Trächtigkeitstoxikose

Autor(en): A. Ewringmann, B. Glöckner

Die Trächtigkeitstoxikose ist eine durch Haltungs- und Fütterungsfehler ausgelöste Stoffwechselentgleisung in der Hochträchtigkeit oder kurz nach der Geburt.

Ätiologie & Pathogenese

Trächigkeitstoxikosen können bei allen Caviomorpha vorkommen. Sie sind jedoch bei Meerschweinchen besonders häufig anzutreffen, da das relative Fruchtgewicht bei dieser Tierart mit bis zu 35 % extrem hoch ist. Für die Entwicklung der Feten ist daher eine besonders hohe Energiezufuhr erforderlich. Bei der Trächtigkeitstoxikose handelt es sich um eine Stoffwechselentgleisung, die kurz vor oder einige Tage nach der Geburt auftreten kann. Besonders häufig sind adipöse Tiere betroffen. Als Auslöser für die Entstehung der Erkrankung kommen sowohl Stressfaktoren als auch Haltungs- und Fütterungsfehler in Betracht:

  • Stressfaktoren sind beispielsweise fehlende Rückzugsmöglichkeiten, Unruhe sowie andere, parallel bestehende Erkrankungen.
  • Ein haltungsbedingtes Problem ist besonders Bewegungsmangel. Dieser entsteht bei Haltung in zu kleinen Käfigen ohne Beschäftigungsmöglichkeiten.
  • Die begünstigenden Fütterungsfehler sind vielfältig:  
    • plötzliche Futterumstellungen
    • hohe Energie- und Fettgehalte der Ration bei gleichzeitigem Mangel an Rohfaser vor und in der   Frühphase der Trächtigkeit, die zu einer Adipositas geführt haben
    • ein zu niedriger Energiegehalt in der Ration in fortgeschrittenen Trächtigkeitsphasen, der die Entstehung einer Energiemangelsituation fördert

Gerät das Muttertier in einen Energiemangel, führt dies zu einem überstürzten Abbau von Fettreserven. Dieser hat bei adipösen Tieren besonders rasch gravierende Folgen. Bei ihnen besteht bereits eine alimentäre Leberverfettung mit eingeschränkter Organfunktion. Die Leber wird nun zusätzlich mit freien Fettsäuren überflutet, die nicht in diesem Umfang verstoffwechselt werden können. Zudem entstehen Ketonkörper, die das Organ zusätzlich schädigen. Der Leberstoffwechsel bricht zusammen.

Klinik

Kurz vor oder einige Tage nach der Geburt stellen die Tiere plötzlich die Futter- und Wasseraufnahme ein und werden apathisch. Innerhalb kürzester Zeit kommt es zu Bewusstseinstrübungen und Krämpfen. Der Tod tritt meist innerhalb von 24– 48 Stunden ein. Daneben kommen auch plötzliche Todesfälle vor, ohne dass vorangegangene Erkrankungssymptome beobachtet werden konnten.

Diagnose

Bereits der Erkrankungszeitpunkt und das akute Krankheitsgeschehen lassen den Verdacht auf eine Toxikose zu. Bei Urinuntersuchungen sind Ketonkörper, Proteine und eine Senkung des pH-Wertes in den sauren Bereich nachweisbar. Blutuntersuchungen ergeben Erhöhungen der Werte für GOT (AST), GPT (ALT), Bilirubin und Cholesterin. Aufgrund einer bestehenden Hyperlipidämie besitzt das Blutplasma ein milchig-trübes Aussehen.

Therapie & Prognose

Ein therapeutisches Eingreifen bringt aufgrund der massiven Leberschädigung meist keinen Erfolg mehr. Versuchsweise erhalten die Patienten Infusionen mit Zusatz von Glukose und Kalziumglukonat . Vitamine sollten ebenfalls substituiert werden. Bei hochträchtigen Tieren kann durch einen Kaiserschnitt in Einzelfällen das Leben der Jungtiere gerettet werden.

Therapie bei Trächtigkeitstoxikose

s. Quelle

Prophylaxe

Da eine Behandlung der Erkrankung meist erfolglos ist, kommt ihrer Prävention eine entscheidende Bedeutung zu. Schon im Vorfeld einer Trächtigkeit müssen die Tiere adäquat ernährt werden und dürfen nicht verfetten. Mit fortschreitender Gravidität muss die Ration den veränderten Verhältnissen angepasst werden. Einerseits steigt der Energie- und Kalziumbedarf für die Fruchtentwicklung, andererseits nimmt mit steigender Fruchtgröße die Futteraufnahmekapazität des Muttertiers ab. Meerschweinchen erhalten weiterhin qualitativ hochwertiges Heu als Grundfutter. Der „Kraftfutteranteil“ kann erhöht werden, wobei pelletierten Futtermitteln der Vorzug zu geben ist. Diese können durch Untermischen von Trockengemüse und Weizen- oder Haferflocken noch zusätzlich energetisch aufgewertet werden.

Frischfutter mit geringer Energiedichte, wie Gurke, Tomate oder Salat, wird gegen solches mit höherer Energiedichte, z. B. Wurzelgemüse, Obst oder Broccoli, ausgetauscht. Der Anteil strukturierten Grünfutters (Gras, Löwenzahn, Kräuter) muss unverändert hoch bleiben. Auch bei Degus ist ein ausreichendes, hochwertiges Heuangebot unverzichtbar und auch bei ihnen können Getreideflocken zusätzliche Energie liefern. Gelegentliche Gaben von Kolbenhirse sind ebenfalls möglich. Ausreichende Kalziumgehalte werden durch das Anbieten von Kräutern, Löwenzahn und Broccoli erreicht. Chinchillas werden mit schmackhaftem Kräuterheu und inhaltlich ausgewogenen Chinchillapellets ernährt. Bei allen trächtigen Tieren muss Stress vermieden und für ausreichende Bewegungsmöglichkeiten gesorgt werden.

Quelle: A. Ewringmann, B. Glöckner, Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu,
Diagnostischer Leitfaden und Therapie, ISBN: 9783830410911, 2. Aufl., überarb. 2012, S. 180-181

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Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu
Anja Ewringmann, Barbara GlöcknerLeitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu

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