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  • Prof. Dr. med. Friedrich Wolff, Prof. Dr. med. Markus Golling, Prof. Dr. med. Jens Rassweiler, Dr. med. Lothar Jahn
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  • 28.06.2018

Was erwarten Chefärzte von Bewerbern?

Jedes Medizinstudium geht irgendwann zu Ende. Danach muss man sich im Klinikalltag bewähren. Viele junge Mediziner fragen sich: Was kommt da eigentlich auf mich zu? Klar ist: Das Bild des Assistenzarztes, der fast nonstop Bereitschaftsdienste schiebt und bereitwillig auf sein Privatleben verzichtet, ist passé. Angesichts der prekären Nachwuchssituation können Jungärzte offensiv eine ausgewogene Work-Life-Balance einfordern. Doch wie stellen sich leitende Ärzte darauf ein? Und was erwarten sie im Gegenzug von ihren Bewerbern? Das haben wir vier Chefärzte gefragt.

 

Dr. med. Lothar Jahn - Foto: Diakonie-Klinikum Schwäbisch Hall

Dr. med. Lothar Jahn

Chefarzt der Kardiologie am Diakonie-Klinikum Schwäbisch Hall

Wir erwarten von unseren Bewerbern eine solide fachliche Basis. Außerdem wünschen wir uns soziale Kompetenz, sowohl den Kollegen als auch den Patienten gegenüber. Ganz wichtig finde ich einen gesunden Wissensdurst. Der Bewerber sollte also bei erfahrenen Kollegen das Gelernte hinterfragen. Im Gegenzug bieten wir dafür auch viel Flexibilität. Stellen Sie sich mal vor: Eine Bewerberin kommt zum Gespräch und sagt, sie kann nur an drei Tagen in der Woche für je vier Stunden arbeiten. Früher hätten wir ihr absagen müssen. Heute kriegen wir das tatsächlich im Dienstplan unter. Die wenigsten unserer Ärzte arbeiten noch 100%. Einige arbeiten halbtags, manche kommen alle zwei Wochen – das ist alles möglich. Bei einem Anfänger denke ich aber schon, dass er noch 100% arbeiten sollte, um zu zeigen: Das will ich jetzt! Wie viel diese 100% sind, wird dann sehr genau im Bewerbungsgespräch abgefragt. Dort lautet die erste Fragen oft: Wie viele Dienste habt ihr und wird das Arbeitszeitgesetz umgesetzt? Die zweite Frage lautet häufig: Wann übernimmt man als Anfänger den ersten Dienst? In der Regel verbirgt sich dahinter die Angst vor dem Sprung ins kalte Wasser. Da kann ich jeden Bewerber beruhigen: Wir haben die Regelung, dass ein unerfahrener Arzt zunächst mit einem erfahreneren Kollegen Dienst macht. Nach einiger Zeit fragen wir nach: Schaffst du das alleine? Und erst wenn er das tut, überlassen wir dem Assistenten den Dienst. Viele Bewerber fragen im Gespräch selbstverständlich auch nach der Bezahlung. Als kirchlicher Träger haben wir den Ruf, schlechter zu zahlen, aber das stimmt nicht. Wir bezahlen nach dem kirchlichen Tarif oder dem des Marburger Bundes – je nachdem, mit welchem Tarifmodell der Bewerber mehr bekommt. Besonders lukrativ erscheint vielen Weiterbildungsassistenten die Niederlassung, wenn sie fertig sind. Da solche Arztsitze in der Kardiologie eher rar sind, machen wir von Anfang an darauf aufmerksam, dass die eigene Praxis nicht sehr wahrscheinlich wird, um Enttäuschungen vorzubeugen. Aber eine breitgefächerte Ausbildung bekommen sie bei uns in jedem Fall!

 

 

Prof. Dr. med. Jens Rassweiler - Foto: Prof. Dr. med. Jens Rassweiler

 

Prof. Dr. med. Jens Rassweiler

Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie der SLK Kliniken Heilbronn GmbH

Ich erwarte, dass jemand, der sich für unser Fach entscheidet, auch mit vollem Einsatz dort hineingeht. Demjenigen sollte auch klar sein, dass der Arztberuf, besonders in einem chirurgischen Fach, eine gewisse Belastung mit sich bringt. Damit will ich nicht sagen, dass die Ärzte in der Urologie oder Chirurgie generell überlastet sind und deshalb Fehler machen. Es ist eher so, dass umso mehr Fehler passieren, je weniger die Assistenten operieren. In den Bewerbungsgesprächen merke ich, dass die Bereitschaft zur Verausgabung heute nicht mehr so hoch ist. Heute geht es eher um soziale Rahmenbedingungen, z. B. dass die Ausbildungsstelle in Wohnortnähe ist oder dass die Partnerin auch einen Studienplatz in der Nähe bekommt. Die Stelle muss in erster Linie mit der Familie vereinbar sein. Das ist natürlich legitim, aber es ist nicht gut für unser Fach. Es ist so, dass der Teilzeitarzt, der versucht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, in der Chirurgie nicht so gut untergebracht ist. Da aber mehr als die Hälfte aller medizinischen Absolventen momentan weiblich ist, macht das die Nachwuchssituation logischerweise ein wenig problematisch. Zumal die Urologie nicht mehr so oft gewählt wird als Fach. Da die Studenten nur eine bestimmte Zeit in der Klink sein dürfen, ist es eine ziemliche Herausforderung, den jungen Kollegen die Urologie in ihrer ganzen Breite zu präsentieren und sie für das Fach zu faszinieren. Auf die Schnelle ist es einfach schwierig, Studenten die Versorgung eines Patienten von der Voruntersuchung über die OP bis zur Nachsorge nahezubringen. Zudem kann ich auch nicht ständig Studenten an den OP-Tisch stellen, denn unsere Assistenzärzte haben ja auch ihr Logbuch, das sie in der kurzen Zeit füllen müssen. Damit wir aber attraktiver für die jungen Kollegen werden, versuchen wir eine moderne Medizin zu machen. Zum Beispiel bieten wir an, nach den Vorgaben des europäischen Trainingszentrums für Urologen, der European Board of Urology auszubilden. Wir bemühen uns auch, als Klinik im Prostatakarzinom-Zentrum Mannheim eine gute Aus- und Weiterbildung anzubieten.

 

 

Prof. Dr. med. Friedrich Wolff - Foto: PAN Klinik am Neumarkt

 

Prof. Dr. med. Friedrich Wolff

Chefarzt der Frauenklinik Köln-Holweide

Ich erwarte, dass die Bewerber eine Vorstellung haben, warum sie das Fachgebiet gewählt haben. Warum will derjenige in der Geburtshilfe und Gynäkologie anfangen? Ich erwarte auch eine gewisse Bereitschaft, sich einzubringen und Begeisterungsfähigkeit. Denn ohne die kann man die heutigen Belastungen des Berufes nicht durchhalten. Auf der anderen Seite müssen die Chefärzte auch die veränderten Interessen ihrer jungen Kollegen verstehen – der alte Arzt hat ausgedient. Was die Interessen der Ärzte von morgen angeht, habe ich mich als Coautor in dem Artikel „Die Generation Y“ bereits damit beschäftigt. Eine Kernthese des Artikels ist, dass sich die Zielvorstellung der Jungmediziner heute schon komplett gewandelt hat. Sie wollen nun eine Work-Life- Balance. Daher muss auch ein Chefarzt, der lange im Beruf ist, erkennen, dass die Studenten nicht nur schuften wollen, sondern auch eine andere Lebensperspektive einfordern. Assistenzärzte möchten neben der Arbeit noch ausreichend Freizeit haben und nicht völlig ausgebrannt nach Hause kommen. Dazu gehört auch, dass Frauen, deren Anteil ja in der Gynäkologie überwiegt, auch eine Familie planen können ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Mütter müssen sich darauf verlassen können, dass sie in dem Beruf auch willkommen sind und dass es da Angebote gibt, wie man als Mutter wieder in dem Beruf arbeiten kann. Daher haben wir z. B. unser Kita-Angebot ausgebaut, so dass die Mütter schon im ersten Lebensjahr ihrer Kinder den Berufseinstieg wieder schaffen. Ich bin auch gegen zu starre Arbeitszeitmodelle, deswegen bin ich regelmäßig mit Assistenten und Oberärzten im Gespräch, die Gleitzeitangebote entwickeln. Ich denke es ist allein deshalb wichtig, für die Studenten attraktiv zu werden, damit auch die vakanten Stellen besetzt werden. Das ist zwar in einer Großstadt wie Köln weniger das Problem, denn hier ist nicht nur die Nachfrage, sondern auch das Angebot groß. Aber in einem Radius von etwa 20–30 km außerhalb der Großstädte stelle ich fest, dass zwar genügend Stellen da sind, aber es wird schwer, sie zu besetzen.

 

 

Prof. Dr. med. Markus Golling - Foto: Diakonie-Klinikum Schwäbisch Hall

 

Prof. Dr. med. Markus Golling

Chefarzt der Klinik für Allgemeinund Viszeralchirurgie am Diakonieklinikum Schwäbisch Hall gGmbH

Für mich würde der „Idealkandidat“ so aussehen: Er ist brennend daran interessiert, Chirurg zu werden, er will immer besser werden und möchte mehr wissen. Dafür ist er auch bereit, Teile seiner Freizeit zu opfern. Die Bewerber, die dann kommen, setzen heute aber ganz andere Prioritäten. Die meisten jungen Kollegen bestehen darauf, dass die Arbeitszeit eingehalten wird. Natürlich wollen sie auch ein klares Ausbildungs-Curriculum und wollen dafür angemessen bezahlt werden. Das war früher nicht so. Ich entstamme z.B. einer Generation, die sich noch über den Begriff „Live to work“ definiert hat. Die heutige Generation orientiert sich eher am „Work to live“. Diese 180°-Drehung hat damit zu tun, dass sich das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sehr verändert hat. Die Ärztezeitung hatte vor 24 Jahren, als ich anfing, etwa 8 Anzeigenseiten, heute sind es 168. Es gibt einfach sehr viele offene Stellen, besonders in der Allgemein- und Viszeralchirurgie. Im Vergleich zu beliebten Bereichen wie der Pädiatrie, der Radiologie oder der Inneren müssen wir uns daher mehr anstrengen, um für die Studenten attraktiv zu sein. Und das schaffen wir, indem wir supportiv wirken. Dadurch, dass ich auf die Bewerber zugehe und sie unterstütze, habe ich die Chance, auch gute Mitarbeiter zu bekommen. Ich ermögliche 60%-Stellen, stelle vermehrt Frauen ein, für deren Kinder wir Kinderhortplätze haben und ich halte den Acht-Stunden-Tag ein. Trotz dieser Angebote vermute ich, dass der Ärztemangel in den kommenden Jahren solche Ausmaße annehmen wird, dass die verbleibenden Ärzte nicht mehr sämtliche Arbeiten erledigen können. Daher wird alles, was arztfremd ist, in andere Bereiche aufgeteilt werden – beispielsweise in die Pflege, in Sozialdienste oder die EDV. Das wird auch die Jobsituation wieder attraktiver machen, denn die insgesamt weniger Stellen, werden dann auch wieder besser bezahlt. Das löst vielleicht auch wieder einen Wettbewerb unter den Bewerbern aus und es wird eine größere Nachfrage nach den Stellen in chirurgischen Fächern geben.

 

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