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Hundetraining aus tiermedizinischer Sicht

Welche Bewegung hält (m)einen Hund gesund und fit? Wir zeigen Ihnen, was bei Training und Beratung beachtet werden muss.

In der tierärztlichen Praxis wird häufig die Frage nach einer geeigneten Hundeschule oder einem empfehlenswerten Hundeplatz gestellt. Zudem suchen die Patientenbesitzer Rat, wie ein Hund optimal beschäftigt und ausreichend bewegt werden kann, insbesondere, wenn bei einem Tier gesundheitliche Einschränkungen festgestellt wurden. Bei der Vielzahl der heute angebotenen Hundesportarten ist es teilweise schwierig den Überblick zu haben, wie körperlich belastend die einzelnen Sportarten sind.

Welpe und Junghund

Schon beim Welpen und Junghund gibt es einiges zu beachten: Im Wachstum durchläuft der Hund mehrere sensible Phasen der körperlichen und geistigen Entwicklung. Eine erfolgreiche und umfassende Sozialisation muss in jenem kurzen Zeitfenster erfolgen, in dem gerade junge Tiere kurze Aufmerksamkeitsspannen bei großer Bewegungsaktivität aufweisen und bei großwüchsigen Hunden zudem die Gefahr der körperlichen Überlastung besteht. Das Hauptwachstum erfolgt innerhalb der ersten 7 Monate und die Riesenrassen wachsen in 18 Monaten etwa so viel wie ein Mensch in 18 Jahren! Das ist sehr anstrengend und nicht mit exzessiver Bewegung vereinbar. Die Gelenkentwicklung ist bei der Geburt nicht abgeschlossen, viele Gelenke wachsen nicht nur, sondern schließen im ersten halben Jahr ihre Entwicklung ab, so z. B. die Hüfte mit 4 Monaten und der Ellbogen mit 6 Monaten. Da die Ernährung des Gelenkknorpels ausschließlich durch Diffusion aus der Gelenkflüssigkeit erfolgt, kann eine zu hohe oder zu lange andauernde Belastung zu folgenden Knochen- und Knorpelschäden führen, die als typische Erkrankungen der Wachstumsphase gelten:

  • OCD (Osteochondrosis dissecans) mit Ablösung von Knorpelschuppen im Gelenk, häufig in der Schulter,
  • Ablösung von noch nicht verwachsenen Knochen/Knorpelteilen, z. B. isolierter Processus anconeus oder fragmentierter Processus coronoideus im Ellbogen,
  • Knorpelablösungen in den Wachstumsfugen, z. B. an Knie und Oberschenkel,
  • Grünholzbrüche (= Brüche des Knochens bei intakter Knochenhaut),
  • unregelmäßiges Wachstum paariger Knochen mit Stufenbildung z. B. im Ellbogen- oder Handwurzelgelenk,
  • Knochenentzündungen (Panostitis),
  • Ernährungsstörungen des Knochens (heute sehr selten, fast nur bei gebarften Hunden).

In der Wachstumsphase zeigen sich zusätzlich zu den aufgeführten Erkrankungen auch angeborene und erworbene Fehlstellungen.

Junghundetraining

Für das Training in der Wachstumsphase bedeuten die obigen Fakten, dass die körperliche Belastbarkeit extrem gering und deswegen eine Auslastung durch körperliche Betätigung häufig nicht möglich ist. Dies gilt auch für das Spielen mit anderen Hunden, auch wenn Junghunde für ihre gute Sozialisation möglichst vielen Umweltsituationen ausgesetzt werden müssen. Wenn es bereits zu Schäden am Bewegungsapparat gekommen ist, zeigen die Tiere zudem schmerzbedingt häufig abnormes Verhalten wie z. B. „Arbeitsverweigerung“, Unsicherheit oder Meideverhalten oder gar Anzeichen von Aggression oder Angst – alles Symptome, die hinterfragt und medizinisch abgeklärt werden sollten.

Die Besitzer müssen deshalb gerade bei großwüchsigen Rassen darauf hingewiesen werden, dass sie kurze Belastungszeiten mit langen Ruhephasen für ihren Junghund einhalten sollten, da das Wachsen an sich Stress und Arbeit genug ist! Auch ein Hinweis auf eine restriktive Fütterung mit geringer Energiedichte für Welpen und Junghunde mit hoch-wertigem Futter, das die Ernährung des Knorpels fördert, ist empfehlenswert. Die Schlagworte lauten hier: „großhungern“ lassen und Übergewicht vermeiden.

Trainingsregeln

Für die Bewegung im Wachstum gilt folgende Faustregel: Zur ausreichenden Ernährung des Gelenkknorpels den Junghund maximal 10 Minuten am Stück laufen lassen, dann mindestens 5 Minuten Ruhepause einlegen.

Im Welpen- und Junghundtraining sollten Spielgruppen passend nach Alter und Größe zusammengestellt werden. Kurze Spielphasen mit ausreichenden Pausen sollten eingehalten und die Pausenzeit für Erklärungen des Gruppenleiters genutzt werden. Auf Frühsignale von Bewegungsstörungen wie Lahmheiten, Lethargie, evtl. Aggression, häufiges Liegen, Schmerzäußerungen (s. o.) sollte geachtet und diese ernst genommen werden. Eine gute Hundeschule schickt auffällige Hunde frühzeitig zur Diagnostik zum Tierarzt!

Sport und Stress

Die Belastungen im Hundesport sind mannigfaltig – neben den körperlichen Belastungen (durch physischen Stress, körperliche Handicaps, Schmerz) gibt es auch viele psychische Belastungen. Bei den psychischen Belastungen ist die Stressbelastung durch andere Hunde, Umweltreize, Besitzer (z. B. durch Kommunikationsprobleme, überhöhte Erwartungshaltung, Ungeduld, Unsicherheit) und die Stressbelastung als Folge von Schmerz zu nennen. Viele Hundebesitzer neigen dazu, ihre Hunde zu überfordern und gerade in der Entwicklungsphase ist es oft die wichtigste Aufgabe der Hundeschule, den Ehrgeiz der Besitzer zu bremsen und eine altersgerechte Beschäftigung zu bieten. Auch als TFA sollte man den teilweise verzweifelten Hundebesitzern eines plötzlich ungehorsamen pubertierenden Junghundes vermitteln, dass es sich hierbei nicht um einen schwer erziehbaren Zeitgenossen handelt, sondern um eine ganz natürliche Entwicklung.

Körperlicher Stress

Bei den körperlichen Belastungen unterscheiden wir zwischen Kreislaufbelastung und Belastungen des Bewegungsapparats wie Gelenkbelastung, Wirbelsäulenbelastung, Belastung von Muskeln, Sehnen und Bändern. Hunde tragen 55–60 % des Körpergewichts mit der Vorhand; die Vorhand stützt den Körper und die Hinterhand ist der Motor und initiiert die Vorwärtsbewegung. Bänder, Gelenke und Bandscheiben dienen der Stoßdämpfung, Sehnen und Muskeln dienen der Fortbewegung und Schnellkraft. Hunde sind ausdauernde Läufer und schnelle Sprinter, aber sie sind weder Katzen noch Bergziegen, d. h. ihr Bewegungsapparat ist nicht für Sprünge in die Tiefe oder extremes Klettern ausgerichtet.

Die verschiedenen Hunderassen haben teilweise nur noch wenig mit dem Wolf gemein und damit viel ihrer natürlichen Bewegungsfähigkeit verloren. Das Verhältnis von Knochenbau und Halteapparat zum Körpergewicht ist häufig nicht mehr ausgewogen. Veränderungen in der Winkelung oder Stellung der Gliedmaßen verändern die gesamte Biomechanik wie z. B. Kurzbeinigkeit oder eine abschüssige Kruppe. Gravierende Veränderungen des Skeletts führen zu Funktionseinschränkungen von Organen. Durch die bei kurzschnäuzigen Rassen fast regelmäßig auftretenden Keilwirbel sind Schädigungen des Rückenmarks entweder angeboren oder erworben, auch Bandscheibenschäden sind sehr häufige Erkrankungen dieser Rassen. Zudem ist ihre Atmung meist insuffizient und stark erschwert.

Lesen Sie hier den gesamten Beitrag: Hundetraining aus tiermedizinischer Sicht – Passende Bewegung für gesunde Tiere und Tiere mit Handicap

Aus der Zeitschrift team.konkret 4/2014

 

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