Rhodococcus-equi-Infektion

Autor(en): O. Dietz; B. Huskamp

Definition:

Rhodococcus equi verursacht nach Inhalation der Keime in den ersten beiden Lebenswochen chronisch progressive, abszedierende und lebensbedrohliche Pneumonien bei Fohlen im Alter von meist ein bis fünf, selten bis zu acht Monaten. Es handelt sich typischerweiseumeine bestandsweise gehäuft auftretende Problematik.

Ätiologie und Pathogenese:

Rhodococcus equi (früher Corynebacterium equi) ist ein grampositives pleomorphes Bakterium, das nach der Phagozytose durch Makrophagen in diesen Zellen nicht nur überlebt, sondern sich vermehren und die Abwehrzellen sogar zerstören kann. Die Rhodokokken sind in der Lage, die Verschmelzung der Phagosomen mit den ebenfalls intrazellulären Lysosomen der Makrophagen zu verhindern. In der Bakterienwand enthaltene Mykolsäuren fördern zudem die Bildung von Granulomen. Diese speziesspezifisch zusammengesetzten Säuren führen auch dazu, dass sich Rhodococcus equi als (schwach) säurefest erweisen und dementsprechend mit der Ziehl-Neelsen Färbung anfärbbar sein kann.

Die Bakterien sind in Boden- und Kotproben häufig nachweisbar, so dass von einem ubiquitären Vorkommen auszugehen ist. Um Krankheitserscheinungen auslösen zu können, müssen die Rhodokokken spezielle, plasmidabhängige Virulenzfaktoren aufweisen. Die Infektion findet über Inhalation bakterienbeladener Staubpartikel in den ersten Lebenstagen, wahrscheinlich aber maximal bis zu einem Alter von zwei Wochen statt. Wahrscheinlich spielt die noch nicht voll entwickelte Kompetenz des pulmonalen Abwehrsystems der Fohlen dabei eine Rolle, da die Rhodokokken bei älteren Pferden keine Infektion mehr auslösen können. Dementsprechend sind besonders Fohlen betroffen, die sehr jung staubigen Bedingungen ausgesetzt sind, insbesondere wenn getrocknete Faeces aerosoliert werden. Die Erkrankung selbst entwickelt sich meist schleichend, so dass klinische Symptome frühestens in einem Alter von 4 Wochen, häufig aber erst nach mehreren Monaten auffällig werden. Es kommt zur granulom- und/oder abszessreichen, purulenten Bronchopneumonie, meist verbunden mit einer eitrigen Lymphadenitis. Die Tiere schlucken bakterienhaltige Sekrete und Exkrete ab, so dass bei etwa 50% der Patienten mit Rhodokokken-Pneumonie auch mit Granulom- bzw. (Mikro-)Abszessbildung vor allem im Dickdarmbereich zu rechnen ist. Diarrhoe und mesenteriale Abszedierung sind mögliche Folgen.

Im Gegensatz zum erwachsenen Pferd vermehren sich die Rhodokokken bei solchen Fohlen auch im Intestinaltrakt und werden vermehrt mit den Faeces ausgeschieden. So kann der Kot betroffener Tiere bei trockenen Bedingungen die Infektionsquelle für weitere junge Fohlen darstellen. Wahrscheinlich lymphogen gestreut und weniger häufig als intestinale Probleme treten als Komplikation der Rhodokokken- Bronchopneumonie Polysynovitis oder Osteomyelitiden (u. a. der Wirbelkörper) auf. Gelegentlich sind auch Abszesse im Auge oder weiteren inneren Organen zu finden.

Symptome:

Trotz des schleichenden Verlaufs werden die Fohlen oftmals als akut bis subakut erkrankt im Alter von 1–5 Monaten präsentiert, da die Symptome erst offensichtlich werden, wenn bereits ein großer Teil der Lunge betroffen ist bzw. Abszesse rupturieren. Meist finden sich typische Anzeichen einer Pneumonie mit Fieber, Inappetenz und pathologischen Befunden der Lungenauskultation und Perkussion. Husten und Nasenausfluss können fehlen. Diarrhoe, Polysynovitis (besonders häufig sind Knie- und tibiotarsale Gelenke betroffen) können in Verbindung mit der respiratorischen Symptomatik auffällig sein. Weitaus seltener kommt es zu akuter Dyspnoe, hohem Fieber und plötzlichen
Todesfällen.

Diagnose:

Aufgrund allein klinischer Untersuchungen lässt sich bestenfalls die Diagnose der Bronchopneumonie stellen. Labordiagnostisch sind im Blut meist unspezifische Entzündungszeichen wie Leukozytose (absolute Neutrophilie) und Hyperfibrinogenämie zu finden. Der Nachweis von Granulomen bzw. Abszessen im Lungengewebe (nur sehr selten sind lediglich konsolidierte Lungenbereiche zum Zeitpunkt der Vorstellung vorhanden) gelingt mit hoher Sensitivität durch Röntgenaufnahmen der Lunge. Aber auch sonographisch lassen sich fast ebenso häufig Granulome bzw. Abszesse im Lungengewebe der Fohlen feststellen. Die ätiologisch eindeutige Diagnose erfordert naturgemäß den Keim- nachweis, der allerdings im Tracheobronchialsekret von Fohlen, die aus einem Problembestand stammen und bei denen klinisch sowie sonographisch eine Pneumonie nachzuweisenwar, lediglich eine Sensitivität von 51% aufweist. Zytologische TBS Untersuchungen mit Nachweis von grampositiver, pleomorpher und intrazellulär gelegener Bakterien könnten die Sensitivität erhöhen. Erschwerend kommt hinzu, dass bei Fohlen häufig auch Streptococcus equi subsp. zooepidemicus im TBS nachzuweisen ist. Diese Keime sollten allerdings nur bei Einwirkung weiterer prädisponierender Faktoren in der Lage sein, abszedierende Bronchopneumonien auszulösen. Da meist auch eine Begleitflora auf den üblichen Nährbödenwächst und die Rhodokokken darauf meist 48 Stunden brauchen, um ihre transparenten Kolonien deutlich auszuprägen, empfiehlt es sich, bei entsprechendem Verdacht das untersuchende Labor zu bitten, speziell auf den Rhodokokkennachweis zu achten bzw. spezielle Nährböden zu verwenden.

Therapie:

Obgleich im Antibiogramm oftmals eine Vielzahl von Substanzen als wirksam erscheint, besitzen lediglich Erythromycin in Kombination mit Rifampin (Rifampicin), Azithromycin und Clarithromycin sowie die beiden letztgenannten in Kombination mit Rifampin einen deutlich verbessernden Effekt in vivo. Mit Einführung der Erythromycin/Rifampin Kombination in der Therapie werden Überlebensraten von über 70% erreicht. Unbehandelt ist mit Mortalitätsraten von 80% zu rechnen. Die Unterschiede in der In-vitro- versus der In-vivo-Wirksamkeit antibakterieller Substanzen wird hauptsächlich mit der intrazellulären Lebensweise von Rhodococcus equi und der Abgrenzung dieser Keime vomgut durchbluteten Gewebe in Granulomen bzw. Abszessen begründet.

Die Therapie muss über mindestens vier, oft aber acht bis zehnWochen durchgeführt werden. Die Antibiose darf erst abgesetzt werden, wenn mittels klinischer, bildgebender und labordiagnostischer Methoden kein Infektionsanzeichen mehr zu finden ist. Daher sind ausschließlich oral zu verabreichende Antibiotika praktikabel. Die folgenden (in Deutschland ausnahmslos nicht zur Anwendung beim Pferd zugelassenen) Substanzen und Dosierungen werden empfohlen:

  • Erythromycin (25 mg/kg KM 4 x tgl.) in Kombination mit Rifampin (5 mg/kg KM 2 x tgl. oder 10 mg/kg KM 1 x tgl.) oder als dreimal tägliche Gabe jeweils beider Medikamente (Erythromycin je 35 mg/kg KM und Rifampin 6 mg/kg KM) oder
  • Azithromycin (10 mg/kg 1 x tgl. für 5 bis 7 Tage, dann alle 2 Tage) oder
  • Clarithromycin (7,5 mg/kg 2 x tgl.).

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind für das bislang am häufigsten eingesetzte Erythromycin dokumentiert und umfassen Antibiotika assoziierte Enteritiden bei Fohlen und Stuten sowie Hyperthermie bei den behandelten Fohlen. Weitere unterstützende Maßnahmen bestehen in der Sauerstoffinsufflation bei Fohlen mit höhergradiger Dyspnoe, fiebersenkenden Mitteln bei Körpertemperaturen über 39,5 °C sowie symptomatischer Behandlung von Komplikationen wie Diarrhoe oder Polysynovitis. Selbstverständlich sollten die Fohlen in gut belüfteten Boxen möglichst staubarm gehalten und gefüttert werden. Inhalation von Salzlösungen und Expektorantien können bei Sekretverflüssigung und -abtransport hilfreich sein. Bronchodilatatorisch wirksame Arzneimittel sollten nicht oder mit Vorsicht eingesetzt werden, da die dadurch wieder erfolgende Belüftung alveolärer Bereiche nicht immer von deren ausreichender Durchblutung begleitet wird und sich somit eine arterielle Hypoxämie sogar verstärken kann.

Prognose:

Chronische Verlaufsformen ohne osteomyelitische Komplikation haben eine recht gute Prognose, wenn die antibakterielle Therapie lang genug durchgehalten wird. Auch die spätere Leistungsfähigkeit scheint dann nicht beeinträchtigt zu sein. Bei starker Dyspnoe, hochgradiger Leukozytose und Hyperfibrinogenämie sowie höhergradig ausgeprägter Diarrhoe bzw. Polysynovitis oder Osteomyelitis ist die Prognose dagegen als vorsichtig bis ungünstig zu beurteilen.

Prophylaxe:

Vermeidung von Staubexposition der jungen Fohlen, insbesondere wenn dieser mit Boden- oder Kotbestandteilen kontaminiert sein kann, ist eine wichtige prophylaktische Maßnahme in betroffenen Beständen. Die frühzeitige Entdeckung von Fohlen mit pneumonischen Herden erfordert ein Überwachungsprogramm, z. B. durch regelmäßige (max. Abstand von 4Wochen) Bestimmungen der Gesamtleukozytenzahl im Blut.

Bei Werten von >14 x 109/Liter in betroffenen Beständen sollten bildgebende Verfahren und evtl. eine bakteriologische Untersuchung des Tracheobronchialsekrets durchgeführt werden. Die frühzeitige Entdeckung möglichst noch subklinisch erkrankter Fohlen hat den Vorteil, dass die kostenintensive Therapie meist verkürzt und das erkrankte Fohlen isoliert werden kann, um die Keimkonzentration im Bestand nicht weiter zu erhöhen.

Bei erheblicher Bestandsproblematik kann die Gabe von Hyperimmunseren mit hohem Antikörpergehalt gegen verschiedene Rhodokokken-Antigene Häufigkeit und Schwere der Erkrankungen deutlich vermindern. Dabei wird eine wiederholte Gabe von je einem Liter in den ersten sieben Lebenstagen und im Alter von etwa 25 Tagen empfohlen.

Quelle: O. Dietz, B. Huskamp (Herausgeber), Handbuch Pferdepraxis, ISBN: 9783830410287, 3. Aufl., völlig neu bearb. 2005, S. 345-346

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