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- Antonia Greb
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- 13.09.2013
Ethik in der Medizin
In der Medizin müssen täglich viele Entscheidungen getroffen werden. Das Fach Ethik in der Medizin hilft dabei über schwierige Fragestellungen nachzudenken und Optionen abzuwägen.
Entscheidungen überlegt treffen
Fachliches Know-How ist elementar in der modernen Medizin. Doch die Anforderungen, die heute an den Arztberuf gestellt werden, gehen weit darüber hinaus: menschlich soll er sein und sich für seine Patienten engagieren. Zudem soll er unter der zeitweise enormen Verantwortung, die mit dem Arztberuf einhergeht, nicht zerbrechen, aber auch nicht abstumpfen. Der medizinische Alltag ist auch für "fertige" Ärzte nicht trivial. Das Fach "Ethik in der Medizin" kann Studierenden zwar keine Entscheidungen abnehmen. Ihnen aber helfen, sie überlegt zu treffen.
Einige Beispiele für Entscheidungen in der Gynäkologie, die Ärzten vor viele Fragen stellen:
- Eine Patientin wird in der gynäkologischen Notaufnahme eingeliefert. Sie hat starke Unterleibsschmerzen. Bei der Untersuchung ist die Ursache ihres Leidens schnell gefunden: Sie ist beschnitten und ihre Regelblutung staut sich. Zwar schlägt die behandlende Ärztin vor, die notdürftig erfolgte Naht der Beschneidung zu öffnen, doch dagegen wehrt sich die Patientin vehement: in ihrer Kultur hängt ihr Status als Frau davon ab.
- Bei der Routineuntersuchung einer Risikoschwangerschaft fällt auf, dass das Kind unter Umständen Klumpfüße haben könnte. Eine eindeutige Diagnose ist in diesem Schwangerschaftsstadium jedoch nicht möglich - die werdende Mutter beunruhigen oder abwarten, bis der Befund bestätigt werden kann?
- Im Kreißsaal kommt per Notkaiserschnitt ein 22-Wochen alter Säugling viel zu früh zur Welt. Innerhalb weniger Minuten muss die Geburtshilfe entscheiden, welche Therapie das Kind erhalten soll.
Nicht nur in der Gynäkologie stellt die Medizin enorme Anforderungen an den behandelnden Arzt. Vor allem in emotional aufgeladenen, akuten oder in Situationen, in welchen Patienten oder Angehrige nicht in der Lage sind Entscheidungen zu treffen, liegt es oft am Mediziner zu handeln. Dass es dabei nicht immer leicht, unter Umständen sogar unmöglich ist, richtig von falsch zu unterscheiden, liegt auf der Hand. Doch wie kann das Studium junge Mediziner auf solche Extremsituationen vorbereiten?
Das Fach Ethik in der Medizin
Das Fach "Ethik in der Medizin" kann Raum und Zeit im stressigen Studiumsalltag bieten, über solche Fragestellungen nachzudenken. Ziel ist dabei nicht, eine allgemein gültige Antwort oder ultimativ richtige Alternative zu finden. Denn die gibt es oftmals nicht. Doch es kann hilfreich und sinnvoll sein, verschiedene Optionen in der Theorie zu durchdenken, abzuwägen und sich über das eigene Wertesystem sowie jenes der Gesellschaft ausführlich Gedanken zu machen.
An der PMU in Salzburg werden die Studierenden im Rahmen eines solchen Faches schon im 1. Studienjahr damit konfroniert, dass die Welt gerade in der Medizin selten schwarz-weiß ist. Was unter "normalen" Umständen falsch erscheint, kann in Notfällen durchaus seine Berechtigung finden. Doch was bedeutet das überhaupt - "ethisch" zu handeln?
Kurz gesagt, ist Ethik die reflektierte Moral. Und was ist Moral? Für solche Begriffe, gibt es natürlich unzählige Definitionen, doch man könnte unter Moral zusammenfassen, was ein Individuum oder auch die Gesellschaft für richtig hält und wie dementsprechend gehandelt werden soll. Während die Moral also postuliert "So sei es", fragt die Ethik kritisch: "Soll es wirklich so sein?". Letztere kann also keine Antworten vorgeben oder Entscheidungen abnehmen - ganz im Gegenteil. Aber sie kann dabei helfen, Entscheidungen in schwierigen Situationen inhaltlich und sprachlich klarer und vor allem bewusster zu treffen.
Natürlich geht so ein Fach im straffen Lehrplan zuweilen unter oder wird leider auch von den Studierenden selbst nicht richtig ernst genommen. Dabei ist es für den zukünftigen Alltag als Mediziner wertvoll, sich schon vor Berufsbeginn Gedanken über ganz Grundsätzliches gemacht zu haben und vielleicht auch noch ein paar Methoden an die Hand zu bekommen, für die man später in brenzligen Situationen dankbar ist, weil sie die Entscheidungsfindung zwischen all den Grautönen erleichtern.