Kratzmarkieren

Autor(en): S. Schroll, J. Dehasse

Kratzmarkierungen sind eine Kombination von olfaktorischen, akustischen und optischen Signalen. Die mit den Pfoten angebrachten Pheromone haben keine große Reichweite, sodass die optischen Veränderungen anziehend auf andere Katzen wirken. Die Krallenpflege ist ein sekundärer Effekt des Kratzmarkierens, aber nicht die hauptsächliche Motivation.

Verhaltenssequenz:

Katzen suchen sich bevorzugt Kratzmarkierstellen in der Nähe ihrer Schlaf- und Ruheplätze oder zentral gut sichtbare Plätze. Die Orientierung kann vertikal, schräg oder horizontal sein. Sie stellen oder setzen sich auf die Hinterbeine und kratzen rund 2- bis 10-mal mit den Vorderpfoten (Abb. 1).

Abb. 1: Kratzmarkieren

 

Freilaufkatzen wählen Bäume oder Objekte, an deren Oberfläche die Kratzspuren gut sichtbar sind. Das Gefühl des Aus- oder Zerreißens von Rinde oder Fasern scheint für das subjektive Empfinden befriedigender Markierung große Bedeutung zu haben. Kratzmarkierungen werden regelmäßig erneuert; je länger eine Kratzstelle in Gebrauch ist, desto mehr Bedeutung hat sie.

Diagnostische Hinweise:

  • Kratzmarkieren ist ein physiologisches Verhalten der Katze. Probleme treten häufig auf, weil dieses Verhalten vom Besitzer nicht verstanden und die Bedürfnisse der Katze nicht respektiert werden.
  • Sowohl vermindertes als auch übersteigertes Kratzmarkieren kann Symptom einer Angststörung sein. Die Beurteilung erfolgt ipsativ, das heißt die früheren Markiergewohnheiten der Katze werden mit der momentanen Intensität verglichen.

Die Katze wird häufig vorgestellt mit “Sie hat einen so tollen Kratzbaum und trotzdem demoliert sie mein Sofa.” Auslöser für die Suche nach Hilfe kann auch die geplante oder bereits erfolgte Neuanschaffung von Möbeln oder Tapetenwechsel sein.

Wichtig bei der Anamnese:

  • Genaue Beschreibung des Symptoms.
  • Ökosoziales System verändert?
  • Respekt für die ethologischen Bedürfnisse der Katze?
  • Bisherige Maßnahmen?
  • Weitere Verhaltenssymptome?
  • Genaue Beschreibung des Symptoms

Wo? Plan zeichnen mit allen Stellen, an denen die Katze kratzt. Zeitliche Entwicklung mit Zahlen kennzeichnen. Bezug zu anderen wichtigen Lebensfeldern der Katze – Schlaf- und Ruheplätze, Spielplätze, Durchgangszonen, Aussichtsplätze, Eingangstüren, etc. – markieren.

Wie häufig? Zu dieser Frage kann der Besitzer in der ersten Konsultation nur selten Auskunft geben. Bei Verdacht auf zu häufiges oder exzessives Kratzmarkieren Aufzeichnungen erbitten. Es gibt keinewissenschaftlichen Daten zur Frequenz von Kratzmarkieren, sodass die Symptomatik ipsativ beurteilt werden muss.

Wann? Zeitliche Zusammenhänge und der Kontext, in dem Kratzmarkieren auftritt, geben Hinweise auf die mögliche Motivation:

Ökosoziales System verändert?

Da Kratzmarkieren sowohl der direkten wie auch der indirekten Kommunikation dient, haben vor allem die sozialen Beziehungen einen Einfluss darauf.

Respekt für die ethologischen Bedürfnisse der Katze?

Die Aussage, dass die Katze ohnehin einen Kratzbaum zur Verfügung hat, ist per se völlig wertlos. Die Vorstellungen und Ansprüche hinsichtlich Kratzgelegenheiten unterscheiden sich zwischen Besitzer, Tierbedarfshandel und Katze nämlich ganz erheblich. Für die Katze sind folgende Kriterien von Bedeutung:

  • Standort.
  • Material.
  • Anzahl.
  • Standfestigkeit.

Für den Besitzer sind meistens von Bedeutung:

  • Farbe passend zur Einrichtung.
  • Größe beziehungsweise Platzbedarf: entweder möglichst klein und unauffällig als Alibi oder als monströses, aber nicht unbedingt katzengerechtes, Supermodell mit allen Raffinessen.
  • Ordentliches Aussehen ohne hervorstehende Fransen.

Welche bisherigen Maßnahmen?

In vielen Fällen wurde das Kratzen an Möbelstücken vom Besitzer bislang toleriert und wird erst mit einer Neuanschaffung störend.

  • Strafen: Anschreien und verjagen sind übliche Lösungsansätze. Manchmal werden Katzen mit Sprühflaschen „anonym“ bestraft. Dies führt zu Kratzmarkieren nur in Abwesenheit des Besitzers oder zur Etablierung eines Rituals, mit dem die Katze Aktivität initiieren kann, und/oder zur Störung der sozialen Beziehungen zur Katze.
  • Repellanzien: Parfums, Katzenfernhaltespray, Essig, Zitrusöle, etc. sind in der Regel ohne Effekt.

Weitere Verhaltenssymptome? Dem Untersuchungsgang folgend werden die weiteren Verhaltensbereiche erfasst und Symptome registriert. Kratzmarkieren kann als Einzelsymptom bei psychisch gesunden Katzen vom Besitzer als störend empfunden werden. in übermäßiger Form Symptom einer Angststörung sein.

Mögliche Diagnosen

Im Rahmen der folgenden psychischen Störungen kann Kratzmarkieren auftreten:

  • Deprivationssyndrom.
  • Generalisierte Angststörung.
  • Angststörung aufgrund von Deritualisation.
  • Angststörung bei zusammenlebenden Katzen.
  • Angststörung aufgrund restriktiver Lebensbedingungen.
  • Hyperaktivitätsstörung.

Therapeutische Strategien

Therapeutische Strategien werden an die individuellen Möglichkeiten und Bedürfnisse des Besitzers und der Katze angepasst:

• Pheromontherapie:

    o Feliway® Spray.

    o Feliway® Diffuseur.

Ökoethologische Therapie. Das Prinzip ist einfach. Die Ansprüche der Katze an Markierstellen erfüllen:

    o Material.

    o Orte.

    o Anzahl.

    o Unerwünschte Kratzstellen unbrauchbar machen.

    o Unerwünschte Kratzstellen unzugänglich machen.

Kognitive Therapie und Reframing:

    o im Gespräch mit dem Besitzer

         Kratzmarkieren ist ein natürliches Ausdrucksverhalten von Katzen und kein Bosheitsakt.

         Mit Kratzmarkierungen strukturieren sich Katzen ihr Lebensumfeld.

         Frequenz und Kontext beobachten und protokollieren lassen.

Verhaltenstherapien:

    o Instrumentelle Gegenkonditionierung.

    o Aversive Gegenkonditionierung.

Umplatzierung.

Chirurgische Maßnahmen:

    o Krallen schneiden.

    o (Krallenamputation ist verboten!).

Sonstige Maßnahmen: Soft Paws®.

• Psychopharmaka: Kratzmarkieren ist ein normales Markier- und Kommunikationsverhalten von Katzen und erfordert im Allgemeinen keine medikamentelle Therapie. Exzessives oder zwanghaftes Kratzmarkieren ist Symptom einer Angststörung, für die eine Therapie mit Psychopharmaka sinnvoll sein kann.

Quelle: S. Schroll, J. Dehasse

Verhaltensmedizin bei der Katze

ISBN: 9783830410812

2. Aufl., akt. 2009, S. 44-45, 92-94

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