeigte mir persönlich neu zu erlernende Methoden, wobei er mir stets auch genügend Freiraum ließ zum selbstständigen Arbeiten. Damit ich ebenso im Verfassen von Papern geschult wurde, erwartete er von mir, am Ende von Versuchsreihen stets meine Ergebnisse selber zusammenzufassen und schließlich ganze Papers selber schreiben. Dies half mir sehr, mit der englischen Fachsprache familiär zu werden. Weiterhin war es eine Herausforderung für uns alle, dass so viele Kulturen aufeinander trafen und dass man lernt, die andere Mentalität besser zu verstehen. Man konnte unserem chinesischen Kollegen z.B. nicht einfach so die Meinung auf den Kopf zusagen, da dies als Gesichtverlust galt.

 

Ein Auto ist unentbehrlich

Wir hatten ebenso viel Spaß bei gemeinsamen Unternehmungen, wo uns dieser Chinese in die chinesische Esskultur einführte. In meiner Freizeit unternahm ich viel mit unserer Laborassistentin, die in meinem Alter war, und dort arbeitete, um nach dem College noch etwas Geld für die Medical School zu verdienen. Auch mit unserem irischen Postdoc Michele, 27 Jahre, machte ich gemeinsame Ausflüge. Die Stadt San Diego ist einfach wunderschön mit ihren Stränden, dem Zoo und den Naturschutzgebieten, um nur einiges zu erwähnen. Ein Problem ist allerdings der öffentliche Straßenverkehr dort, denn das Bus-und Bahnnetz ist schlecht ausgebaut. Somit ist ein Auto Pflicht. Dafür musste ich den amerikanischen Führerschein machen, denn in Kalifornien gilt der internationale Führerschein nicht, wenn man ein Auto kauft und dafür eine Versicherung abschließen will.

Neben der Forschung, die mir riesigen Spaß machte, wollte ich aber gerne auch etwas klinische Erfahrung bekommen. Da in unserem Labor auch "fellows" arbeiteten, bei uns vergleichbar mit Ärzten in der Facharztausbildung, fragte ich eine Kollegin, ob ich nicht einmal wöchentlich in der Kinderkardiologie mit in die Sprechstunde gehen könnte, um die Ärzte bei der Untersuchung der Kleinen zu beobachten. Dies war absolut kein Problem, und die zuständigen Ärzte waren einfach großartig. Sie behandelten mich wie einen amerikanischen Studenten im dritten Jahr und ließen mich auch einmal abhören und Diagnosen stellen.

Es war schade, dass ich nicht genügend Zeit hatte, mehr solche "clinics" zu besuchen. Ich hatte alles in allem eine großartige Zeit, die mich sowohl menschlich als auch geistig vorangebracht hat und einfach ein unvergessliches Erlebnis war. Es hat sich mehr als gelohnt, sich durch die anfänglichen Probleme hindurchzukämpfen und ich würde es jedem empfehlen, der auf solch einen Aufenthalt Lust hat, nicht zu zögern und sich dafür einzusetzen. Schließlich habe ich drei Papers als Erstautor verfasst und meinen Spaß an der Forschung entdeckt, so dass ich mir vorgenommen habe, sie in Deutschland parallel zum Studium weiterzuführen.

 

Wichtige Internetadressen

Council for International Educational Exchange e.V. (organisierten die Formalitäten von der Krankenversicherung bis zum Flugticket): http://www.ciee.org

Die Internet-Adresse des Rotary-Clubs: http://www.rotary.de

Stefanie Krick: stkrick@yahoo.com

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