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  • 16.06.2014

Der Ruf des Geldes

Jahr 5

„... gibt es dort Geld?“, wenn die Antwort auf diese Frage lautete „Nein.“ oder „Ja, monatlich 200 €“, lautete meine Antwort meistens „Das ist es nicht wert.“

Schändlich, oder? Dass man von Gier getrieben wird und sich nur an das höchstbietende Krankenhaus verkauft. Dass wir als Studenten überhaupt auf die Idee kommen, Geld für unsere „amateurhafte“ Arbeit zu verlangen! Schließlich sind wir es doch, die Kinder und Patienten von Schönheits-OPs in die Anaphylaxie und in den Tod spritzen! Wir sollten lieber unserem Ideal folgen und uns Krankenhäuser suchen, die viel forschen, publizieren und vor Professoren nur so strotzen, in der Hoffnung, dass etwas davon auf uns abfärbt ...

Das ganze klingt ja schön und gut und ist sicherlich auch löblich zu verfolgen, aber davon füllt sich der Magen nicht. Und wenn der sich nicht füllt, werde ich schlecht gelaunt und nach dem Verbrauch meiner Fettreserven nach 15 Jahren vermutlich auch mal kachektisch. Geld hat die schöne Eigenschaft, dass die meisten Leute es als Zahlungsmittel für Lebensmittel oder Bücher akzeptieren.

Ich gebe es zu, ich bin Selbstversorger. Alles, was ich an Rechnungen bezahlen muss, bezahle ich von meinem Waisengeld und den Nebenjobs, die ich neben meinem Studium noch habe. Seit ich das tue, habe ich eine etwas andere Sicht auf Dinge bekommen, die mich viel Zeit und Mühe kosten.

Ich bin mir dessen bewusst, dass man nicht alle Dinge an ihrem materiellen Wert messen sollte. So bin ich vermutlich auch schon einigen Leuten auf den Schlips getreten, als ich mich desinteressiert von ihrer Begeisterung abwandte, zum Beipspiel unentgeltlich Befunde für nichtmedizinische Mitbürger in Klartext zu übersetzen. Auf der anderen Seite muss man sich aber mal überlegen, was man als Student in Famulaturen und im PJ manchmal aufgebürdet bekommt und dafür in keinerlei Weise entlohnt wird. Das hebt sich in vielerlei Maße schon davon ab, dass man im OP Haken hält oder Blut abnimmt, was übrigens Tätigkeiten sind, für die einige Krankenhäuser Studenten einstellen und bezahlen. Der Famulant sieht dafür meistens aber kein Geld, obwohl er es einen ganzen Monat lang macht. Dabei bleibt es aber nicht: Es gibt Stationen auf denen die Studenten das Tagesgeschäft schmeißen, weil die Ärzte wegen Urlaub, Krankheit, Schwangerschaft etc. so unterbesetzt sind. Das ist kein Witz, ich habe es selbst erlebt und war Teil des ganzen. Ich muss dazu aber sagen, dass es auch Spaß gemacht hat und lehrreich war, da man schließlich auch mal selbstständig gearbeitet hat. Das Krankenhaus traf dabei auch keine Schuld, da es eine Verkettung vieler blöder Zufälle war, die zu der Situation führten. Die Ärzte mussten selbstverständlich alles absegnen, nochmal korrekturlesen und unterschreiben, es bestand also nicht die Gefahr, dass irgendetwas wegen fehlender Kompetenz schiefgeht.

Trotzdem war es in manchen Krankenhäusern frustrierend, so viel ohne eine Entschädigung zu arbeiten. Das brachte in einigen meiner Kollegen auch eine gewisse kleptomanische Ader zum Vorschein. Kennt ihr diese Szene aus Scrubs, in der jeder seine Kasaks mit nach Hause nimmt, um sie als Handtücher, Duschvorhänge, Vorleger etc. zu missbrauchen? Daran musste ich dabei oft schmunzelnd denken. Diese Klinikhosen sind nun mal in manchen Häusern auch ungemein bequem, Latexhandschuhe sollte man für den Notfall immer im Rucksack haben und eine Ringer-Lösung soll auch gut beim post-C2-Kater helfen. Ich konnte das ganze irgendwie auch nachvollziehen, solange es gewisse Grenzen (zum Beispiel keine Medikamente) einhielt: Man nahm sich in gewisser Weise, was einem seiner Meinung nach zustand.

Was man bei allem Meckern niemals außer Acht lassen sollte, ist ja, dass man das ganze auch macht, um etwas zu lernen. Das gelingt meistens auch, das möchte ich gar nicht abstreiten und bin für alles, was ich gelernt habe, auch aufs Äußerste dankbar. Nichtsdestotrotz lernt man das ganze meist nur bei Ärzten, die tatsächlich auch etwas erklären und weniger von denen, die ihren Stationsalltag abhaken und einen Studenten als ausgezeichnete Ressource zum delegieren sehen. Das Delegieren umfasst manchmal übrigens auch „nicht-delegierbare ärztliche Tätigkeiten“, so dass man sich als Student manchmal rechtlich ausgezeichnet abgesichert fühlt ... Wisst ihr übrigens, wie man einen nörgelnden Studenten prima eine dreiviertel Stunde lang loswird? Shellong-Test, die 45-Minuten Variante, nicht die popelige 5-Minuten(!) Variante, die viele andere auch praktizieren.

Die Ärzte, die einem etwas beibringen wollen, findet man aber, meines Erachtens, nicht weniger in peripheren Krankenhäusern als in renommierten Unikliniken. Ich lehne mich in meiner Momentaufnahme sogar so weit aus dem Fenster und behaupte frech, dass man sie peripher eher antrifft und im Uniklinikum aufpassen muss, dass man den wichtigen Herrschaften der eminenzbasi... - ähm, Verzeihung... - der evidenzbasierten Medizin nicht im Weg (zum Beispiel zum Kaffeeautomaten) steht oder einen Ton von sich gibt, um ihre herrlichen Ansprachen oder das Zusammenstauchen eines Assistenzarztes nicht zu unterbrechen.

Es gibt für mich also keinen Grund, mir gar nichts oder „nur“ 300 € anstatt 400 € bezahlen zu lassen, wenn ich für letzteres auch noch an ein Krankenhaus komme, wo ich nicht als billige Arbeitskraft ausgebeutet und mindestens genauso gut unterrichtet werde. Von der kostenfreien Unterbringung und Verpflegung brauche ich hier noch nicht einmal anfangen ... Dass das bezahlte PJ in diesen Maßstäben noch nicht deutschlandweit etabliert ist, ist mir auch klar. Ich hoffe aber, dass die Studenten, die seit jüngstem die freie Auswahl ihrer PJ-Krankenhäuser haben, in dieser Hinsicht auch ein Zeichen setzen werden und sich nicht mehr so ausnehmen lassen, wie zuvor geschehen. Man überlege bitte einmal, dass wir in der Regelstudienzeit mindestens sechs Jahre lang ohne vorgesehenes Einkommen studieren. Damit geht man zu einem BA-Studenten der Deutschen Bank in Frankfurt am Main, lässt sich auslachen und vergleicht direkt im Anschluss, was er danach (übrigens drei bis vier Jahre) für ein Trainee-Gehalt erhält im Vergleich zum ersten Assistenzjahr im öffentlichen Dienst. Vom Vergleich ERASMUS vs. Zweigstelle im Ausland brauchen wir hier gar nicht erst sprechen.

Das Thema ERASMUS und Auslandsaufenthalt ist für mich davon abgesehen aber doch ein wichtiger Aspekt. Hier sehe ich einen der großen Nachteile meiner „Geldgier“: Ich verzichte zugunsten des Geldes vollständig darauf. Ich befand mich im laufe meines Studiums bereits ein halbes Jahr lang im Ausland und möchte keinen dieser Augenblicke missen. Es ist eine Erfahrung gewesen, die mich geprägt und meine Kenntnisse spanischer Kultur und Sprache erheblich erweitert hat. Gerne wäre ich nochmals nach Spanien oder, sogar einen Schritt weiter gesprungen, nach Übersee in die USA, wo ich ein Paar Jahre meiner Kindheit verbracht habe, um dort in einem Krankenhaus zum Einsatz zu kommen. Zwei meiner Freunde hatten sich sogar bereits um die meiste Organisation bezüglich der USA oder Kanada gekümmert und mich gefragt, ob ich mitkommen wolle. Ich musste jedoch ablehnen, da ich es mir nicht leisten konnte, auf ein Gehalt zu verzichten bzw. es im Ausland sogar mit Ausgaben zu ersetzen. So traurig mich diese Entscheidung machte und so gerne ich diese Erfahrung im Ausland mit meinen Freunden zusammen gemacht hätte, ich kann es nicht bereuen, da es nicht funktioniert hätte. Meine Ambitionen, Erfahrungen im Ausland zu machen, sind damit aber keinesfalls gestorben. Vielmehr warte ich auf das Ende des sechsten Jahres, um mein heiliges Sabbatjahr einzulegen und meine Wünsche und Versäumnisse mit dem gesparten Geld zu erfüllen.

 

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