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  • Interview
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  • Henriette Marcus und Sarah Hölscher
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  • 21.08.2014

Ärztinnen in der Schwangerschaft

Schwanger am Arbeitsplatz – generell ein heikles Thema. Doch gerade in der Klinik gelten besondere Regeln. Was eine schwangere Ärztin beachten muss und was sie überhaupt noch darf, erzählt uns Medizinrechtlerin Henriette Marcus.

 

Schwangere Ärztin - Foto: Tatyana Gladskih

 

> Frau Marcus, welche Gesetze schützen generell eine schwangere Ärztin?

Seit 1992 gibt es bereits europäische Mutterschutzrichtlinien Richtlinie 92/85/EWG, die für die gesamte EU (ausgenommen der Schweiz) gelten. Sie gewährleisten den Schutz der schwangeren Arbeitnehmerin.

Diese Richtlinien wurden von allen zugehörigen EU-Staaten in ihr nationales Recht überführt. In Deutschland wurden sie gleich durch mehrere Gesetze umgesetzt, so dass ein umfassender Schutz besteht.

Das oberste Gesetz in Deutschland ist dabei das Mutterschutzgesetz (MuSchG). Dieses beinhaltet alles rund um Beschäftigungsverbote (§ 3 bis § 8 Abs. 2 MuSchG), Kündigungsschutz (§ 9 und § 10 Abs. 3 MuSchG) sowie Leistungen und Endgeldschutz (§ 11 bis § 17 Abs. 4 MuSchG).

Zusätzlich gibt es die Verordnung zum Schutz der Mutter am Arbeitsplatz (MuSchArbV). Dieses Gesetz regelt die Beurteilung der Arbeitsbedingungen (§ 1), Beschäftigungsverbote und -beschränkungen (§4 und §5) und Konsequenzen bei nicht Einhaltung der Gesetze (§6). Zusätzlich führt es in Anlage 1 (zu § 1 Abs. 1) und Anlage 2 (zu § 4 Abs. 1) auf, welche chemischen Gefahrenstoffe, biologischen Arbeitsstoffe/Agenzien und physikalischen Schadfaktoren für Schwangere schädlich sind.

Daneben gibt es noch weitere Einzelgesetze wie die Strahlenschutzverordnung (StrSchV), Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), Röntgenverordnung (RöV) oder auch die
Druckluftverordnung (DruckLV), die in einzelnen Paragraphen jeweils auch die gesetzlichen Grundlagen für Schwangere enthalten.

Aber auch nach Ablauf der Mutterschutzphase gibt es Gesetze wie das Bundeselterngeld - und Elternzeitgesetz (BEEG). Dieses regelt alles rund um Vergütungen und Elternzeiten.

 

> Gibt es eine rechtliche Pflicht, dem Arbeitgeber in der Klinik die Schwangerschaft mitzuteilen?

Eine rechtliche Pflicht, dass Ärztinnen sich mitteilen müssen, besteht nicht. Dennoch ist eine Bekanntgabe aber so früh wie möglich zu empfehlen, denn erst ab dieser treten die o.g. Schutzregelungen in Kraft. Eine indirekte Pflicht für die Schwangere besteht aber dann, wenn die Schwangere sich und das Kind gefährdet.  

 

> Welchen Gefahren ist eine schwangere Ärztin in der Klinik ausgesetzt?

Die Gefahren können sehr unterschiedlich sein und hängen stark vom jeweiligen Arbeitsplatz und Klinikbereich ab. So ist eine Ärztin in der Pädiatrie anderen Gefahren ausgesetzt als eine Chirurgin oder eine Psychiaterin. Deswegen muss jeder Arbeitsplatz individuell begutachtet und die Risiken, denen die Schwangere ausgesetzt ist, bewertet werden. (§ 2 MuSchG, §1 MuSchArbV). Daraus ergibt sich dann entweder eine Umstrukturierung des Arbeitsplatzes, oder falls nicht möglich, eine Beschäftigungsbeschränkung oder sogar ein Verbot zum Schutz der angestellten Schwangeren.


Hier kannst du nachlesen, welche Aufgaben man als schwangere Ärztin nicht mehr durchführen darf, welche Einschränkungen es gibt und wie man auf den einzelnen Stationen als Schwangere noch eingesetzt werden kann:

Universität Greifswald

Universität Frankfurt

> Finden Sie als Juristin die Gesetze zu strikt?

Nein. Auf gar keinen Fall. Drehen wir den Spieß doch mal um: Was wäre, wenn diese Regeln und Gesetze nicht gelten würden. Genauso ist es nämlich bei der selbstständigen, niedergelassenen Ärztin. Für Sie gibt es keine Möglichkeit Geld zu beziehen, ohne zu arbeiten.

Die genannten Schutzregelungen und Entgeldregelungen gelten hier nicht. Die Ärztin bzw. in diesem Fall auch die Arbeitgeberin kann bzw. muss sogar bis zum Schluss, das heißt bis kurz vor der Geburt, arbeiten. Wenn Sie das nicht macht, verdient sie kein Geld, und macht auch keinen Umsatz, um ihre fortlaufenden Praxiskosten – d.h. auch die Löhne der Angestellten der Praxis – zahlen zu können und mit dem danach übrig bleibenden Gewinn ihre eigenen monatlichen Ausgaben zu bestreiten.

Auch Fehltage kann sie nicht versichern, z.B. durch eine Tageskrankengeldversicherung. Denn Schwangerschaft ist ja bekanntlich keine Krankheit. Auch Geld vom Sozialamt zu beziehen, aufgrund einer besonderen Lebenssituation, gestaltet sich oft schwierig. Denn eine Schwangerschaft per se gilt auch nicht automatisch als „besondere Lebenssituation“.

So bleiben ihr nur ein paar Möglichkeiten: Elterngeld und Kindergeld beziehen, beim Versorgungswerk für Rentenbeiträge beitragsfreie Zeiten bzw. einen Sonderstatus anfragen oder eine Vertretung suchen. Das ist seit 2012 bei niedergelassenen Ärztinnen mit Kassenzulassung in Zusammenhang mit der Entbindung bis zu 12 Monaten möglich. Dabei muss jedoch immer auch bedacht werden, dass die Patienten als Kunden der Praxis gehalten werden müssen. Und die Praxis läuft mit einem Praxisvertreter nur so gut weiter, wie sie der Kollege führen kann. Das ist auch ein Risiko.

Dieser prekären Situationen ist eine schwangere, angestellte Ärztin in der Klinik nicht ausgesetzt. Deshalb können wir froh sein, das es Gesetze in diesem Ausmaß in Deutschland gibt.

  

> Warum gibt es für die Schwangere und Selbstständige keine größere Unterstützung?

Zunächst einmal müsste der Staat dann Betriebsausfallkosten zahlen. Eine selbstständige Ärztin ist aber Unternehmerin - das ist nun mal ihr eigenes Risiko. Auch das Bundesverwaltungsgericht sieht dies in einem Urteil genauso. Es erklärte: Die Differenzierung ist gerechtfertigt und resultiert daraus, dass man in der Arbeitnehmerposition immer eine schwache, schutzwürdige Person ist und als Unternehmerin eben nicht. Der Betriebsinhaber, sprich die selbstständige Ärztin, ist also stets selbst für ihr Schicksal verantwortlich.

 

> Inwiefern kann eine schwangere Ärztin in der Klinik selbst bestimmen was sie noch machen kann?

Das gestaltet sich in den meisten Fällen schwierig. Denn der Arbeitgeber wird darauf achten, dass die Schwangere die Vorgaben der Arbeitssicherheit einhält. Das ist auch verständlich, denn wenn die schwangere Arbeitnehmerin sich diesen Anweisungen des Arbeitgebers bewusst widersetzt und dann etwas passiert, kann er nicht mehr haftbar gemacht werden. Die Regelungen der §§ 3, 4 und 6 MuSchG beinhalten dabei ein generelles arbeitsrechtliches Beschäftigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen, sowie ein Mehr-, Nacht- und Samstagsarbeitsverbot aufgrund von betrieblichen Gefahren, wobei es bei den Verboten gerade nicht auf den individuellen Gesundheitszustand der Schwangeren ankommt. Für diese Zeiten wird der Lohn natürlich trotzdem über § 11 MuSchG als sog. Mutterschutzlohn weiterbezahlt, auch wenn die Schwangere über die genannten Regelungen von ihrer Arbeitspflicht freigestellt ist.

Das einzige, bei dem die Ärztin flexibel handeln kann, ist die Arbeitsspanne vor der Geburt. Denn rein rechtlich muss eine werdende Mutter 6 Wochen vor der Entbindung freigestellt werden. Diese Zeit kann jedoch verlängert werden, so dass sie theoretisch auch bis kurz vor der Geburt arbeiten kann.

 

> Gibt es aus ihrer Sicht einen geeigneten Zeitpunkt für die Schwangerschaft?

(lacht). Ich denke einen geeigneten Zeitpunkt gibt es irgendwie nie. Und irgendwann ist es ja auch zu spät. Die Weiterbildung spielt aber natürlich schon eine große Rolle. Ich würde jedem empfehlen einen Zeitplan zu machen. Denn eine Schwangerschaft in der Weiterbildung zum Facharzt bedeutet auch, dass sich die Weiterbildungszeit verlängert. Wenn man nach der Geburt beispielsweise nur halbtags arbeitet, verliert man schon mal die Hälfte der Zeit.  Für manche mag auch eine Schwangerschaft während des Studiums optimal sein. Hier muss nur bedacht werden, dass in diesem Fall der Arbeitnehmerschutz nicht gilt, da man als Student noch kein Arbeitnehmer ist.  

 

 Henriette Marcus

 Henriette Marcus, Medizinrechtlerin

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