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  • 14.11.2022

Aus dem Nähkästchen: Medizinstudierende berichten

Hamna Mahmood studiert Humanmedizin an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Aktuell befindet sie sich in ihrem Wahltertial Gynäkologie und Geburtshilfe im Rahmen ihres letzten Studienjahrs. In diesem Interview blickt die angehende Ärztin auf ihre Studienzeit zurück und berichtet unter anderem von einer unvergesslichen Sectio, schlimmen Studienerinnerungen und ihren Zukunftsplänen.

Hamna Mahmood - Foto: privat

 

Was war der schönste Moment in deinem Studium?
Wenn ich an das Studium denke, fallen mir viele schöne Momente ein. Ich denke, dass es die kleinen Dinge sind, die zählen, seien es gemeisterte Klausuren, produktive Lernsessions oder aber auch die Zeit, die man mit seinen Kommilitonen und Kommilitoninnen verbringt. Der schönste Moment meines Studiums steht mir aber noch bevor (lacht). Ich freue mich auf den Tag, an dem ich nach meinem dritten Staatsexamen die Klinik hoffentlich als Ärztin verlassen werde.

Der schönste Moment in den vergangenen Wochen war eine Sectio caesarea, also ein Kaiserschnitt, bei dem ich assistieren durfte. Als das Kind auf der Welt war und anfing zu schreien, hörte ich auf der anderen Seite des Tuchs ebenfalls einen Schrei – einen Freudenschrei. Der Vater des Kindes konnte sein Glück kaum fassen. Im Wechsel schrie er vor Freude, lachte quickend oder weinte vor Überwältigung. Er durfte das Kind als Erster in den Arm nehmen und rief von da an ganz ungläubig  nur noch “Mein Sohn, mein Sohn!”. Nicht nur seine Reaktion hat diese Sectio für mich unvergesslich gemacht: Es war auch die erste Sectio, bei der ich zunähen durfte.


Was war der schlimmste Moment in deinem Studium?
Ganz klar – die Bewegungsapparat-Klausur im ersten Semester. Anatomie an sich ist ja am Anfang des Studiums sehr überwältigend, aber die gestellten Klausurfragen hatten inhaltlich rein gar nichts mit dem vermittelten Lernstoff zu tun. In der Klausur habe ich beinahe alle Anatomiefragen raten müssen – der Albtraum jeden Erstis. Ich habe die Klausur zwar irgendwie bestanden, musste dann aber in den kommenden Prüfungen jede Anatomiefrage richtig kreuzen, um den Anatomieschein zu bestehen. Die Angst auf eine Nachprüfung und die Enttäuschung vor der eigenen Leistung war groß. Zum Glück trat keines dieser Worstcase-Szenarien ein, da ich alle kommenden Fragen richtig gekreuzt hatte. Mittlerweile kann ich darüber lachen, finde auch das Nachschreiben einer Klausur oder gar eine Nachprüfung nicht schlimm. Es bedeutet nicht das Ende der Welt. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber trotzdem sehr erschüttert.


Welche Message würdest du Erstis auf dem Weg geben?
Jeder in seinem Tempo!
Ich denke, dass alle mit einer ähnlichen Erwartungshaltung in das Studium starten und das Ratschläge oder Floskeln, wie die Ruhe zu bewahren, keine Angst vor dem Studium zu haben oder sich nicht zu sehr zu stressen, allen aus den Ohren heraushängen. Trotzdem meine ich es ernst, wenn ich sage, dass ihr die Ruhe bewahren solltet – ihr werdet das Studium alle irgendwie schaffen!
Vergleicht euch nicht untereinander und seht euch nicht als Konkurrenz, denn das stiftet nur Unmut und bringt keinen weiter. Es ist ratsam, sich gegenseitig zu unterstützen und über die lange Studienzeit viele schöne Erinnerungen zu sammeln. Jeder, der gewissenhaft an sich selbst arbeitet und sich interessiert und engagiert zeigt, wird Erfolg ernten. Das Studium ist nichts für schwache Nerven, aber noch viel weniger geeignet für Einzelkämpfer und Egoisten. Früher oder später steckt jeder in einer Situation, in der er die Hilfe eines anderen braucht und schätzt.


Was würdest du mit deinem jetzigen Wissensstand anders machen?
Ehrlicherweise habe ich bis zum Ende des Studiums darauf gehofft, eine für mich passende Lernstrategie zu entdecken. Rückblickend würde ich euch raten, nachhaltig zu lernen, also z.B. öfter in Lerngruppen zu lernen oder euch Themen abfragen zu lassen.
Außerdem würde ich alles viel entspannter und selbstbewusster angehen. Im Studium wird einem oft suggeriert, dass man keine Fehler machen darf. Das stimmt überhaupt nicht. Ich hatte Angst, etwas zu vermasseln oder in Klausuren durchzufallen. Dadurch konnte ich Seminare und Vorlesungen selten genießen, sie bekamen einen bitteren Beigeschmack.
Immer wieder hatte ich das Gefühl, ich müsse das Studium zu meinem Lebensmittelpunkt machen, um es bewältigen zu können. Diese Denkweise war schlichtweg falsch. Oft habe ich in unserer Bib, der O.A.S.E, gesessen, unproduktiv gelernt und dabei nicht selten noch den Sport geschwänzt. Das würde ich nicht wieder machen. Versteht mich nicht falsch: Ich möchte das Studium nicht herunter reden. Es bedarf Aufmerksamkeit, gesunden Ehrgeiz und viel Zeit. Aber Planung ist die halbe Miete! Das Lernpensum ist gut zu bewältigen, wenn man realistisch vorausplant.
Ich würde zudem die Möglichkeit ergreifen, (öfter) ins Ausland zu gehen, sei es durch eine Auslandsfamulatur oder ein Auslandssemester. Nur so bekommt man mit, wie das Studium aber auch Medizin außerhalb des eigenen Campus und der eigenen Uniklinik abläuft.


Welche ist die wichtigste Lektion, die du mit in dein Berufsleben nimmst?
Der Arztberuf wird immer viel Zeit in Anspruch nehmen, eine stetige fachliche Weiterbildung erfordern und neue Herausforderungen mit sich bringen. Man sollte das alles als Chance wahrnehmen. Sobald die Arbeit aber als Last gesehen wird, und die Freude auf das Wochenende oder Urlaubstage überhandnehmen, sollte man sich eingestehen, dass man nicht dort ist, wo man hingehört. Hört auf euer Bauchgefühl!


Zukunftspläne?
Nach meinem dritten Staatsexamen möchte ich mich in Richtung Gynäkologie und Geburtshilfe weiterentwickeln. An diesem Fach habe ich besonders Gefallen gefunden, weil es so weitfassend ist. Ich möchte operativ tätig sein, onkologische Krankheitsbilder behandeln und mir eine eventuelle Niederlassung offenhalten. Außerdem gefällt mir, dass man über die Zeit einer Schwangerschaft eine ganz besondere Bindung zu seinen Patientinnen aufbaut. Auch wenn es zunächst abschreckend sein mag, dass man fast ausschließlich weibliche Patientinnen behandelt, so gibt es hier die unterschiedlichsten Krankheitsbilder und -verläufe zu sehen.

In der Zukunft steht weiterhin die Fertigstellung meiner experimentellen Doktorarbeit auf dem Plan. Seit 2020 arbeite ich bereits an meiner Promotion in der Gyn-Onkologie, im Rahmen derer ich am verbesserten Nachweis und der Charakterisierung von sogenannten "zirkulierenden Tumorzellen" bei Patientinnen mit Brustkrebs geforscht habe.

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