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  • Dr. med. Oliver Erens
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  • 19.08.2006

Zusatzqualifikation: Management

Die medizinische Versorgung in Deutschland wird in den letzten Jahren verstärkt unter dem Gesichtspunkt der Kosten-Nutzen-Relation betrachtet. Der Arzt der Zukunft sollte, geht es nach diesen Vorstellungen, unbedingt auch marktwirtschaftliche Kenntnisse mitbringen. Wie man sie erwerben kann und welche Karriere-möglichkeiten dem Medizin-Manager dann offenstehen, beschreibt Via medici-Autor Dr. med. Oliver Erens.

Arzt mit Kittel - Foto: U. Sommerwerck

 

Der 30jährige Arzt Frank Zoglmeier absolviert zur Zeit eine Ausbildung zum "Medical Manager" bei einem privaten Lehrinstitut in München. Wie kommt ein Mediziner dazu, sich in einem solchen Fach weiterzubilden? "Nach meinem AiP wurde ich noch für ein Jahr in der chirurgischen Abteilung meiner Klinik weiterbeschäftigt. Dann aber wurde die Stelle anderweitig vergeben. Meine Bewerbungen in den Monaten danach waren erfolglos ..." - Und das, obwohl sich seine Qualifikationen durchaus sehen lassen können: ein gutes Staatsexamen, Sonografiekurse, Nachweis Rettungskunde, Promotion nahezu abgeschlossen.

Schließlich informierte sich Frank Zoglmeier beim Arbeitsamt, wie er die Wartezeit auf eine neue Stelle verkürzen und gleichzeitig seine Bewerbungschancen erhöhen könnte. Man empfahl ihm die Weiterbildung zum Medical Manager, denn dieser Kurs qualifiziere ihn auch für Tätigkeiten außerhalb der klinischen Medizin, zum Beispiel in der Wirtschaft oder Pharmaindustrie.

Wachsender Markt für Zusatzqualifikationen

Die Praxis zeigt, daß es für Ärzte mit fachfremden Zusatzqualifikationen einen wachsenden Markt gibt. Ein wichtiger Grund dafür ist, daß das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit starken Veränderungen unterliegt. Gerade durch die Umstrukturierung von kommunal getragenen Kliniken in privatwirtschaftliche GmbHs muß ein Arzt auch wirtschaftliche Mitverantwortung für die Klinik übernehmen. Das setzt neben ärztlichem Wissen auch Fachkenntnisse in den Bereichen Marketing, Management und Wirtschaftswissenschaften voraus. Nicht ohne Grund postuliert der Verwaltungsdirektor der Uniklinik Mainz, Thomas Müller-Bellingrodt: "Mit der zunehmenden Kompliziertheit der Krankenhausfinanzierung werden immer mehr Spezialisten mit betriebswirtschaftlichen Kenntnissen benötigt. Diese Spezialisten werden in Zukunft auch Ärzte sein."

Management im Krankenhaus

Auch Professor Dr. Bernhard Güntert, Leiter der Forschungsgruppe "Management im Gesundheitswesen" an der Hochschule St. Gallen und Professor für Management im Gesundheitswesen an der Universität Bielefeld, ist überzeugt davon, daß zukünftig in der Klinikleitung mehr Management-Qualitäten gefragt sind. Aber dafür seien die Ärzte nach ihrem bisherigen Rollenverständnis nicht geschaffen: "Chefärzte sind nach eigenen Angaben in erster Linie Arzt, dann Fachspezialist, dann kommt für sie das Labor und die Forschung. Erst an nächster Stelle stehen für sie die Klinikleitung und ihre Vorbildfunktion für Mitarbeiter."

Qualitätssicherung in der Krankenversorgung

Die Behandlung kranker Menschen ist der eigentliche "Unternehmenszweck" eines Krankenhauses. Der wichtigste Faktor für dauerhaften Erfolg ist eine hohe Qualität der Krankenversorgung. Um diese langfristig garantieren zu können, ist sowohl eine durchdachte Leistungsplanung als auch die Einführung aussagekräftiger Kontrollmechanismen erforderlich. "Die Überwindung der Führungskrise in Krankenhäusern ist nur möglich, wenn die Health Professionals ein neues Rollenbewußtsein in bezug auf Management entwickeln", meint Professor Güntert.

Das Krankenhaus muß in Zukunft in dem enger werdenden Markt für Gesundheitsleistungen strategisch günstig positioniert werden. Dazu müssen wirkungsvolle Marketingkonzepte erstellt und umgesetzt werden. Ohne den Einsatz EDV-gestützter Informationsaufbereitung ist der einzelne kaum in der Lage, diese vielfältigen Aufgaben zu bewältigen. Der Arzt muß moderne Informations- und Kommunikationssysteme daher beurteilen und integrieren können.

Prof. Güntert sieht Perspektiven für betriebswirtschaftlich versierte Mediziner: "Die Verbesserung der Leistungs- und Kostentransparenz schafft die Voraussetzung für den Einsatz neuer Steuerungsinstrumente im Gesundheitswesen. Bisher mußten Health Professionals ökonomische, soziale und politische Aspekte nur am Rande mit einbeziehen. Die neuen Möglichkeiten der Systemsteuerung erfordern nun, daß auch bei ärztlichen Entscheidungen die Kostenfolgen und die sozialen Auswirkungen mit zu berücksichtigen sind."

Kein Weg zurück ans Krankenbett

Bisher weiß Frank Zoglmeier noch nicht so recht, in welchen Beruf ihn sein Managementkurs schließlich leiten wird. Eigentlich wäre es ihm am liebsten, eine Anstellung an einer Klinik zu finden, in der er in erster Linie Arzt ist und im Laufe der Zeit weitere Funktionen übernehmen kann, für die ihn seine Zusatzausbildung prädestiniert. Er kann sich z.B. eine Tätigkeit im Controlling, Aufbau und Überwachung einer Qualitätssicherungsabteilung oder Ökonomisierungsaufgaben vorstellen. Aber da ist Zoglmeier eher die Ausnahme, denn die meisten Teilnehmer ähnlicher Kurse haben sich bereits definitiv für eine Laufbahn im Marketing, Management oder wirtschaftswissenschaftlichen Bereich entschieden. Sie sind sich darüber im klaren, daß sie später keine ärztlichen Funktionen mehr ausüben werden. Ein Medical Manager muß wissen: Meist führt kein Weg zurück in die eigentliche Medizin!

Dafür ist er in den Bereichen Marketing oder (Tages-)Klinikleitung, in der Pharmaindustrie, im Fortbildungs- und Kongreßwesen, bei Fachredaktionen, staatlichen oder kommunalen Institutionen (z.B. Bundesministerium für Gesundheit, Gesundheitsämter, Kassenärztliche Vereinigungen) oder in der Öffentlichkeitsarbeit ein gefragter Kollege.

Karriere in der Pharmaindustrie

Sabine Berzbach studierte Medizin und qualifizierte sich anschließend zum Medical Manager weiter. Sie ist heute in gehobener Position bei einem Pharmaunternehmen tätig: "Nach meinem AiP fand ich keine Assistentenstelle in meinem Wunschfach Dermatologie. Die Weiterbildung zum Medical Manager war für mich einerseits eine Möglichkeit zur Überbrückung meiner Arbeitslosigkeit, andererseits wollte ich damit meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Da ich über ein dermatologisch-pharmakologisches Thema promoviert hatte, wählte ich für mein Praktikum ein Pharmaunternehmen aus, das vor allem Medikamente für Hautkrankheiten herstellt. Hier konnte ich mein altes und neu gewonnenes Wissen vom ersten Tag an sinnvoll einsetzen. Ich bekam deshalb sogar eine Stelle angeboten, noch bevor mein Kurs zu Ende war! Mein heutiges Aufgabengebiet umfaßt Auswertung von Phase-IV-Studien, Mitarbeit beim Verfassen von populärwissenschaftlichen Patienteninformationen, Marktbeobachtung und gelegentlich die Schulung von Außendienstmitarbeitern. Darüber hinaus halte ich Kontakt zu Ärzten, die klinische Studien durchführen oder die eine wichtige Rolle als Meinungsbildner spielen."

Die privaten Fortbildungsinstitute berichten häufig über Absolventen, die den direkten Weg zu einem Pharmakonzern gefunden haben. Diese Positionen zeichnen sich besonders durch die überdurchschnittliche Bezahlung aus: Ein Jahresgehalt von 120.000,- DM ist keine Ausnahme. "Gerade bei Chemieunternehmen bieten sich dem Arzt recht attraktive Einstiegschancen in neue Berufsfelder", so der ehemalige Bundesvorsitzende der Fachgesellschaft der Ärzte in der Pharmaindustrie, Dr. Claus Kori-Lindner. "Auch wenn der Arzt in der pharmazeutischen Industrie nicht am Krankenbett tätig ist, trägt er weiterhin die Verantwortung für Patienten und erfüllt seine Aufgabe, Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern - nur auf eine andere Weise." Neben Forschung und Entwicklung können Ärzte in der Pharmaindustrie auch in den Bereichen Management, Information und Service tätig werden.

Das Berufsfeld erstreckt sich von organisatorischen Aufgaben über das Erstellen von Fachinformationen bis hin zur Planung einer Kampagne für ein neues Arzneimittel. Auch Marketing oder Firmenrepräsentation können Arbeitsbereiche sein.

"Mit meiner heutigen beruflichen Situation bin ich wesentlich zufriedener, als ich es an einer Klinik wäre", sagt Sabine Berzbach, "und zwar sowohl in finanzieller Hinsicht als auch im Hinblick auf die geregelten Arbeitszeiten!"

Ausblick

In den nächsten Jahren wird der Bedarf an wirtschaftswissenschaftlich versierten Medizinern sicher noch weiter ansteigen. Kurse zur Weiterbildung im Management werden sowohl an Hochschulen als auch von privaten Instituten angeboten. Auf dem Lehrplan stehen neben Betriebs- und Volkswirtschaftslehre unter anderem Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftsenglisch, Recht und Pharmamarketing. Daneben sind Betriebspraktika vorgesehen. Manchmal steht sogar ein Bewerbungstraining mit auf dem Stundenplan. Wer seine Karriere motiviert und engagiert voranbringt, wird mit etwas Glück auch seine Traumstelle finden. Weiterführende Studien und Kurse (siehe Via medici-Infopaket) sind dabei fast schon die Garantie für einen erfolgreichen Berufsstart.

 

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