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  • Protokoll Ines Elsenhans
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  • 03.03.2015

Als Frau in der Chirurgie: Himmel oder Hölle?

Elena gehört zu einer seltenen Spezies: sie ist Chirurgin. Schonungslos erzählt sie, wie sie in der Männerdomäne Chirurgie überlebt – und damit ihren Traum lebt.

 

Chirurgin - Foto: Getty Images/iStockphoto/Alta Oosthuizen

Chirurginnen sind eine seltene Spezies. Foto: Getty Images/iStockphoto/Alta Oosthuizen

 

Okay, ich sag es gleich direkt: Ja, als Frau in der Chirurgie brauchst du dicke Fäustlinge, denn du musst dich durchboxen können. Und ja, alle Sätze, die mit Wörtern wie „Männerwelt“, „Chirurgie“ und „Hölle“ an dein Ohr drangen, erzählten wahrscheinlich von wahren Begebenheiten. Doch die gute Nachricht ist: Ich bin eine Frau, arbeite in der Chirurgie – und lebe auch noch.

„Wow, Sie sind jung und hübsch und konnten sich einen Zahnarzt angeln. Ist ja wie ein Lottogewinn. Was wollen Sie dann noch Chirurgin werden?“ So oder zumindest so ziemlich ähnlich verlief mein erstes Vorstellungsgespräch für eine Assistenzarztstelle in der Chirurgie. Schnell weg hier, dachte ich und bewarb mich stur weiter. Um mich von meinem Traum in der Chirurgie abbringen zu wollen, hätte man mir schon die Hände abhacken müssen. Noch im Medizinstudium stellte ich fest: Skalpell schwingen ist genau mein Ding. Ich studierte in Rumänien, wo es üblich ist, schon ab dem 7. Semester vormittags in der Klinik zu arbeiten. Als ich damals in den OP mitdurfte, war es sofort um mich geschehen. Wo ich später mal arbeiten werde, war mir egal, darum war es auch okay, mit meinem Mann, der halb Deutscher ist, nach Deutschland zu gehen.

In einer Klinik in Hessen hatte ich dann mit meiner Bewerbung mehr Glück – was sicherlich auch an der Chefärztin lag. Die Begeisterung meiner neuen Kollegen war nämlich eher nach dem Motto „Was will die Puppe hier?“ Ich musste also Vollgas geben: Ich bereitete reihenweise Patienten auf die OP vor, nahm Blut ab, verteilte Medikamente und schaute im OP zu. Ich habe den Mund aufgemacht, mich durchgesetzt, Interesse und Engagement gezeigt und abends meinem Mann Fachliteratur vorgelesen, um mein Deutsch zu verbessern. Vor meinen Augen sah ich immer das Skalpell baumeln, und ich reckte meine Hand so sehr ich konnte, um es endlich greifen zu können.

Langsam begriffen auch die Chirurgen: die Frau hat tatsächlich auch Gehirn. Endlich hatte ich die Jungs geknackt und durfte Patienten aufschneiden, von ihrem Leiden befreien und nach schönster Manier wieder zuknöpfen. Als meine Chefärztin das Krankenhaus verließ, kam ich in die Unfallchirurgie. Die ist ungefähr so weit weg, ein Frauenfach zu sein wie die Erde vom Mond. Dieser Meinung war wohl auch der dortige Chefarzt. „So eine zarte Frau in der Unfallchirurgie?“, waren seine Begrüßungsworte. Also schlug ich ihm einen Deal vor: „Ich will ein Jahr haben. Wenn Sie dann immer noch denken, ich passe nicht in die Chirurgie, dann sagen Sie es mir und Sie werden mich hier nie mehr wieder sehen.“ Schon nach sechs Monaten war er zufrieden mit mir!

Was ich mit all dem sagen will: Jede Frau, die den Willen hat, kann Chirurgin werden. Man muss sich nur selbst Ziele setzen, sich nicht zurückhalten und keine Schwäche zeigen. Es ist nicht leicht, aber es ist nicht unmöglich!
Nächstes Jahr werde ich die Prüfung zum Facharzt für Chirurgie machen. Meinen OP-Katalog habe ich natürlich schon voll und mit dem Lernen längst begonnen. Ich bin erst 30, will aber noch lange nicht stillstehen. Der nächste Step ist der Facharzt für Plastische Chirurgie. Rekonstruktionen, Adipositaschirurgie, das will ich machen. Und dazu eine Familie gründen. Hört sich nach viel an? Klar, aber ich werde es schaffen – schlicht, weil ich es unbedingt will.

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