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  • Interview
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  • Patricia Paul
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  • 16.07.2013

Auswahlverfahren weiterentwickeln! - Daniel Bahr im Gespräch

Lokalredakteurin Patricia Paul hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr zur aktuellen Situation der Medizinstudenten im In- und Ausland befragt. Jedes Jahr warten viele Medizin-Studienbewerber auf den lang ersehnten Zulassungsbescheid, viele gehen jedoch mit leeren Händen aus. Und das, obwohl ständig in den Medien von einem Ärztemangel gesprochen wird. Daniel Bahr erklärt seinen Standpunkt dazu.

 

Daniel Bahr - Foto: BMG /Dedeke

Ex-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr

 

Herr Bahr, im Wintersemester 2012/2013 bewarben sich 42.726 Studienanfänger auf 8.989 freie Plätze in der Medizin. Angesichts des dramatischen Ärztemangels sowohl im niedergelassenen Bereich als auch an deutschen Krankenhäusern stellt sich die Frage, wann die politischen Organe gegensteuern und mehr Bewerber zum Studium zulassen, damit sich die Mangelsituation nicht weiter verschärft? Andersherum gefragt: Welches sind die Gründe, dass zurzeit nicht reagiert wird?

Auf Bundesebene haben wir hier bereits reagiert! Wir haben mit dem Versorgungsstrukturgesetz verschiedene Maßnahmen zur Sicherstellung einer flächendeckenden und wohnortnahen ärztlichen Versorgung der Bevölkerung getroffen. Für den Bereich der ärztlichen Ausbildung wurde dies flankiert durch eine Änderung der Approbationsordnung für Ärzte. Dabei haben wir beschlossen, dass die Ausbildung im Praktischen Jahr auch in geeigneten Krankenhäusern in ländlichen Regionen stattfinden soll. So erreichen wir später eine ausgewogenere regionale Verteilung unserer angehenden Ärztinnen und Ärzte und eröffnen den Krankenhäusern die Chance, bereits frühzeitig Personal zu binden. Weitere Maßnahmen zielen auf die Stärkung der Allgemeinmedizin bereits in der ärztlichen Ausbildung ab, um mehr Ärztinnen und Ärzte für eine anschließende Weiterbildung in der Allgemeinmedizin und spätere Niederlassung als Hausärztinnen und Hausärzten zu gewinnen. Wir haben auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Studium im Blick und mit der Änderung der Approbationsordnung die Möglichkeit eröffnet, das Praktische Jahr in Teilzeit zu absolvieren. Was die von Ihnen angesprochene Studienplatzsituation betrifft, haben wir die Länder aufgefordert, die Zahl der Medizinstudienplätze zu erhöhen. Da bin ich mir mit meinen Gesundheitsministerkolleginnen und -kolleginnen einig. Letztlich liegt aber die Zuständigkeit für den Ausbau der Studienplätze auf Landesebene bei den Wissenschaftsressorts. Diese sehe ich in der Verantwortung.

Auf deutschem Boden entstehen immer mehr private Universitäten, die einer ausländischen Universität angehören und damit nicht dem deutschen Prüfungssystem unterliegen. In der Kassel School of Medicine beispielsweise ist die Mediziner-Ausbildung auf fünf Jahre verkürzt. Medizinische Fakultäten in Deutschland sprechen sich explizit gegen eine verkürzte Ausbildung aus. Leidet Ihrer Ansicht nach die Lehre darunter? Wie kann so etwas in Deutschland gebilligt werden?

Bei den Kooperationen deutscher Kliniken mit ausländischen Universitäten unterliegt die ärztliche Ausbildung den Vorgaben des Staates, in dem die Universität ihren Sitz hat. In Ihrem Beispiel der Kassel School of Medicine besteht eine Kooperation der Gesundheit Nordhessen Holding AG mit der Universität Southampton in Großbritannien. Die Studierenden erwerben einen britischen Abschluss. Mit diesem Abschluss können sie die deutsche Approbation erhalten, nach meiner Kenntnis allerdings erst nach einem weiteren so genannten Foundation Year. Grundlage dafür ist europäisches Recht. Die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen trifft für die ärztliche Ausbildung Mindestvorgaben, die von allen Mitgliedstaaten eingehalten werden müssen, damit deren Abschlüsse automatisch, d.h. ohne weitere Überprüfung, anerkannt werden können. Diese Richtlinie wird derzeit novelliert. Künftig werden dann generell fünf Jahre bei einem Umfang von 5.500 Stunden als Mindestdauer für die ärztliche Ausbildung vorgegeben.

Viele Hochschulen wählen noch immer nach dem Numerus clausus aus. Viele junge Menschen sind deshalb gezwungen, ihr Medizinstudium im Ausland aufzunehmen und dafür Tausende von Euro zu zahlen. Im Anschluss an das erste Staatsexamen klagen sich viele an deutschen Hochschulen ein. Halten Sie diese Aufnahmeregelung für sinnvoll? Wenn ja, warum? Wenn nein, was möchten Sie daran ändern?

Nach meiner Auffassung sollte das Auswahlverfahren für die Zulassung zum Medizinstudium weiterentwickelt und dabei insbesondere die Kriterien für die Studierendenauswahl durch die Hochschulen neu entwickelt und gewichtet werden. Ich sage das - weiß aber auch, dass ich als Bundesgesundheitsminister keine Möglichkeit habe, hierauf Einfluss zu nehmen, denn die Zulassung zum Hochschulstudium ist landesrechtlich geregelt. Bei der Zulassung zum Medizinstudium spielt die Abiturnote derzeit eine dominierende Rolle. Sie hat als Grad der Qualifikation einen hohen Voraussagewert dafür, dass das Studium erfolgreich abgeschlossen wird. Allerdings ist der Voraussagewert für Eignung und Motivation für die ärztliche Versorgung nicht belegt. Ich glaube nicht, dass sich ein guter Arzt am Durchschnitt der Abiturnoten bemisst. Ein guter Arzt muss vielmehr über Begeisterung, Engagement, Erfahrung und sozialen Empathie verfügen. Deshalb sollte Die Abiturnote zukünftig meiner Ansicht nach weit weniger Einfluss auf die Zulassung zum Medizinstudium haben als bisher.

Sind die Abiturergebnisse überhaupt vergleichbar und damit aussagekräftig für eine Hochschulbewerbung im Fach Medizin bei den klaffenden Leistungsanforderungen der einzelnen Bundesländer?

Da sprechen Sie ein Thema an, das ausschließlich den Kultusbereich betrifft. Soweit mir bekannt ist, gibt es verschiedene Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz zur gymnasialen Oberstufe und zur Abiturprüfung sowie zu einheitlichen Prüfungsanforderungen für die verschiedenen Fächer, durch die die Vergleichbarkeit der Abschlüsse gewährleistet wird. Außerdem werden im Auswahlverfahren bei der Abiturbestenquote Landesquoten gebildet, so dass nur die Bewerberinnen und Bewerber mit einem Abitur aus demselben Land konkurrieren.

Inwiefern halten Sie es für sinnvoll, dass die Politik über die Mediziner-Ausbildung entscheidet?

Auf der Grundlage der Bundeskompetenz wurden die Bundesärzteordnung und die Approbationsordnung für Ärzte geschaffen, die die Anforderungen an die ärztliche Ausbildung und die Zulassung zum ärztlichen Beruf bundeseinheitlich regeln. Wir erreichen damit eine bundeseinheitliche Mindestqualifizierung der Ärztinnen und Ärzte, was unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes und des hohen Schutzgutes der Gesundheit der Bevölkerung aus meiner Sicht unverzichtbar ist.

 

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