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Regulationsstörung
Der Begriff „Regulationsstörung“ ist die neue Bezeichnung für den Symptomkomplex, der bisher „Dreimonatskolik“ oder „Schreikind“ genannt wurde. Alternative Begriffe bezeichnen die Lebensbereiche, in denen sich die Probleme äußern: Schrei-Schlaf- und Fütterstörung. Neben der Asymmetrie sind dies die Hauptursachen für junge Eltern, in unsere osteopathischen Praxen zu kommen.
Die Behandlung dieser Störung ist eine komplexe Angelegenheit, die nicht ausschließlich auf der klassischen osteopathischen Ebene möglich ist. Zu einer sinnvollen Förderung der Selbstregulation gehören auch die Anleitung und Beratung der Eltern zu einem guten Umgang mit den auftretenden Problemen und das Erkennen und Behandeln von möglichen familiensystemischen Problemen durch entsprechend geschulte Therapeuten.
Zwei Fallbeispiele
Clara (7 Wochen) wird von ihren Eltern gebracht, weil sie unruhig ist, viel schreit, zur Beruhigung immer an die Brust will, diese aber dann, wenn sie angelegt wird, oft verweigert. Die Eltern sind noch jung. Clara war ein „Unfall“; sie haben sich nach längeren Zweifeln doch für das Kind entschieden. Die Beziehung wirkt nicht sehr harmonisch. Auch in meiner Gegenwart differieren die Einschätzungen, wie mit der Unruhe der kleinen Tochter umzugehen wäre. Der Vater bagatellisiert, die Mutter möchte alles richtig machen.
Moritz (3 Wochen) dagegen ist ein Wunschkind. Seine Eltern haben kein Geld und keine Mühe gescheut, um die Vervollständigung ihres Lebensplans mit einem Kind zu erfüllen. Es war ein langer, mühevoller Prozess, der mit einem Kaiserschnitt nach 10 Stunden Wehen erfolgreich war. Aber nun, nach einer glücklichen Schwangerschaft, folgt leider keine harmonische Säuglingszeit. Moritz überstreckt sich, schläft wenig, und wenn, dann nur auf der Brust seiner Eltern. Stillen klappt selten; falls doch, dann nur nachts im Liegen. Die Mutter pumpt ab, das Kind erbricht fast alles, gedeiht aber einigermaßen. Moritz atmet stoßweise, kommt nicht zur Ruhe und zappelt mit dem ganzen Körper. Die Eltern sind verzweifelt. Was machen sie falsch, was können sie tun?
Was die beiden Familien eint, ist die klinische Diagnose für ihre Kinder: Regulationsstörung.
Definition
Der Begriff Regulationsstörung wird noch nicht lange in der Kinderheilkunde verwendet. Er umfasst eine ganze Reihe von Symptomen, die früher mit einzelnen Diagnosen wie Dreimonatskoliken, Schreikind oder auch einfach nur „das Kind ist noch nicht auf der Welt angekommen“ einen Namen und damit einen Therapieansatz bekamen oder – je nach Ansprechpartner – „sich auswachsen würden“. Fachleute nennen das Problem auch ganz pragmatisch nach den Symptomen: Schrei-Schlaf- und Fütterstörungen oder Störung der affektiven Verhaltensregulation. Im Diagnoseschlüssel ICD-10 gibt es für diese psychologischen und psychosomatischen Störungen verschiedene Klassifikationsmöglichkeiten, die von leichten Anpassungsstörungen bis zu schweren Entwicklungsstörungen reichen. Tatsächlich findet man in der Literatur Hinweise darauf, dass die Verläufe stark variieren können. Differenzialdiagnostisch sind frühe Anzeichen von Autismus, hirnorganische Störungen (z. B. zerebrale Anfälle), Schlaf-Apnoe und Kindesmisshandlung zu bedenken. Prognostisch kann ein Zusammenhang zwischen der Regulationsstörung von Säuglingen und einer hyperkinetischen Störung bzw. AD(H)S hergestellt werden.
Inzwischen sind wir Osteopathen eine wichtige Anlaufadresse für die Eltern mit regulationsgestörten Kindern, doch es sind die sog. „Schreiambulanzen“, die den Familien schon länger über einen psychologischen Zugang helfen konnten. Auch wenn sich immer somatische Dysfunktionen bzw. osteopathische Läsionen bei diesen Kindern finden lassen, so sind doch die Eltern-Kind-Beziehung, das Handling und das Verständnis der Eltern für die motorischen, sensorischen und sozialen Entwicklungsschritte und Bedürfnisse eines Kindes die Faktoren, ohne die eine osteopathische Therapie ins Leere laufen wird. Birgit Gillemot hat eine Verbesserung der Ausbildung von Osteopathen in diesem Bereich angemahnt. Noch sind diese Aspekte zu wenig in die Curricula der Ausbildungen integriert.
Lesen Sie hier den gesamten Beitrag: Regulationsstörung
Aus der Zeitschrift Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 02/2017

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