Diabetes mellitus

Autor(en): A. Ewringmann, B. Glöckner

Die Diabetes mellitus ist eine endokrine Erkrankung, die mit Polydipsie, Polyurie und Polyphagie einhergeht.

Ätiologie & Pathogenese 

Die Entstehung des Diabetes mellitus bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu ist noch nicht eindeutig geklärt. Bei Meerschweinchen und Degu wird eine virale Genese diskutiert. Beim Degu fällt außerdem auf, dass Insulin und Glukagon eine besondere Struktur aufweisen, was möglicherweise die Fähigkeit des Glukoseabbaus negativ beeinflusst. Für alle 3 Tierarten wird zudem eine genetische Komponente in Betracht gezogen, da in manchen Zuchtlinien Häufungen auftreten. 

Klinik 

Allen 3 Tierarten gemeinsam sind die Leitsymptome Polydipsie und Polyphagie. 

Während Degus und Chinchillas trotz sehr guter Futteraufnahme kachektisch werden, fällt beim Meerschweinchen eine Gewichtszunahme bis hin zu einer ausgeprägten Adipositas auf. 

Ein weiteres hinweisendes Symptom für alle 3 Tierarten sind Katarakte (s. Abb. 1 und Abb.2). Im Rahmen eines Diabetes mellitus kann sich außerdem eine Suppression des Immunsystems entwickeln, sodass sekundär auftretende Infektionen einen schwereren Verlauf nehmen können und die Heilung von Wunden verzögert wird. Im weit fortgeschrittenen Stadium eines unbehandelten Diabetes kann es schließlich zu Stoffwechselentgleisungen im Sinne von Hepatopathien und Nephropathien kommen. Der betroffene Patient entwickelt dann eine Anorexie und Apathie bis hin zur Somnolenz. 

Abb. 1: Diabetische Katarakt bei einem Degu 

Abb. 2: Diabetische Katarakt bei einem Meerschweinchen 

 Diagnose 

Die Diagnose eines Diabetes mellitus ergibt sich aus wiederholten Blutzuckermessungen. Bei Degu und Chinchilla liegt bereits bei Blutzuckerwerten über 200 mg/dl ein Diabetes-Verdacht vor, beim Meerschweinchen bei einer Hyperglykämie über 250 mg/dl. Eine Absicherung der Diagnose kann insbesondere beim Meerschweinchen und Chinchilla über die Bestimmung der Fructosamine erfolgen. Kann ausreichend Blut gewonnen werden, sollten initial auch zumindest eine Leukozytenzählung sowie eine Bestimmung der Leber- und Nierenwerte durchgeführt werden, um die Therapie optimal abstimmen zu können. 

Bei Meerschweinchen mit Hyperglykämien sollte stets auch der T4-Wert bestimmt werden, da Hyperthyreosen gelegentlich mit einer massiven Erhöhung des Blutzuckerspiegels einhergehen. Besonders häufig tritt dies bei Tieren unter 3 Jahren auf.

Im Harn ist eine Glukosurie nachweisbar. Ketonkörper können erst in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien aufgefunden werden. 

Therapie & Prognose 

Zur Behandlung des Diabetes mellitus wird ein Insulin mit möglichst langer Wirkung eingesetzt. Eine Therapie kommt jedoch nur dann infrage, wenn die Diagnose durch wiederholte Blutzuckermessungen und/oder eine entsprechende Erhöhung der Fructosamine gesichert ist. Zudem muss der Besitzer darüber aufgeklärt werden, dass es sich um eine lebenslange Therapie handelt, die sehr sorgfältig und zuverlässig erfolgen muss. Viele Besitzer möchten ihr Tier nicht gern mit Injektionen behandeln. Beim Meerschweinchen liegt es zum einen oft daran, dass viele Tiere bei Manipulationen gleich welcher Art sofort gellende Alarmpfiffe verlauten lassen. Zum anderen kostet es viele Besitzer sehr viel Überwindung und Übung, die dicke Haut des Meerschweinchens zu durchstechen. Beim Chinchilla liegt die Sorge eher darin, dass die Haut extrem dünn ist und der Patient evtl. zur Therapie geweckt werden muss, beim Degu – insbesondere wenn er in einer größeren Gruppe gehalten wird – ist der Stress des regelmäßigen Herausfangens zu berücksichtigen. Entscheidet der Besitzer, dass eine Therapie eingeleitet werden soll, so muss das betroffene Tier zunächst zur Erstellung eines Tagesprofils kurzfristig eingestellt werden. Es hat sich bewährt, nach Möglichkeit mindestens ein Partnertier mitbringen zu lassen und beide in einen ruhigen Raum zu verbringen, um eine möglichst stressfreie Umgebung zu schaffen. Wichtig ist auch, dass der Besitzer eine in Menge und Zusammenstellung typische Futterportion mitbringt. Auch dies trägt dazu bei, eine realistische, d. h. auf die häuslichen Verhältnisse übertragbare Blutzuckerkurve zu erhalten. 

Die 1. Blutzuckermessung erfolgt frühestens eine ½ Stunde nachdem der Patient in der Praxis eingetroffen ist, um das Risiko von Verfälschungen des Messwerts (Stresshyperglykämien) zu minimieren. 

Liegen bei Behandlungsbeginn Infektionen vor, so sind diese antibiotisch zu behandeln. Leidet der Patient bereits unter Nephropathien oder Hepatopathien Hepatopathien, so ist zudem eine Infusionstherapie einzuleiten. Im Falle von Nephropathien kann eine Unterstützung mit biologischen Präparaten, wie Renes viscum® oder der Kombination Solidago/Ubichinon/Coenzyme comp.® (SUC), hilfreich sein. Liegen Hepatopathien vor, so kann eine Unterstützung der Organfunktion, z. B. über die Gabe von B-Vitaminen 82 oder Präparaten, wie Hepar comp® versucht werden. Inappetente Tiere sind regelmäßig zwangszufüttern. Die Prognose ist in allen Fällen mit bereits eingeschränkten Organfunktionen sehr vorsichtig zu stellen. 

Das Tier erhält als Anfangsdosis 1 I.E./kg Insulin s.c. Die Kontrollen des Blutzuckerwerts erfolgen idealerweise etwa alle 3 Stunden. Beim Degu und auch bei zarten Chinchillas müssen sicherlich größere Abstände gewählt werden, da die Venen nicht so häufig punktiert werden können. Die Kontrollen bei diesen Tieren erfolgen daher nach etwa 5–6 Stunden. Je nach Wirkdauer des gewählten Insulinpräparats und je nachdem, wie rasch der Blutzucker wieder deutlich ansteigt, wird nach 12 Stunden evtl. eine 2. Applikation notwendig. Erhöhungen der verabreichten Insulinmenge sollten frühestens nach 2–3 Tagen erfolgen. Bei kurz aufeinander folgenden Erhöhungen der Dosis besteht die Gefahr einer körpereigenen Gegenregulation (sogenannter Somogyi-Effekt). Trotz stetiger Steigerung der Insulingabe werden nach kurzfristigen Unterzuckerungen durch eine Ausschüttung kontrainsulinärer Hormone (z. B. Kortisol, Adrenalin, Glukagon) wieder Hyperglykämien erreicht. Wird auf deren Grundlage die Dosis weiter erhöht, bricht das Regulationssystem irgendwann zusammen und es kommt zu einer lebensbedrohlichen Hypoglykämie. 

Konnte der Patient auf Insulin eingestellt werden, so überwacht zunächst der Besitzer den weiteren Behandlungserfolg, indem er regelmäßig das Gewicht des Tieres (v. a. bei Chinchillas und Degus), soweit möglich die Trinkmenge und mithilfe von Teststreifen den Glukosegehalt des Harns kontrolliert. Blutzuckerkontrollen in der tierärztlichen Praxis werden dann nur noch gelegentlich notwendig. Neben der Insulintherapie ist auch die Fütterung des betroffenen Tieres zu besprechen. Kann eine regelmäßige Insulingabe nicht gewährleistet werden, so ist eine optimale Fütterung zumindest ein Schritt, um das Wohlbefinden des Patienten noch über einen gewissen Zeitraum erhalten zu können. Alle 3 Tierarten müssen stets freien Zugang zum Futter haben. Beim Chinchilla ist im Regelfall keine Umstellung der aus Heu, getrockneten Kräutern und pelletiertem Alleinfutter bestehenden Grundnahrung notwendig. Sollte das Tier bisher jedoch zeitweilig z. B. Obst – auch in getrockneter Form – oder andere zuckerhaltige „Leckerbissen“ bekommen haben, so sind diese vom Speiseplan zu streichen. Degus sind durch den besonderen Aufbau des körpereigenen Insulins generell nicht in der Lage, größere Mengen Glukose zu verstoffwechseln. Daher sollte sich auch bei ihnen die Grundversorgung aus den für das Chinchilla genannten Komponenten gestalten. Zusätzlich können Degus noch in kleineren Mengen Gemüse, frische Kräuter und Salate angeboten werden. 

Besonders radikal ist meist die Umstellung der Ernährung des Meerschweinchens. Heu, strukturiertes Grünfutter, wie Kräuter, Kohlrabiblätter und Möhrengrün, sowie Gemüse, Salate und in kleinen Portionen pelletiertes Trockenfutter bleiben erhalten. Obst, das von Meerschweinchen oftmals sehr gerne und in größeren Mengen gefressen wird, sollte langsam in den Hintergrund der Versorgung treten und – wenn überhaupt – nur kurz nach Insulingabe in kleinen Mengen angeboten werden, um ein zu rasches Abfallen des Blutzuckerspiegels zu verhindern. Bei einem Diabetes-Management nur über das Futter ist auf Obst grundsätzlich vollständig zu verzichten. Die zahlreichen für das Meerschweinchen angebotenen „Leckerbissen“, die ohnehin nicht Teil der Rationsgestaltung sein sollten, wie Knabberstangen, Joghurtdrops und Stärkekissen sowie Zwieback und Brot, müssen immer vollständig gestrichen werden. Durch Austausch eines Getreidekörner und Extrudate enthaltenden Buntfutters gegen ein pelletiertes Alleinfutter ist eine weitere Minimierung des Kohlenhydratangebots zu erreichen. 

Quelle: A. Ewringmann, B. Glöckner, Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu
Diagnostischer Leitfaden und Therapie, ISBN: 9783830410911, 2. Aufl., überarb. 2012, S. 161-163

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