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Eltern gesucht – Kolumne
Michael Schiewack hat in seiner Praxis schon alles erlebt. Dachte er. Bis ein herrenloser Junge auftaucht – ohne Verordnung und ohne Ansprechpartner. Da geht die Detektivarbeit los.
In meiner Praxis habe ich einen hohen Pädiatrieanteil und bin einiges gewohnt: Kinder, die nach der Therapie vergessen werden, oder Eltern, die ihre Eheprobleme lautstark ausdiskutieren. Herrenlose Kinder machen mein Portfolio jetzt komplett.
Die Tür geht auf und ich erwarte einen Jungen im Autismusspektrum zur Neuaufnahme. Ausgemacht hat den Termin eine freundliche Dame der Familienhilfe. Schon beim ersten Mal kommt er 15 Minuten zu spät, was ich ihm und seinen Eltern großzügig nachsehe – noch sind sie nicht aufgeklärt. Der Junge stürmt herein, hinterher eine aufgeregte ältere Dame. „Die Oma“, denke ich. Sie schreit in den Raum, dass sie es künftig nicht schafft. Ich strahle Ruhe aus wie Buddha höchstpersönlich und teile ihr mein Willkommensmantra mit: „Schön, dass ihr hier seid! Wie kann ich denn helfen?“
Sie faselt etwas von Taxifahrten von der Förderschule und dass der Termin überhaupt nicht zu schaffen sei. Ich sortiere für mich, dass sie lediglich den Transport übernommen hat, frage sie nach dem Rezept und ob die Eltern oder die Dame der Erziehungshilfe noch erscheinen werden. Sie verneint und pocht auf ihre Botschaft, dass sie nicht zu dieser Zeit kann. Meine Erkundigungen nach einer passenden Zeit verhallen im Nichts, und ich verspreche, die Situation irgendwie zu klären. Da ist sie auch schon weg.
Und so steht ein herrenloses Kind vor mir. Ich zwinkere ihm zu, lasse ihn neben meinem Bürostuhl Platz nehmen, gebe ihm etwas zu trinken und zu spielen – und bereite dem Jungen damit offensichtlich eine große Freude.
Bei der ursprünglichen Terminvereinbarung hatte ich diverse Telefonnummern notiert und so nach kurzer Zeit die Mama am Apparat. Trotz sprachlicher Barrieren entnehme ich dem Gespräch, dass keine Verordnung vorhanden sei, sie jetzt arbeiten müsse und den Jungen schon irgendjemand holen würde. Danach versuche ich es vergeblich bei der Familienhilfe, auch die Kinderpsychiatrie hat schon geschlossen. Schließlich lande ich bei der flankierend tätigen Tagesgruppe des Jungen. Dort ist man aufgeschlossen und hat Verständnis für meine schwierige Situation – auch wenn man keine Lösung parat hat. Man weiß dort um den Termin, aber nichts von Rezepten oder anderen Dingen meinen Auftrag betreffend. So habe ich mir Sozialarbeiter vorgestellt.
Lesen Sie hier den ganzen Beitrag: Eltern gesucht – Kolumne
aus der Zeitschrift ergopraxis 10/2020
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